Entscheidungsstichwort (Thema)
GewSt-Befreiung für Alten- und Pflegeheim
Leitsatz (NV)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß für die Zurechnung gewerbesteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen streng auseinanderzuhalten sind. Daher kann sich auf die Steuerbefreiung nach §3 Nr. 20 GewStG nur die das Alten- und Pflegeheim betreibende GmbH, nicht aber das Besitzunternehmen berufen.
Normenkette
AO 1977 §§ 37-38, 184 Abs. 1 Sätze 1-2, § 155 ff.; GewStG §§ 2, 3 Nr. 20, §§ 5, 14; FGO § 69
Verfahrensgang
Tatbestand
In dem beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) anhängigen Einspruchsverfahren streiten die Beteiligten darum, ob sich im Rahmen einer Betriebsaufspaltung der Umstand, daß das Betriebsunternehmen von der Gewerbesteuer befreit ist, auch beim Besitzunternehmen auswirkt.
Frau Dr. A. X., die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), ist die Alleinerbin ihres im August 1992 verstorbenen Ehemannes Dr. B. X. Dieser hatte zum 1. Januar 1989 die Alten- und Pflegeheime in Z und M erworben und den Grundbesitz nebst Inventar an die von ihm selbst als alleinigem Gesellschafter zum 1. Januar 1989 gegründete Y-Verwaltungsgesellschaft mbH (im folgenden GmbH) verpachtet. Die Pächterin betreibt auf dem gepachteten Grundbesitz ein Wohn- und Pflegeheim. Seit dem Tod ihres Ehemannes führt die Antragstellerin das Pachtverhältnis fort und hält sämtliche Anteile an der GmbH.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß für die Streitjahre die Voraussetzungen einer (unechten) Betriebsaufspaltung vorliegen und daß die GmbH Steuerfreiheit nach §3 Nr. 20 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) genießt. Diese Vergünstigung, so meint das FA im Anschluß an eine Außenprüfung, stehe allerdings dem Besitzunternehmen nicht zu, und erließ der Antragstellerin gegenüber für die Streitjahre 1990 bis 1995 entsprechende Gewerbesteuer-Meßbescheide. Diese Steuerverwaltungsakte sind Gegenstand des beim FA anhängigen Einspruchsverfahrens.
Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide hat das FA abgelehnt. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) hat dem Begehren mit der (in Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 1250 veröffentlichten) Begründung entsprochen, die Stellung des Besitzunternehmens als Subjekt der Gewerbesteuer gründe sich angesichts seiner Beschränkung auf reine Verpachtungstätigkeit auf die wirtschaftliche Einheit mit dem Betriebsunternehmen und dessen gewerbliche Betätigung. Wenn aber letztlich nur diese infolge der Verflechtung beider Unternehmen für die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens maßgeblich sei, dann müsse für die aus der konkreten Tätigkeit des Betriebsunternehmens resultierenden steuerbefreienden Umstände dasselbe gelten.
Dagegen wendet sich, unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), das FA mit der -- vom FG zugelassenen -- Beschwerde. Es weist zur Begründung außerdem auf die gesundheitspolitische Zielsetzung des §3 Nr. 20 GewStG hin. Sie rechtfertige es, das Betreiben eines Pflegeheims (durch die GmbH) zu subventionieren, nicht aber die reine Verpachtungstätigkeit (der Antragstellerin).
Das FA beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den AdV- Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt dem Sinne nach, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf den FG-Beschluß, auf das BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 77/77 (BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39) sowie auf die Behandlung der Betriebsaufspaltung im Bereich des Investitionszulagengesetzes -- InvZulG -- (wie z. B. im BFH- Urteil vom 16. September 1994 III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75) hält sie den begehrten vorläufigen Rechtsschutz weiterhin für gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des AdV-Antrags.
Nach §69 Abs. 2 und Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt AdV eines angefochtenen Verwaltungsakts in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Das ist dann der Fall, wenn die in einem solchen Verfahren gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige dagegen sprechende Gründe ergibt, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §69 Rz. 77, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das FA hat auf Grund der zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachlage die Antragstellerin in den angefochtenen Bescheiden zu Recht als Gewerbesteuer-Schuldnerin in Anspruch genommen (§184 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- i. V. m. §§155 ff. AO 1977, §14, §2 Abs. 1 Satz 1 und §5 Abs. 1 Satz 1 GewStG).
1. Zwischen den Beteiligten unstreitig und daher hier nicht weiter zu erörtern ist, daß die Betätigung der Antragstellerin bzw. ihres Rechtsvorgängers einerseits und der GmbH andererseits, bezogen auf den Betrieb der Alten- und Pflegeheime als (unechte) Betriebsaufspaltung (BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440 BStBl II 1972, 63; BFH-Urteile vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, und vom 10. Juli 1996 I R 132/94, BFHE 181, 337, BStBl II 1997, 226; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., 1997, §15 Rz. 800 ff., m. w. N.) anzusehen ist.
2. Das aber bedeutet zugleich, daß
-- in objektiver Hinsicht die Verpachtungstätigkeit der Antragstellerin (bzw. ihres verstorbenen Ehemannes) als Gewerbebetrieb zu beurteilen ist (als "gewerblich qualifizierte Verpachtung": BFH-Urteile vom 23. Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405, unter 1. c, cc; in BFHE 181, 337, BStBl II 1997, 226 unter II. 2., m. w. N.);
-- Besitz- und Betriebsunternehmen trotz ihrer personellen und sachlichen Verflechtung als zwei verschiedene Rechtssubjekte i. S. des GewStG zu sehen und zu behandeln sind (BFH in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; Urteil vom 27. September 1979 IV R 89/76, BFHE 129, 25, BStBl II 1980, 94, vgl. auch BFH-Beschluß vom 27. September 1993 IV B 125/92, BFH/NV 1994, 617, 618; Schmidt, a. a. O., Rz. 870 f., jew. m. w. N.).
3. Hieraus folgt, daß zwischen dem Steuergläubiger und dem Besitzunternehmen einerseits und dem Betriebsunternehmen andererseits -- ungeachtet der wirtschaftlichen Verflechtung -- zwei voneinander unabhängige, jeweils selbständig zu beurteilende Steuerschuldverhältnisse i. S. der §§37 ff. AO 1977 bestehen, mit der weiteren Konsequenz, daß beide Steuerrechtssubjekte auch hinsichtlich der Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände (§38 AO 1977) grundsätzlich streng auseinanderzuhalten sind: Das gilt für den Regelungsbereich steuerbegründender Normen (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39) prinzipiell in gleicher Weise wie für das Eingreifen steuervergünstigender (s. etwa BFH-Urteil vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347 m. w. N.) oder steuerbefreiender Gesetzesbestimmungen (BFH-Entscheidungen vom 13. Oktober 1983 I R 187/79, BFHE 139, 406, BStBl II 1984, 115; vom 12. November 1985 VIII R 282/82, BFH/NV 1986, 362; vom 17. Juli 1991 I R 98/88, BFHE 165, 369, BStBl II 1992, 246; vom 30. September 1991 IV B 21/91, BFH/NV 1992, 333).
4. Auf den Streitfall angewandt heißt dies, daß sich auf §3 Nr. 20 GewStG nur die die Alten- und Pflegeheime selbst betreibende GmbH, nicht aber die Antragstellerin berufen kann, deren Betätigung sich in qualifizierter Verpachtung erschöpft und damit die Voraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift selbst nicht erfüllt (ebenso BFH in BFH/NV 1992, 333).
5. Daraus, daß im Investitionszulagenrecht in Fällen der Betriebsaufspaltung bisweilen auf die wirtschaftliche Einheit abgestellt wird (wie z. B. im Urteil in BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75; s. aber andererseits BFH- Urteil vom 22. Februar 1996 III R 91/93, BFHE 180, 293, BStBl II 1996, 428), können -- entgegen der Meinung des FG und der Antragstellerin -- schon wegen der speziellen Zwecksetzung und tatbestandsmäßigen Ausgestaltung des InvZulG keine allgemeinen, in Fällen der hier zu beurteilenden Art verwertbaren, Rückschlüsse gezogen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 66424 |
BFH/NV 1998, 743 |