Entscheidungsstichwort (Thema)
Übersendung von Steuerakten in Rechtsanwaltskanzlei?
Leitsatz (NV)
Im finanzgerichtlichen Verfahren dürfen die Akten auch im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich nur in der Geschäftsstelle des Gerichts eingesehen werden. Der Umstand, daß hierdurch möglicherweise Fotokopierkosten bei Gericht anfallen, ändert daran nichts.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Entscheidungen des FG über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht sind keine mit der Beschwerde nicht anfechtbaren prozeßleitenden Verfügungen i. S. des § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung des FG über den Antrag eines Prozeßbevollmächtigten auf Überlassung der Akten in seine Kanzlei unterliegt deshalb der Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO; vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; vom 29. April 1987 VII B 4/87, BFH/NV 1987, 796; vom 23. September 1985 VI B 11/85, BFH/NV 1987, 374; vom 17. Januar 1989 X B 180/88, BFH/NV 1989, 645).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die Akten in das Büro des Prozeßbevollmächtigten zu übersenden.
Nach § 78 Abs. 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Eine dem § 100 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Vorschrift, daß nach dem Ermessen des Vorsitzenden die Akten dem bevollmächtigten Rechtsanwalt zur Mitnahme in seine Wohnung oder in seine Geschäftsräume übergeben werden können, fehlt in der FGO. Die Regelung ist vom Gesetzgeber bewußt nicht aufgenommen worden, um die Rechtsanwälte gegenüber anderen Prozeßbevollmächtigten nicht zu bevorzugen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. September 1967 III B 31/67, BFHE 90, 312, BStBl II 1968, 82; vom 10. August 1978 IV B 20/77, BFHE 126, 1, BStBl II 1978, 677, und in BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475). Deshalb kann die Herausgabe der Gerichtsakten in die Wohnung oder die Geschäftsräume auch im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt stets nur die Ausnahme von der Regel sein, daß die Akten grundsätzlich nur in der Geschäftsstelle des Gerichts eingesehen werden dürfen. Dies ist auch unter Berücksichtigung von Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26. August 1981 2 BvR 637/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 77).
Die Entscheidung darüber, ob die Akten einem Rechtsanwalt ausnahmsweise in seine Kanzlei überlassen werden können, ist eine Ermessensentscheidung des FG (BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; BFH/NV 1987, 796; BFH/NV 1989, 645, jeweils m.w.N.), bei deren Prüfung der Senat nicht den Beschränkungen des § 102 FGO unterliegt; denn diese Vorschrift gilt nur für Ermessensentscheidungen der Verwaltung.
Die vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine Ausnahme von der Regel des § 78 FGO. Bei seiner Ermessensabwägung hat das Gericht das Interesse an einem geordneten gerichtlichen Verfahren (Vermeidung von Aktenverlusten, Wahrung des Steuergeheimnisses, § 30 der Abgabenordnung - AO 1977 -, vor allem Dritten gegenüber) im Interesse an einer sachgerechten Wahrnehmung des Vertretungsauftrags gegenüberzustellen. Fotokopierkosten sind nicht geeignet, die Gefahr des Aktenverlustes oder einer Verletzung des Steuergeheimnisses in den Hintergrund treten zu lassen (vgl. zu Kostengesichtspunkten bereits BFHE 126, 1, BStBl II 1978, 677). Sie treffen zudem auch Nichtrechtsanwälte, denen auch dann, wenn man der Auffassung der Kläger folgt, kein Anspruch auf Übersendung der Akten in ihre Wohnung oder ihr Büro zustünde.
Die Behauptung, das Gericht berechne ab der 51. Fotokopie 1 DM statt 0,30 DM, ist nicht substantiiert; denn nach Nr. 1900 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz gilt die Regelung, daß ab der 51. Kopie lediglich 0,30 DM zu berechnen sind, gerade für die Gerichte. § 27 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, der die Schreibgebühren für Anwälte regelt, verweist indessen auf diese Vorschrift, ohne die Höhe der Schreibauslagen eigenständig festzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 417247 |
BFH/NV 1991, 325 |