Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge in Verfahren mit europarechtlichem Bezug
Leitsatz (NV)
1. Die Anhörungsrüge ist auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beschränkt und lässt sich nicht mit einem neuen Vortrag im Rügeverfahren begründen.
2. In der Nichterhebung eines Beweises zu einer nicht entscheidungserheblichen Tatsache (hier: beabsichtigte Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland) liegt keine Versagung des rechtlichen Gehörs, ebenso wenig in der Nichtvorlage einer Sache an den EuGH.
Normenkette
FGO § 133a; EGVtr Art. 50
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 21. August 2008 VIII B 70/08 hat der Senat die Beschwerde des Beschwerdeführers und Rügeführers (Beschwerdeführer) gegen einen Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, durch den der Beschwerdeführer im Klageverfahren 5 K 1856/07 als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden ist.
Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2008 wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Senatsbeschluss vom 21. August 2008 mit einer Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem Antrag, "das Verfahren ordnungsgemäß unter Gewährung rechtlichen Gehörs und Erfüllung gesetzlich zwingender Vorlagepflichten fortzusetzen".
Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des rechtlichen Gehörs wie auch sonstige "schwerwiegende formelle und/oder materielle Mängel" geltend. Er sieht den Begriff "vorübergehend" in Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den Bundesfinanzhof (BFH) fehlerhaft ausgelegt. Die hierzu ergangene Richtlinie 2005/36/EG finde nach einer Stellungnahme der Europäischen Kommission nur auf Dienstleistungen Anwendung, die grenzüberschreitend erbracht werden und "das physische Element des Grenzübertrittes" beinhalten (Unterstreichung durch den Beschwerdeführer). Dies entspreche der Ansicht des Beschwerdeführers und hätte sich so bestätigt, wenn der BFH ihn mit diesem Vortrag gehört und angebotene Beweise erhoben hätte.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Anhörungsrüge ist nicht statthaft, soweit der Beschwerdeführer die sachliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend macht. Entgegen seiner Auffassung ist der Anwendungsbereich der Rüge nach dem klaren Wortlaut des § 133a FGO auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beschränkt (s. BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom 1. Februar 2008 VIII S 24/07, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 3, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 3).
2. Die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht festzustellen. Insbesondere war der Beschwerdeführer nicht gehindert, seine Rechtsauffassung im vorausgegangenen Beschwerdeverfahren vorzutragen. Der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 21. August 2008 mit dem damaligen Vorbringen des Beschwerdeführers ausführlich auseinandergesetzt, ist indes nicht zu dem von ihm gewünschten Ergebnis gelangt. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr im Besonderen auf die Bedeutsamkeit des physischen Elementes des Grenzübertritts bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen abhebt, handelt es sich um einen neuen Vortrag, der im vorausgegangenen Beschwerdeverfahren VIII B 70/08 noch nicht erfolgt war und demzufolge vom Senat auch nicht übergangen werden konnte.
Die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte Tatsache der Absicht einer Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) war nicht entscheidungserheblich, der vom Beschwerdeführer angebotene Beweis durch amtliche Auskunft der Europäischen Kommission schon deshalb nicht zu erheben. Im Übrigen ist eine amtliche Auskunft der Europäischen Kommission nicht geeignet, einen Beweis in Rechtsfragen zu erbringen, über die die Gerichte zu urteilen haben. Mit dem sinngemäßen Vorbringen im vorliegenden Verfahren, der BFH hätte die Sache dem EuGH vorlegen müssen, wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargelegt (BFH-Beschluss vom 25. April 2007 VII S 8/07, 9/07, 10/07, BFH/NV 2007, 1347).
Auch die sinngemäße Rüge des Beschwerdeführers, dass er nicht zu den Rechtsausführungen zu § 3a Abs. 1 Satz 3 des Steuerberatungsgesetzes (Blatt 6, letzter Absatz des angefochtenen Beschlusses: "Schließlich …") habe Stellung nehmen können, greift nicht durch. Diese Ausführungen sind nicht tragend; der Beschluss wäre auch ohne sie nicht anders ergangen. Im Übrigen gebietet es der Anspruch der Beteiligten, sich vorher äußern zu können, auch bei erheblichen rechtlichen Gesichtspunkten nicht, dass das Gericht diese mit den Beteiligten vor seiner Entscheidung umfassend erörtert oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, m.w.N.).
Fundstellen