Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulagenrechtliche Verbleibensvoraussetzungen und kapitalistische Betriebsaufspaltung oder typisch stille Beteiligung
Leitsatz (NV)
1. Die für die Annahme einer sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung ist nach ständiger Rspr. des BFH nur gegeben, wenn die Besitz- Kapitalgesellschaft entweder selbst oder wenigstens mittelbar -- über eine andere Kapitalgesellschaft -- zu mehr als 50 % an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Es genügt nicht, daß an beiden Kapitalgesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind.
2. Die Billigkeitsregelung im BMF-Schreiben vom 20. September 1993 (BStBl I 1993, 803), wonach für eine Übergangszeit Ausnahmen von den zulagenrechtlichen Verbleibregelungen in Betriebsaufspaltungsfällen auch bei lediglich tatsächlicher Beherrschung zugelassen sein sollten, konnte schwerlich auch Fälle der kapitalistischen Betriebsaufspaltung erfassen.
3. Eine typisch stille Beteiligung kann nicht einer, eine Mitgliedschaft vermittelnden Beteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden.
Normenkette
InvZulG 1986 § 1 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1-2; EStG § 4 Abs. 1, § 5; HGB § 230 ff.; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob beim Vorliegen einer sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung eine Ausnahme von den Verbleibregelungen in den Investitionszulagengesetzen zu machen sei, bedarf -- ungeachtet ihrer möglicherweise unzureichenden Darlegung - keiner Klärung mehr. Sie läßt sich unschwer anhand der bisherigen Rechtsprechung -- im Sinne der die Annahme einer solchen Ausnahme ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts (FG) -- beantworten, so daß es an der Zulassungsvoraussetzung der Klärungsbedürftigkeit fehlt (s. dazu z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 9, m. w. Hinweisen).
1. Zunächst übersieht die Klägerin, daß der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 26. März 1993 III S 42/92 (BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723) lediglich offengelassen hat, ob eine sog. umgekehrte -- kapitalistische -- Betriebsaufspaltung (Beherrschung der Besitzgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft) allein aufgrund faktischer Beherrschung überhaupt möglich ist. Er hat -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- nicht auch noch (zusätzlich) offengelassen, ob bei Annahme einer derartigen Betriebsaufspaltung auch Ausnahmen von den zulagenrechtlichen Verbleibregelungen möglich sind, obwohl eine betriebsvermögensmäßige Verflechtung nicht vorliegt. Der Senat hat im Gegenteil diese Verflechtung im Beschlußfall verlangt. Ihr Fehlen war die Ursache dafür, daß die (erste) Frage, ob eine -- kapitalistische -- umgekehrte Betriebsaufspaltung auch aufgrund lediglich tatsächlicher Beherrschung angenommen werden kann, offenblieb; auf ihre Beantwortung kam es nicht mehr an (s. Abschn. II. 2. c cc (1) (1.2) der Entscheidungsgründe in BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723).
2. Sodann ist die für die Annahme einer sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur gegeben, wenn die Besitz- Kapitalgesellschaft entweder selbst oder wenigstens mittelbar -- über eine andere Kapitalgesellschaft -- zu mehr als 50 % an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Es genügt nicht, daß an den beiden Kapitalgesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn der "Besitz"-Kapitalgesellschaft -- hier der Klägerin -- können weder die von den Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft (GmbH II) noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundenen Beherrschungsfunktionen zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der "Besitz"-Kapitalgesellschaft stehenden Personen (s. hierzu für das Investitionszulagenrecht bereits das Senatsurteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, unter Hinweis insbesondere auf das BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ist der erkennende Senat -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- auch in seinem Beschluß in BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723 ausgegangen. Er hat an ihnen im Urteil vom 16. September 1994 III R 45/92 (BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75) festgehalten. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG- Beschluß vom 20. Januar 1995 1 BvR 2418/94). In seinem Urteil vom 22. Februar 1996 III R 91/93 (BFHE 180, 293, BStBl II 1996, 428) hat der Senat -- unter Hinweis auf diese Rechtsprechung (zu den Schwester-Kapitalgesellschaften) -- eine Ausnahme von den zulagenrechtlichen Verbleibvoraussetzungen auch bei -- betriebsvermögensmäßig nicht miteinander verbundenen -- Schwester- Personengesellschaften abgelehnt.
