Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verfahrensmangel, ordnungsgemäße Ladung
Leitsatz (NV)
- Die Postzustellungsurkunde erbringt den vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, d.h. auch darüber, dass der Empfänger in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden ist.
- Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht darauf an, ob und wann der Adressat die Mitteilung über die Niederlegung seinem Briefkasten entnommen und ob er sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Unerheblich ist auch, ob der Adressat von der Ladung mit oder ohne Verschulden keine Kenntnis erlangt hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 4; ZPO § 418 Abs. 1
Gründe
Die Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757 ―im Folgenden: FGO n.F.―).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. muss die Begründung der Beschwerde den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO n.F. genügen, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift nicht ausreichend dargelegt worden.
1. Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und dadurch das rechtliche Gehör der Beigeladenen verletzt, ist nicht schlüssig erhoben. Dieser Vortrag, mit der die Beigeladene zugleich geltend macht, sie sei im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen (§ 119 Nr. 4 FGO n.F.), ist ―die vorgebrachten Tatsachen als wahr unterstellt― nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F. zu begründen. In gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten i.S. des § 119 Nr. 4 FGO n.F. ist ein Beteiligter dann, wenn das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat, nicht aber, wenn das Gericht die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat und der Beteiligte aus einem in seinem Bereich liegenden Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567, m.w.N.). Nicht vertreten i.S. des § 119 Nr. 4 FGO n.F. ist ein Beteiligter insbesondere dann, wenn er nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 567).
Die Ausführungen der Beigeladenen lassen indes keinen Schluss auf eine nicht ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Verhandlung durch das FG zu. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ist der Beigeladenen die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2001 mit Postzustellungsurkunde durch die Post zugestellt worden. Trifft der Postbedienstete ―wie im Streitfall― den Empfänger in seiner Wohnung nicht an, hat er gemäß § 3 Abs. 3 VwZG i.V.m. § 182 der Zivilprozessordnung (ZPO) eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben. Üblich ist der Einwurf in den Hausbriefkasten (BFH-Urteil vom 17. Februar 1983 V R 76/77, BFHE 137, 563, BStBl II 1983, 528). Wie sich aus der Postzustellungsurkunde ergibt, hat der Postbedienstete die Mitteilung über die Niederlegung der Ladung unter Beachtung dieser Vorschriften am 8. Mai 2001 in den Hausbriefkasten der Wohnung der Beigeladenen ―wie bei gewöhnlichen Briefen üblich― eingelegt.
Gemäß § 418 Abs. 1 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, d.h. auch darüber, dass die Empfänger ―hier: die Beigeladene― in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden ist. Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (BFH-Urteil vom 20. Februar 1992 V R 39/88, BFH/NV 1992, 580, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 567). Die bloße Behauptung der Beigeladenen, sie habe die Mitteilung über die Niederlegung entweder nicht erhalten oder aber mit den üblicherweise in ihrem Briefkasten befindlichen Werbeprospekten in den Papiermüll "entsorgt", kann daher die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht entkräften. Denn für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht darauf an, ob und wann der Adressat die Mitteilung über die Niederlegung seinem Briefkasten entnommen und ob er sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. November 1977 VIII B 52/77, BFHE 124, 5, BStBl II 1978, 156; vom 2. Juni 1987 VII R 36/84, BFH/NV 1988, 170; vom 5. Januar 1990 III S 7/89, BFH/NV 1991, 322; vom 15. März 2001 X B 101/00, BFH/NV 2001, 1361, jeweils m.w.N.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Adressat von der Ladung mit oder ohne Verschulden keine Kenntnis erlangt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 567).
Die Beigeladene war demnach ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, der auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs oder darauf beruht, dass die Beigeladene in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, liegt daher nicht vor.
2. Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist nicht zulässig erhoben. Denn bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) gehören nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N.; Beschlüsse des BFH vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, und vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Substantiierter Vortrag der Beigeladenen in diesem Sinne liegt nicht vor. Die Beigeladene wendet sich vornehmlich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG hinsichtlich des gemeinsamen Haushalts zwischen ihr und dem Kläger. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Denn Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
3. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen