Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine schlüssige Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO
Leitsatz (NV)
- War der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Kläger ordnungsgemäß persönlich geladen, so genügt für die Rüge, er sei im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen, nicht die Behauptung, die Ladung zum Termin für die mündliche Verhandlung sei ihm nicht zugestellt worden, bzw., er habe die Ladung nicht erhalten.
- Die Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs bzw. mangelnder Sachaufklärung fallen nicht unter die in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Verfahrensmängel. Sie können nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erhoben werden.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 91 Abs. 1-2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Abs. 1 Nr. 3, § 76 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen eine nach dem 1. Januar 1993 ergangene Beschwerdeentscheidung in Sachen Aussetzung der Vollziehung als unzulässig abgewiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung war der Kläger nicht erschienen. Das FG hat in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung seine ordnungsgemäße Ladung festgestellt. Die bei den FG-Akten befindliche Postzustellungsurkunde weist den Kläger als Empfänger aus und enthält Vermerke sowohl über die Niederlegung der Sendung als auch über die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung durch Einlage in den Hausbriefkasten.
Die Vorentscheidung wurde dem Kläger persönlich am 6. Oktober 1998 durch Niederlegung zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1998 hat der Kläger persönlich und mit am 4. November 1998 per Telefax übermittelten Schriftsatz vom 2. November 1998 der Bevollmächtigte des Klägers Revision eingelegt.
Der Kläger rügt, im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen zu sein (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da ihm die Ladung zum Termin nicht zugestellt worden bzw. nicht zugegangen sei. Darüber hinaus sei ihm rechtliches Gehör nicht gewährt worden. Das FG habe verabsäumt, die am 31. Januar 1991 beschlagnahmten Steuerunterlagen des Klägers beizuziehen. Das FG habe sich nicht allein auf die Schätzungsbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) verlassen dürfen. Das FG habe ohne Sachaufklärung nicht entscheiden dürfen; die angefochtenen Urteile seien in rechtswidriger Weise ergangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und daher durch Beschluß zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO).
Über die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein und dieselbe Entscheidung ist einheitlich zu entscheiden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833, m.w.N.; vom 18. Mai 1988 X R 36/88, BFH/NV 1989, 119).
Die durch den Kläger persönlich am 20. Oktober 1998 eingelegte Revision ist unwirksam, da es insoweit offensichtlich an dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) aufgeführten Berufsgruppen fehlt.
Die Revision vom 2. November 1998 ist ebenfalls unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. Hierauf wurde der Kläger durch die der angefochtenen Entscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen. Vorliegend ist die Revision weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Sie ist auch nicht nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft.
Zwar hat der Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Dieser Mangel ist jedoch nicht schlüssig gerügt, da der Kläger nicht die Tatsachen bezeichnet hat, die den von ihm gerügten Verfahrensmangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dieses Erfordernis gilt auch bei Rügen i.S. des § 116 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384; vom 21. September 1994 VIII R 80-82/93, BFH/NV 1995, 416). Für die Rüge des Klägers, er sei im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen, genügt nicht die Behauptung, die Ladung zum Termin für die mündliche Verhandlung sei ihm nicht zugestellt worden, bzw., er habe die Ladung nicht erhalten.
§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geht davon aus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat. Ein Fall fehlender Vertretung läge somit insbesondere vor, wenn der Kläger bzw. sein Prozeßbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß geladen worden wären (BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH-Beschluß vom 22. Januar 1998 XI S 42/97, BFH/NV 1998, 734, m.w.N.).
Die Ausführungen des Klägers lassen indessen nicht den Schluß zu, das FG habe ihn nicht ordnungsgemäß geladen. Der Kläger war nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Die bei den Akten befindliche Vollmachtsanzeige des Rechtsanwalts vom 27. Februar 1995 betrifft nicht das Aktenzeichen der Vorentscheidung. Aus diesem Grund hat das FG den Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen (§ 91 Abs. 1 FGO).
Nach der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde ist die Ladung dem Kläger gemäß § 53 FGO i.V.m. § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes i.V.m. § 182 der Zivilprozeßordnung (ZPO) durch Niederlegung zugestellt worden. Die Ladung enthielt den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Hinweis, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne.
Die Postzustellungsurkunde erbringt gemäß § 82 FGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, auch den Beweis darüber, daß die Empfänger in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden sind. Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Die bloße Behauptung des Klägers, er habe die Ladung oder die Mitteilung über deren Niederlegung nicht erhalten, kann daher die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung nicht entkräften (BFH-Beschluß in BFH/NV 1998, 734).
Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind. Aufgrund der vorliegenden Postzustellungsurkunde durfte das FG davon ausgehen, daß die Ladung dem Kläger ordnungsgemäß zugestellt worden war. Es hatte keine Veranlassung, vor der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits nachzuforschen, ob der Kläger die Ladung erhalten und rechtzeitig zur Kenntnis genommen hatte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, BFH-Beschluß vom 22. September 1993 II R 55/93, BFH/NV 1994, 486).
Die vom Kläger erhobenen Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 FGO) bzw. mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) fallen nicht unter die in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Verfahrensmängel. Sie können nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erhoben werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 734; vom 19. Juli 1995 X R 41/94, BFH/NV 1996, 54).
Fundstellen
Haufe-Index 422658 |
BFH/NV 2000, 450 |