3. Eine Revisionszulassung ist auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20. September 1993 (BStBl I 1993, 803) geboten.
Über die Tragweite dieses Schreibens könnte -- worauf das FG zu Recht hingewiesen hat -- im Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide nicht entschieden werden. Das Schreiben enthält eine Billigkeitsregelung, über deren Einschlägigkeit in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden wäre (s. hierzu z.B. das BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, Absch. II. 4 der Entscheidungsgründe). Damit würde es für das vorliegende Verfahren insoweit bereits an der Klärungsfähigkeit fehlen (zu dieser Zulassungsvoraussetzung s. Ruban in Gräber, a.a.O., §115 Anm. 10, m. w. Hinweisen).
Ungeachtet dessen hat der Senat auch Bedenken, ob sich aus dem BMF-Schreiben in BStBl I 1993, 803 weiterer Klärungsbedarf ergäbe. Wenn das BMF dort für eine Übergangszeit Ausnahmen von den zulagenrechtlichen Verbleibregelungen in Betriebsaufspaltungsfällen auch bei lediglich tatsächlicher Beherrschung zulassen wollte, so konnte es damit nach Auffassung des Senats schwerlich auch Fälle der kapitalistischen Betriebsaufspaltung meinen. Denn insoweit vertrat die Finanzverwaltung auch schon vorher die Auffassung, daß -- bereits -- die personellen Voraussetzungen einer (kapitalistischen) Betriebsaufspaltung nur vorlägen, wenn die (Besitz-)Kapitalgesellschaft selbst unmittelbar als Gesellschafter oder mittelbar über eine andere Kapitalgesellschaft an dem Betriebsunternehmen in der Weise beteiligt ist, daß sie aufgrund des gegebenen Beherrschungsverhältnisses selbst in der Lage ist, einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen (s. insbesondere das BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1985, BStBl I 1985, 683, Abschn. III. 4.).
4. Eine Zulassung der Revision ist schließlich auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin an der GmbH II typisch still beteiligt war. Bei einer derartigen Beteiligung handelt es sich nicht um die von der Rechtsprechung geforderte Anteilsbeteiligung mit entsprechendem Stimmrecht und der darauf beruhenden Einflußmöglichkeit auf die Geschicke des beherrschten Unternehmens.
Dies läßt sich unschwer aus der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen und aus §§230 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) ableiten.
Schon im Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) wurde als entscheidend angesehen, ob "die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben; die das Besitzunternehmen beherrschenden Personen müßten in der Lage sein, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. Ob dies der Fall ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Gesellschaftsrecht. Ist das Betriebsunternehmen -- wie hier -- eine GmbH, so bedarf es der Mehrheit der das Stimmrecht bestimmenden Anteile (s. hierzu aus jüngerer Zeit das BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 XI R 23/96, BFHE 182, 216, BStBl II 1997, 437).
Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedoch offensichtlich nicht erfüllt. Die Klägerin besitzt keine Anteile an der GmbH II, die ihr einen derartigen Stimmrechtseinfluß vermittelten. Insbesondere kommt die stille Beteiligung dafür nicht in Betracht. Einem typisch still Beteiligten -- wie hier der Klägerin -- stehen nach §233 HGB lediglich eng begrenzte Kontrollrechte zu. Das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung hat nach dem Gesetz allein der Inhaber des Handelsgeschäfts, hier die GmbH II (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, Abschn. II. 1. a; s. auch Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., §230 Rdnr. 14). Die typisch stille Beteiligung kann danach nicht einer, eine Mitgliedschaft vermittelnden Beteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden (vgl. hierzu auch Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, Gruppe 5.3/S. 70 d und 71; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, 3. Aufl., S. 94, m. w. Hinweisen).
Auch ist zu bedenken, daß es sich bei der Beurteilung der Nutzungsüberlassung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit betriebsvermögensmäßiger Verflechtung als zulagenunschädlich ohnedies schon um eine Ausnahme von den strengen gesetzlichen Verbleibregelungen handelt. Würde der Senat nun noch weitere Ausnahmen, etwa für Fälle wie den vorliegenden, zulassen, gäbe es kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium gegenüber zulagenunschädlichen Nutzungsüberlassungen mehr (vgl. hierzu schon das Senatsurteil in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, Nr. 3 d der Entscheidungsgründe).
5. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 67623 |
BFH/NV 1998, 1258 |