Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung des Anordnungsgrundes nach § 114 FGO
Leitsatz (NV)
1. Macht der Antragsteller in dem Verfahren vor dem FG keinen Sachverhalt geltend, aus dem sich ein Anordnungsgrund i. S. des § 114 FGO ergeben kann, so ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als unzulässig zu verwerfen.
2. Macht der Antragsteller einen Anordnungsgrund geltend, der aber tatsächlich nicht durchgreift, so ist der Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
3. Beantragt der Antragsteller eine einstweilige Anordnung des Inhalts, daß das FA angewiesen wird, Prüfungshandlungen auf Grund einer bestandskräftigen Prüfungsanordnung vorläufig nicht durchzuführen, so reicht der Hinweis auf einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus, um einen wesentlichen Nachteil i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO zu begründen.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, der gegenüber am 6. September das FA die Durchführung einer KVSt-Prüfung bestandskräftig anordnete. Am 1. 2. 1991 beantragte die Antragstellerin die Rücknahme bzw. den Widerruf der Prüfungsanordnung. Dies lehnte das FA ab. Die zuständige OFD wies die Beschwerde zurück. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage.
Gleichzeitig beantragte sie den Erlaß einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, daß das FA angewiesen werde, bis zum Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache keine Prüfungshandlungen vorzunehmen. Der Antrag wurde auf ein in der Vorentscheidung wörtlich wiedergegebenes Schreiben der OFD vom 14. Januar 1988 sowie auf eine ebenfalls in der Vorentscheidung wörtlich wiedergegebene Vereinbarung mit dem Finanzministerium vom 30. Mai 1990 gestützt, die die Antragstellerin als eine Zusage auf Erlaß der nunmehr zu prüfenden Kapitalverkehrsteuern bis 1987 einschließlich versteht.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch Beschluß vom 12. September 1991 ab.
Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 16. September 1991 zugestellt. Sie legte am 24. September 1991 beim FG Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Dies ergibt sich bereits aus dem Fehlen eines sog. Anordnungsgrundes, weshalb es auf die Frage nicht ankommt, ob im Streitfall ein Anordnungsanspruch gegeben ist.
2. Eine einstweilige Anordnung kann nach § 114 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dann ergehen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Sie kann außerdem nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO dann ergehen, wenn die Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Im Streitfall ist nicht dargelegt, daß der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme bzw. Widerruf der Prüfungsanordnung vom 6. September 1989 durch die Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt bzw. seine Durchsetzung wesentlich erschwert werden könnte. Deshalb kommt nur der Erlaß einer sog. Regelungsanordnung in Betracht.
3. Der Erlaß einer Regelungsanordnung setzt voraus, daß diese ,,um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen" nötig erscheint. Notwendig ist die Anordnung nur, wenn das private Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigung in der Rechtsposition der Antragstellerin zu verhindern (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Juli 1978 I B 14/78, BFHE 125, 351, BStBl II 1978, 598; vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233). Das Verfahren der einstweiligen Anordnung muß auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 1975 VI B 22/75, BFHE 116, 106, BStBl II 1975, 717; vom 20. Januar 1988 I B 72/87, BFHE 152, 50, BStBl II 1988, 412). Die für eine vorläufige Anordnung sprechenden Gründe müssen deshalb so schwerwiegend sein, daß sie die einstweilige Anordnung unabweisbar machen (BFH in BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233). Entsprechend reichen als Anordnungsgrund solche Rechtsnachteile nicht aus, die nur in der Erfassung tatsächlich verwirklichter Besteuerungstatbestände in einem Steuerbescheid bzw. nur in der Duldung einer rechtswirksam angeordneten Außenprüfung bestehen. Die Bejahung eines Anordnungsgrundes setzt vielmehr darüber hinausgehende wesentliche Nachteile voraus.
Hiervon ausgehend hätte das FG den Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als unzulässig verwerfen müssen, weil diese in dem Verfahren vor dem FG keinen Sachverhalt darlegte und glaubhaft machte, aus dem sich ein Nachteil der genannten Art ergeben könnte. Zwar hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung entsprechende Nachteile andeutungsweise behauptet. Die Nachteile sind jedoch nicht glaubhaft gemacht. Sie greifen auch aus anderen Gründen nicht durch. Es ist nämlich nicht zu erkennen, daß die Durchführung der bestandskräftig angeordneten Außenprüfung für die Antragstellerin eine über das normale Maß hinausgehende Störung in den Betriebsabläufen bzw. einen über das normale Maß hinausgehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten würde. Deshalb muß der erkennende Senat davon ausgehen, daß die für die Klägerin mit der Durchführung der Außenprüfung verbundenen Nachteile ,,normaler Art" und damit unwesentlich i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind.
Fundstellen
Haufe-Index 418126 |
BFH/NV 1992, 478 |