Leitsatz (amtlich)
1. Die Verfassungsmäßigkeit des § 2 a EStG kann nicht im Rahmen eines Gewinnfeststellungsverfahrens (§ 215 Abs. 2 AO) geprüft werden, wenn dort Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung festgestellt werden; die verfassungsrechtliche Prüfung kann vielmehr nur im Rahmen eines Verfahrens über die Einkommensteuerveranlagung vorgenommen werden.
2. Dem Begehren, die Vollziehung eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung auszusetzen, weil in diesem Bescheid ein Vermerk über die Nicht-Verrechenbarkeit von Verlustanteilen aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung (§ 2 a EStG) enthalten ist, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Normenkette
EStG 1971 § 2a; AO § 215 Abs. 2, § 216; FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) waren Kommanditisten einer KG, über deren Vermögen im Jahre 1974 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Gegenstand des Unternehmens waren die gewerbliche Tierzucht und Tierhaltung.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA) die Einkünfte der KG für 1971 und 1972 mit Sammelbescheid vom 3. Januar 1975 einheitlich und gesondert wie folgt fest:
Gewinn aus Gewerbebetrieb 1971: ./. 5 274 695 DM.
Gewinn aus Gewerbebetrieb 1972: ./. 2 071 431 DM.
Der Bescheid enthält außerdem Feststellungen über die Höhe der auf die einzelnen Gesellschafter enttallenden Verlustanteile sowie den Vermerk:
"Die Verluste sind gemäß § 2 a EStG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechenbar."
Der Bescheid wurde dem Konkursverwalter sowie allen Kommanditisten bekanntgegeben.
Gegen den Bescheid vom 3. Januar 1975 erhoben die Antragsteller Einspruch mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben. Aus der Begründung ergibt sich, daß sich die Antragsteller gegen die in den Bescheid aufgenommene Feststellung über die Nicht-Verrechenbarkeit der Verlustanteile wenden. Nach ihrer Auffassung ist die Vorschrift des § 2 a EStG, auf die das FA seine Feststellung über die Nicht-Verrechenbarkeit stützt, verfassungswidrig. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Die Antragsteller beantragten außerdem beim FG, die Vollziehung des Bescheides vom 3. Januar 1975 auszusetzen.
Das FG lehnte den Antrag mit Beschluß vom 20. März 1975 ab. Nach seiner Auffassung ist der Bescheid vom 3. Januar 1975 einer Aussetzung der Vollziehung nicht fähig. Die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids habe zur Folge, daß der Bescheid nicht verwertet werden dürfe. Die Aussetzung der Vollziehung des im Streitfall ergangenen Feststellungsbescheids würde bedeuten, daß die in ihm festgestellten Verlustanteile bei den Einkommensteuerveranlagungen der Antragsteller nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden könnten. Mit ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids vom 3. Januar 1975 würden die Antragsteller somit nur die im Bescheid bereits ausgesprochene Folge erreichen können, daß die Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung nicht verrechnet werden dürfen. Unter diesen Umständen müsse ihr Antrag anders ausgelegt werden. Das wirkliche Begehren der Antragsteller sei darauf gerichtet, im Wege der Aussetzung der Vollziehung die einstweilige Zulassung des Verlustabzugs im Einkommensteuerverfahren zu erreichen. Hierzu bedürften sie der positiven Feststellung, daß die Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung abzugsfähig seien, weil die Verfassungsmäßigkeit des § 2 a EStG ernsthaft zu bezweifeln sei. Um die vorläufige Berücksichtigung ihrer Verluste erreichen zu können, bedürfe es eines entsprechenden positiven Ausspruchs, der im Aussetzungsverfahren nicht möglich sei.
Mit der Beschwerde begehren die Antragsteller die Aufhebung der Vorentscheidung sowie die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 3. Januar 1975 hinsichtlich der in ihm enthaltenen Feststellung über die Nicht-Verrechenbarkeit der Verlustanteile. Nach Auffassung der Antragsteller enthält der angefochtene Bescheid eine Feststellung,
1. über die Höhe der auf die Gesellschafter entfallenden Verlustanteile,
2. über die Nicht-Verrechenbarkeit der festgestellten Verlustanteile mit Einkünften aus Gewerbebetrieb oder anderen Einkunftsarlen gemäß § 2 a EStG.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wende sich nicht gegen die festgestellte Höhe der Verlustanteile, sondern lediglich gegen die Feststellung, daß nichtverrechenbare Verluste gemäß § 2 a EStG vorliegen. Diese Feststellung bilde keine untrennbare Einheit mit den der Höhe nach festgestellten Verlustanteilen. Es handle sich vielmehr um eine zusätzliche Feststellung, die auch getrennt angefochten werden könne. Diese qualifizierende Feststellung sei geeignet, für sich Gegenstand eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zu sein. Ziel des Aussetzungsantrags sei es, die insoweit getroffene Feststellung vorläufig nicht zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Dem FG ist zunächst darin beizupflichten, daß die Antragsteller für ihr Verfahrensbegehren antragsbefugt sind.
Der Bescheid, dessen teilweise Aussetzung sie begehren, ist ein einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellungsbescheid nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 AO. Rechtsbehelfe gegen derartige Bescheide können - ebenso wie Anträge auf Aussetzung der Vollziehung solcher Bescheide - nach den Vorschriften der §§ 233 AO und 48 FGO grundsätzlich nur von den dort genannten Personen anhängig gemacht werden. Das sind - von den hier nicht einschlägigen Fällen des § 233 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO sowie des § 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FGO abgesehen - nur die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter. Kommanditisten einer KG haben deshalb im allgemeinen keine Rechtsbehelfs- und Antragsbefugnis. Anders liegt es jedoch in Fällen, in denen sich die Personengesellschaft, deren Gewinn festgestellt werden soll, in Konkurs befindet. In solchen Fällen kann nicht mehr unterstellt werden, daß der früher zur Geschäftsführung bei der werbenden Gesellschaft bestellte Gesellschafter ermächtigt ist, den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter anzufechten. Nach Konkurseröffnung ist vielmehr jeder Gesellschafter ohne Einschränkung berechtigt, einen Rechtsbehelf einzulegen und die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen (vgl. Urteil des BFH vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790).
2. Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß dem Begehren der Antragsteller, den Vollzug des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides vom 3. Januar 1975 hinsichtlich des Vermerks über die Nicht-Verrechenbarkeit der Verlustanteile auszusetzen, nicht stattgegeben werden kann. Der Senat kommt zu diesem Ergebnis allerdings schon aufgrund der Erwägung, daß über dieses Begehren im Rahmen eines die einheitliche Gewinnfeststellung betreffenden Verfahrens nicht entschieden werden konnte und es dem Begehren daher an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlte.
a) Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist das verfahrensrechtliche Verhältnis, das zwischen einem nach § 215 Abs. 2 AO ergangenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung einerseits und den auf ihm beruhenden Einkommensteuerbescheiden andererseits besteht.
Im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid sind Feststellungen über Höhe, Art und Zurechnung des Gewinns (Verlustes) enthalten (vgl. § 216 AO), die den Bescheiden über die Einkommensteuerveranlagungen (Folgebescheiden) mit bindender Wirkung zugrunde gelegt werden (§ 218 Abs. 2 AO). Bei Aussetzung der Vollziehung eines Gewinnfeststellungsbescheids wird diese Bindungswirkung grundsätzlich vorläufig außer Kraft gesetzt (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1971 IV R 242/70, BFHE 103, 546, BStBl II 1972, 218); denn die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheids hat zur Folge, daß auch die Vollziehung eines auf ihm beruhenden Folgebescheids auszusetzen ist (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO).
b) Der in den Bescheid vom 3. Januar 1975 unter Bezugnahme auf § 2 a EStG aufgenommene Vermerk über die Nicht-Verrechenbarkeit der Verlustanteile beinhaltet keine der Feststellungen, die im Gewinnfeststellungsverfahren mit Wirkung für die hieran anschließenden Einkommensteuerveranlagungen zu treffen sind. Die Vorschrift des § 2 a EStG gebietet zwar, daß im Rahmen der Feststellungen über die Art der Einkünfte auch über die Frage entschieden werden muß, ob ein etwa festgestellter Verlust aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung herrührt. Außer dieser zur Charakterisierung der Einkunftsart notwendigen Feststellung ist jedoch im Zusammenhang mit der Anwendung des § 2 a EStG im Feststellungsverfahren keine weitere Entscheidung zu treffen. Die vom Gesetz an das Vorliegen von Verlusten aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung geknüpften Rechtsfolgen, nämlich die Versagung eines Verlustausgleichs oder -abzugs nach § 2 a Satz 1 EStG bzw. die Gewährung des Abzugs nach § 2 a Satz 2 EStG sind ausschließlich von den Veranlagungs-FÄ auszusprechen (so auch Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 23. August 1972 S 1194 - 5/13, 36, 325 I, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 2 a Nr. 3).
Bei dieser Sachlage kann der in dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid enthaltene Vermerk "Die Verluste sind gemäß § 2 a EStG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechenbar" lediglich als ein - an sich nicht gebotener - Hinweis auf die rechtlichen Folgen gesehen werden, die sich bei den Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter aus der Art der Verluste ergeben werden.
c) Wenn aber die Anwendung des § 2 a EStG in den Zuständigkeitsbereich der Veranlagungs-FÄ gehört, dann kann die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob § 2 a EStG verfassungsgemäß ist, nicht im Rahmen des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens geklärt werden; ebenso wenig können "ernstliche Zweifel" an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift den Gegenstand eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung derartiger Gewinnfeststellungsbescheide sein. Die Verfassungsmäßigkeit des § 2 a EStG kann vielmehr nur im Rahmen der an die Gewinn- (Verlust-) feststellung anschließenden Einkommensteuerveranlagungen zur Klärung gebracht werden. Begehrt jemand die Aussetzung der Vollziehung eines Gewinnfeststellungsbescheids mit der Begründung, es bestünden ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 a EStG, so fehlt einem solchen Antrag das Rechtsschutzbedürfnis; der Antrag müßte mangels Zulässigkeit abgelehnt werden.
d) Diesen Erwägungen entsprechend ist auch im Streitfall das Begehren der Antragsteller, die Vollziehung des Bescheides vom 3. Januar 1975 über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Verlustes der KG auszusetzen, als unzulässig anzusehen. Die Antragsteller wenden sich nicht gegen die Höhe des vom FA festgestellten Verlustes. Sie bestreiten auch nicht, daß die Verluste ihrer Art nach aus gewerblicher Tierzucht und gewerblicher Tierhaltung entstanden sind. Ihr einziges Begehren ist darauf gerichtet, die gesetzlichen Folgen, die im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aus der Vorschrift des § 2 a EStG zu ziehen sind, bereits im Gewinnfeststellungsverfahren mit bindender Wirkung für die hieran anschließenden Einkommensteuerverfahren auszuschließen. Dafür aber fehlte es - wie oben dargelegt - an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Der Antrag mußte somit schon aus diesem Grund abgelehnt werden, ohne daß auf die weiteren von den Antragstellern aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen war.
Fundstellen
Haufe-Index 71120 |
BStBl II 1975, 774 |
BFHE 1976, 273 |