Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärungspflicht des Finanzgerichts
Leitsatz (NV)
Kommt der Beteiligte, zu dessen Gunsten sich das Ergebnis der Sachaufklärung auswirken würde, seiner zumutbaren Mitwirkungspflicht trotz Aufforderung nicht nach und könnte das Finanzgericht die tatsächlichen Verhältnisse ohne Mitwirkung der Beteiligten nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten ermitteln, so verringern sich die dem Finanzgericht obliegende Sachaufklärungspflicht und das Beweismaß.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 30.06.2006; Aktenzeichen 11 K 3459/04 E,G,U) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen vom Rechtsmittelführer innerhalb der gesetzlichen Frist zur Begründung der Beschwerde gegenüber dem BFH dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht gerecht.
1. Wollten die Kläger mit dem Hinweis, das Urteil des Finanzgerichts (FG) verstoße "gegen die vom BFH aufgestellten Grundsätze zu steuerlichen Schätzungsbescheiden", eine die Rechtseinheit gefährdende Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geltend machen, so hätten sie zu deren Darlegung die angeblich im Grundsätzlichen voneinander abweichenden Rechtssätze in dem angefochtenen Urteil einerseits und in den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits so genau bezeichnen und einander gegenüberstellen müssen, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zuletzt z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 2007 XI B 39/06, BFH/NV 2007, 710; vom 7. Dezember 2006 VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712; vom 21. August 2006 X B 154/05, BFH/NV 2006, 2285). Dies ist indessen nicht geschehen. Welche --ihrer Ansicht nach-- feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung das FG verkannt haben soll, lässt sich dem Vortrag der Kläger selbst ansatzweise nicht entnehmen.
2. Soweit die Kläger ausführen, aus ihrer Sicht habe das FG den Sachverhalt zur Ermittlung der tatsächlich "richtigen" Besteuerungsgrundlage nicht hinreichend aufgeklärt, ist Folgendes zu bemerken:
a) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und damit ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mit der Begründung gerügt, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH unter anderem auch Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. zuletzt z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Januar 2007 X B 51/06, BFH/NV 2007, 718; vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74; vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70). Zudem muss das FG Aufklärungsmaßnahmen nur dann ergreifen, wenn hierzu ein Anlass besteht (Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 16). Dabei verringern sich die dem Gericht zumutbare Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts und das Beweismaß, wenn der Beteiligte, zu dessen Vorteil sich das Ergebnis der Aufklärung auswirken würde, seiner zumutbaren Mitwirkungspflicht trotz Aufforderung nicht nachkommt und das Gericht die tatsächlichen Verhältnisse ohne Mitwirkung der Beteiligten nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten ermitteln könnte (Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 76 Rz 47; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rz 78, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
b) Zu keinem der genannten Punkte enthält die Beschwerdebegründung substantiierte Angaben.
aa) Die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) festgestellten erheblichen und schwerwiegenden Buchführungsmängel stellen die Kläger ebenso wenig in Abrede wie die sich daraus ergebende Berechtigung, die für die Streitjahre eingereichten Gewinnermittlungen des Klägers zu verwerfen und durch eine (Voll-)Schätzung zu ersetzen. Zudem beziehen sich die Ausführungen zu den der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen --angeblich-- anhaftenden Fehlern, die das FG nach Ansicht der Kläger zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätten veranlassen müssen, ausschließlich auf die vom FA im Rahmen der Außenprüfung vorgenommene Nachkalkulation der im Gewerbebetrieb des Klägers angefallenen Geschäftsumsätze.
Dabei übersehen die Kläger allerdings, dass das FG die von ihnen angegriffene Schätzung der vom FA eingesetzten Außenprüferin weder übernommen noch sich deren Grundlagen sonst in entscheidungserheblicher Weise zu Eigen gemacht hat. Das angefochtene Urteil stützt sich vielmehr auf eine eigenständige Reingewinnschätzung, die das FG in Ausübung der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO zustehenden Schätzungsbefugnis selbst vorgenommen hat. Einwendungen gegen diese Schätzung des FG, die sich hinsichtlich der Rohgewinnaufschlagsätze auf einen zwischen dem unteren und dem mittleren Wert der finanzbehördlichen Richtsatzsammlung liegenden Prozentsatz stützt und die hinsichtlich des Reingewinns in allen Streitjahren --bei Zugrundelegung der unstreitig angefallenen Betriebsausgaben-- den obersten Wert der Richtsatzsammlung nicht überschreitet, haben die Kläger nicht erhoben.
bb) Aus welchen Gründen das FG zu weiterreichenden Maßnahmen zur Sachaufklärung verpflichtet gewesen wäre und worin diese Maßnahmen --in Anbetracht der feststehenden Buchführungsmängel und der dadurch bedingten unsicheren Datenbasis-- im Einzelnen hätten bestehen können, erschließt sich aus den Darlegungen der Kläger nicht. Da das FG zuvor zudem seinen eigenen Prüfungsbeamten mit der Überprüfung der Buchführung beauftragt hatte und sich die Kläger zu den in dessen Prüfungsbericht mitgeteilten erheblichen Kalkulationsdifferenzen trotz Aufforderung des Gerichts nicht geäußert hatten, war die tatrichterliche Amtsermittlungspflicht nach den oben genannten Maßstäben im Streitfall auch der Sache nach begrenzt.
Fundstellen
Haufe-Index 1770479 |
BFH/NV 2007, 1692 |