Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision; Begründungsmangel
Leitsatz (NV)
Gegen ein Urteil des FG, das auf mehrere, es unabhängig voneinander tragende Erwägungen gestützt wurde, ist die zulassungsfreie Revision aufgrund von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nur gegeben, wenn dargelegt wird, daß der Begründungsmangel im Hinblick auf jede der Erwägungen besteht.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde zur Prüfung für Steuerberater zugelassen. Da die Prüfungsgesamtnote die Zahl 4,15 überstieg, erklärte der Prüfungsausschuß die Prüfung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) als nicht bestanden.
Gegen dieses Ergebnis, das dem Kläger am ... verkündet worden war, legte der Kläger mit seinem an den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzministerium - FinMin -) gerichteten Schreiben vom 20. März ... (eingegangen beim FinMin am ...) das zulässige Rechtsmittel ein. In seiner Erwiderung auf das Rechtsmittelschreiben des Klägers wies das FinMin darauf hin, daß, wenn das Schreiben als Klage angesehen werden sollte, diese nicht fristgerecht eingelegt worden sein dürfte, weil die Klage erst am ... bei ihm eingegangen sei.
Auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) teilte der Kläger mit, daß der Schriftsatz vom 20. März ... als Klage behandelt werden möge.
Das FG wies die Klage ab. Es führte u.a. aus:
Die Klage sei nicht zulässig, weil aus dem Schriftsatz des Klägers an das FinMin vom 20. März... in keiner Weise hervorgegangen sei, daß er eine Klage an das FG beabsichtigt habe. Auch aus dem an das FinMin gerichteten Wiedereinsetzungsantrag des Klägers sei zu entnehmen, daß er sich nicht im Klage-, sondern im Verwaltungsverfahren befindlich geglaubt habe. Die mit dem Schreiben an das FG ... möglicherweise erfolgte Klageerhebung wäre verspätet. Selbst wenn aber aus dem Schriftsatz vom 20. März ... eine Klage zu entnehmen sein sollte, wäre die Klagefrist, die im Streitfall am 23. März ... abgelaufen sei, nicht eingehalten worden. Denn die Klage sei erst am 25. März beim FinMin eingegangen.
Den Wiedereinsetzungsanträgen des Klägers entsprach das FG nicht.
Sachlich hielt das FG die Klage u.a. deswegen nicht für begründet, weil die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung seines Vortrags in der mündlichen Steuerberaterprüfung nicht durchgriffen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe zwar die Kontrolldichte der Verwaltungsgerichte hinsichtlich fachlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling erweitert. Ausgenommen habe es jedoch von dieser Weiterung prüfungsspezifische Wertungen. Insofern habe das BVerfG die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Bewertungsspielraum bestätigt. Darum gehe es auch im Streitfall, in dem der Kläger die Bewertung des Vortrages angreife, nicht aber vortrage, daß der Ausschuß Richtiges als falsch bewertet habe. Die Benotung falle in den prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum, der im Grundsatz keiner gerichtlichen Kontrolle unterliege.
Der Kläger stützt seine Revision auf §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er führt aus, der Entscheidung fehle (teilweise) die erforderliche Begründung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Denn der Kläger hat keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ergeben.
1. a) Die zulassungsfreie Verfahrensrevision ist nur statthaft, wenn ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird. Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO ergeben (vgl. Senatsbeschluß vom 4. April 1989 VII R 12/87, BFH/NV 1989, 713).
Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO müssen Urteile begründet werden. Der Sinn des Begründungszwangs liegt darin, den Prozeßbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Das erfordert nicht, daß jedes Vorbringen der Beteiligten im einzelnen im Urteil erörtert werden muß. Entsprechend dem beschriebenen Zweck der Urteilsbegründung kann von einem wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der genannten Vorschriften nur dann ausgegangen werden, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Das ist z.B. der Fall, wenn die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder in Hinsicht auf einen selbständigen - prozessualen - Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder mißverständlich und verworren sind (vgl. Beschluß in BFH/NV 1989, 713f.).
Ist die Entscheidung wie im Streitfall auf mehrere Erwägungen gestützt worden, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, so ist ein Begründungsmangel im vorstehenden Sinne nur dann schlüssig gerügt, wenn dargelegt wird, daß er im Hinblick auf jede der Erwägungen besteht.
b) Den Ausführungen des Klägers in der Revision läßt sich nicht entnehmen, daß er einen Begründungsmangel hinsichtlich sämtlicher Erwägungen der Vorinstanz geltend macht. Vielmehr hat er ausdrücklich vorgetragen, daß er diesen nur im Hinblick auf die nicht gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die vom FG nicht für gerichtlich überprüfbar gehaltene Bewertung des Vortrags in der mündlichen Steuerberaterprüfung sieht. Das FG hat die Vorentscheidung aber nicht allein auf diese Erwägungen gestützt. Vielmehr hat es seine Entscheidung - wie oben wiedergegeben - vor allem mit der Unzulässigkeit der Klage begründet, die schon allein daraus folge, daß aus dem Schriftsatz des Klägers vom 20. März... nicht eindeutig zu entnehmen sei, daß eine Klage zum FG beabsichtigt war. Hinsichlich dieser die Entscheidung bereits selbständig tragenden Erwägung hat der Kläger aber keinen Begründungsmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gerügt.
Fundstellen
Haufe-Index 419529 |
BFH/NV 1994, 564 |