Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der vorläufigen ESt-Festsetzung wegen desArbeitnehmer-Pauschbetrags; keine Aussetzung des Klageverfahrens bei vorläufiger Festsetzung der verfassungsrechtlich umstrittenen Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (NV)
1. Die vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich des Arbeitnehmer- Pauschbetrags (§ 9 a Satz 1 Nr. 1 EStG) umfaßt auch den Fall, daß der Gesetzgeber bei Verfassungswidrigkeit des § 9 a Satz 1 Nr. 1 EStG wieder einen Arbeitnehmerfreibetrag einführt.
2. Ist die Einkommensteuer hinsichtlich verfassungsrechtlich umstrittener Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgesetzt, kommt eine Aussetzung des Klageverfahrens mangels Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage nicht in Betracht.
Normenkette
EStG § 9a S. 1 Nr. 1; FGO § 74; AO 1977 § 165 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Februar 1994 VI B 123/93 (BFH/NV 1994, 548) umfaßt die vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich des Arbeitnehmer- Pauschbetrags (§ 9 a Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) auch den Fall, daß der Gesetzgeber bei Verfassungswidrigkeit des § 9 a Satz 1 Nr. 1 EStG wieder einen Arbeitnehmerfreibetrag einführt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine zu dieser Frage erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluß vom 29. September 1994 2 BvR 1593/94 nicht zur Entscheidung angenommen (Der Steuer-Eildienst -- StE -- 1994, 705).
2. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. August 1994 X B 26/94 (BFHE 174, 498, BStBl II 1994, 803) kommt eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden beim BVerfG nicht in Betracht, wenn die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig ist und daher nicht zu einer Sachprüfung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerungsgrundlagen führen kann. Ist wie im Streitfall die Einkommensteuer hinsichtlich der verfassungsrechtlich umstrittenen Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgesetzt, besteht für eine Klage kein Rechtsschutzbedürfnis; sie ist daher wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig. Entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer kann ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht daraus abgeleitet werden, daß im Falle des Obsiegens der Erstattungsanspruch zu verzinsen ist (§ 236 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Prozeßzinsen sind eine Folge der berechtigten Inanspruchnahme des Gerichts; allein die Möglichkeit ihrer Entstehung im Falle eines Obsiegens kann eine Klageerhebung nicht rechtfertigen (BFHE 174, 498, BStBl II 1994, 803).
3. Das Ruhen des Verfahrens kann schon deshalb nicht angeordnet werden, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) nicht zugestimmt hat (§ 155 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung).
4. Eine Kostenentscheidung entfällt, weil durch die Beschwerdeentscheidung kein Verfahren i. S. des § 143 Abs. 1 FGO beendet worden ist (BFHE 174, 498, BStBl II 1994, 803).
5. Im übrigen ergeht die Entscheidung nach § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 424503 |
BFH/NV 1995, 569 |