Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründetheit der Steuerforderung i.S. des § 3 Abs. 1 KO; grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
1. Eine Steuerforderung ist i.S. des § 3 Abs. 1 KO begründet, wenn der den Steueranspruch begründende Tatbestand zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vollständig verwirklicht, also abgeschlossen ist.
2. Die Tatsachen- und Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen von Verfahrensrügen entzogen.
3. Die Rüge, die Würdigung des Einzelfalls sei unzutreffend, ist nicht geeignet, eine Divergenz oder die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts darzulegen.
Normenkette
FGO §§ 76, 96, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; KO § 3 Abs. 1; UStG § 3 Abs. 1, § 17
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 05.12.2006; Aktenzeichen 15 K 1998/01 U) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.
a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.). Eine grundsätzliche Bedeutung liegt auch nicht bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalls vor (BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121).
b) Die für die Entscheidung des Streitfalls entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob der Umsatzsteueranspruch bei Konkurseröffnung begründet war, lässt sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung und aus dem Gesetz beantworten. Es ist bereits geklärt, dass eine Steuerforderung i.S. des § 3 Abs. 1 der Konkursordnung begründet ist, wenn der den Steueranspruch begründende Tatbestand zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vollständig verwirklicht, also abgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, m.w.N.). Bei einer Umsatzsteuerforderung aus einer Lieferung ist dies der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Soll die Verfügungsmacht über ein Grundstück vereinbarungsgemäß mit der vollständigen Kaufpreiszahlung übergehen, ist dieser Zeitpunkt maßgebend. Soll --wie im Streitfall-- der Kaufpreis auf ein Bankkonto überwiesen werden, tritt die Zahlung in dem Zeitpunkt ein, in dem der Empfänger endgültig über den überwiesenen Betrag verfügen kann (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 28. Oktober 1998 VIII ZR 157/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 210). Das ist der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto (BGH-Urteil in NJW 1998, 210, m.w.N.). Der Zeitpunkt der Wertstellung ist nicht maßgebend, weil damit lediglich der Tag bezeichnet wird, mit dem die Verzinsung für einen veränderten Saldo beginnt (vgl. Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 16. Juni 2004 3 U 38/04, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 1346).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht zu Unrecht geltend, das Finanzgericht (FG) habe nicht gewürdigt, dass er mit Schriftsätzen vom 7. Juni 2005 und 19. September 2006 vorgetragen habe, die Wertstellung der Kaufpreiszahlung bei der Y-Bank sei am 1. Mai 1997 entsprechend der dortigen Wertstellungspraxis um 0.00 Uhr erfolgt. Die damit gerügten Verfahrensmängel der Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 FGO) und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor. Denn das FG hat den Vortrag des Klägers zur Wertstellung der Kaufpreiszahlung im Tatbestand (auf S. 7) wiedergegeben und sich damit in den Urteilsgründen (auf S. 14) auseinandergesetzt. Es hat aber die Auffassung vertreten, dass die Wertstellung auf den 1. Mai 1997 steuerrechtlich als rückwirkende Sachverhaltsgestaltung unbeachtlich sei. Die Kaufpreiszahlung sei am 5. Mai 1997 als "Tag der Gutschrift" erfolgt. Sie könne keine steuerliche Rückwirkung auf den 1. Mai 1997 entfalten. Mit seinen hiergegen gerichteten Angriffen rügt der Kläger materiell-rechtliche Fehler. Die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Urteils begründet jedoch keinen Verfahrensfehler (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969).
Soweit der Kläger außerdem geltend macht, das FG hätte im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die Wertstellungspraxis der X prüfen müssen (Verstoß gegen § 76 FGO), übersieht er, dass das angegriffene Urteil nicht auf diesem (angeblichen) Verfahrensverstoß beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Denn aus der Sicht des FG kam es auf den genauen Zeitpunkt der Wertstellung am 1. Mai 1997 nicht an. Bei der Frage nach der Erheblichkeit eines Verfahrensmangels ist auf die materiell-rechtliche Auffassung des FG abzustellen (BFH-Beschlüsse vom 16. Oktober 2006 I B 46/06, BFH/NV 2007, 254; vom 30. November 2006 VIII B 104/06, BFH/NV 2007, 486, m.w.N.).
b) Die vom Kläger zum Streitkomplex "Berichtigung nach § 17 UStG" erhobenen Verfahrensrügen (Verstöße gegen §§ 76, 96 FGO) genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Kläger trägt hierzu im Wesentlichen vor, das FG hätte bei seiner Entscheidung nicht davon ausgehen dürfen, dass er nichts zu seiner Reaktion auf das Schreiben der H-GmbH vorgetragen habe. Denn er habe im Schriftsatz vom 19. September 2006 mitgeteilt, dass weiterer Schriftverkehr den Akten nicht zu entnehmen sei. Diesen Vortrag hätte das FG bei Beachtung der Denkgesetze dahin verstehen müssen, dass ein Vorbehalt nach § 16 des Teils B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) nicht ausgesprochen und das vereinbarte Entgelt somit teilweise uneinbringlich i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG geworden sei.
Mit diesem Vorbringen setzt der Kläger seine eigene Tatsachen- und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des FG und rügt deren Fehlerhaftigkeit. Dies genügt jedoch nicht zur Darlegung eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Denn die Tatsachen- und Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen von Verfahrensrügen entzogen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82, m.w.N.).
c) Das FG hat auch nicht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt, denn es hat sich mit dem entscheidungserheblichen Kern seines Vorbringens auseinandergesetzt.
3. Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, weil das FG von dem BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80 (BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389) abgewichen sei.
Der BFH hat in dem genannten Beschluss ausgeführt, dass die von § 17 Abs. 2 UStG erfassten Fälle der Uneinbringlichkeit gekennzeichnet seien durch eine bestehende, aber nicht realisierbare Forderung. Hauptanwendungsfall des § 17 Abs. 2 UStG sei die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Wirtschaftlich gleich stehe das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, weil sie einredebehaftet sei und den Schuldner zur Zahlungsverweigerung berechtige. Beiden Fallgruppen der Uneinbringlichkeit sei gemeinsam, dass dem Gläubiger die zum Forderungseinzug führende Einwirkungsmöglichkeit genommen sei.
Das FG hat in dem angegriffenen Urteil (S. 15 ff.) keinen abweichenden abstrakten Rechtsmaßstab aufgestellt, sondern dieselben Grundsätze auf den Streitfall angewendet. Es konnte jedoch nach Würdigung der gesamten Umstände nicht feststellen, dass die Forderungen der T-GmbH uneinbringlich im vorgenannten Sinne geworden waren und damit die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG für eine Umsatzsteuerberichtigung im Streitfall vorlagen. Die Rüge des Klägers, dass diese Einzelfallwürdigung unzutreffend sei, ist nicht geeignet, eine Divergenz oder die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137, m.w.N.; vom 4. Juli 2006 X B 184/05, nicht veröffentlicht).
Fundstellen