Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzung lückenhaften FG-Urteilstenors; mangels Schlüssigkeit unzulässige zulassungsfreie Revision
Leitsatz (NV)
1. Die Ergänzung eines lückenhaften FG-Urteilstenors kann nicht mit der Revision, sondern nur mit Anträgen nach § 109 FGO oder § 107 FGO erreicht werden (Anschluß an BFH-Beschluß vom 29. 4. 1987 VIII R 201/83, BFH/NV 1987, 667).
2. Die auf § 115 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützte Revision, daß die Vorentscheidung hinsichtlich eines Antrags nach § 68 FGO nicht mit Gründen versehen sei, ist mangels Schlüssigkeit unzulässig, wenn das FG diesen Antrag zwar knapp, aber hinreichend deutlich beschieden hat. So liegt es bei der Aussage im FG-Urteil, daß ein Änderungsbescheid, gegen den bereits Klage erhoben ist, nicht mehr zum Gegenstand eines gegen den Erstbescheid anhängigen Klageverfahrens gemacht werden könne.
3. Die Verletzung rechtlichen Gehörs gehört nicht zu den in § 116 FGO aufgeführten Verfahrensmängeln (ständige Rechtsprechung).
Normenkette
FGO §§ 68, 107, 109, 115 Abs. 1 Nr. 5, § 116; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben gegen die Einkommensteuerbescheide für 1977 bis 1982 in der Fassung der Einspruchsentscheidung Klageverfahren beim Finanzgericht (FG) angestrengt, die dort noch anhängig und zur Zeit ausgesetzt sind. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) während dieser finanzgerichtlichen Verfahren Änderungsbescheide für die Streitjahre erlassen hatte, erhoben die Kläger auch hiergegen nach erfolglosem Einspruch am 15. Oktober 1989 Klage. Im Laufe dieses Klageverfahrens stellten die Kläger am 13. Februar 1991 den Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dahingehend, daß die Änderungsbescheide zum Gegenstand der wegen der ursprünglichen Bescheide anhängigen Verfahren gemacht bzw. mit diesen nach Trennung hinsichtlich der einzelnen Streitjahre verbunden werden sollten. Während der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 1991, an der die Kläger nicht teilnahmen, erließ das FG den Beschluß, daß der Antrag auf Trennung bzw. Verbindung abgelehnt werde. In dem anschließend gefällten Urteil hat das FG die Klage im wesentlichen als unbegründet abgewiesen. Das FG ging in seinem Urteil davon aus, daß der Antrag nach § 68 FGO ohne Wirkung sei, weil die Änderungsbescheide bereits den Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens bildeten.
Mit der vom FG nicht zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 119 Nr. 6 FGO und des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Es fehlten Entscheidungsgründe i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO zum Antrag nach § 68 FGO, der lediglich im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils wiedergegeben sei.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Das FG habe mit ausreichender Begründung dargelegt, warum es dem Antrag der Kläger nach § 68 FGO nicht entsprochen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das FG hat im Streitfall die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat der Senat mit Beschluß vom selben Tage VIII B 54/91 als unbegründet zurückgewiesen.
Im vorliegenden Revisionsverfahren bedarf keiner Prüfung, ob mit der Revision auch geltend gemacht wird, daß das FG den Antrag nach § 68 FGO versehentlich nicht beschieden habe. Denn die Ergänzung eines lückenhaften Urteilstenors kann nicht mit der Revision, sondern nur mit dem fristgebundenen Antrag nach § 109 FGO oder - wenn es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt - mit dem Antrag nach § 107 FGO erreicht werden (Senatsbeschluß vom 29. April 1987 VIII R 201/83, BFH/NV 1987, 667 m. w. N.).
Die auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützte Revision ist nicht schlüssig. Nach dieser Vorschrift ist die Revision ohne Zulassung statthaft, wenn als wesentlicher Verfahrensmangel gerügt wird, daß die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Dieser Verfahrensmangel ist gegeben, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihren Inhalt und ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. So liegt der Fall insbesondere, wenn jegliche Begründung fehlt oder wenn nicht erkennbar ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417; ständige Rechtsprechung).
Das wird hier zu Unrecht lediglich behauptet. Die Kläger gehen selbst davon aus, daß ihr Antrag nach § 68 FGO im Tatbestand des FG-Urteils zutreffend wiedergegeben ist. Ihre Rüge, daß der Antrag vom FG nicht beschieden worden sei, wird durch dessen Aussage widerlegt, wonach dieser Antrag nach Klageerhebung gegen die Änderungsbescheide wirkungslos sei. Diese Begründung zur Ablehnung des Antrags nach § 68 FGO ist zwar knapp, sie läßt jedoch den Standpunkt des FG hinreichend deutlich erkennen. Seine Ansicht, daß ein Änderungsbescheid, gegen den bereits Klage erhoben ist, nicht mehr gemäß § 68 FGO zum Gegenstand eines Klageverfahrens gegen den Erstbescheid gemacht werden könne, ist auch nicht mißverständlich, sondern erscheint jedenfalls vertretbar (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. November 1987 IX K 68/84, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 188, rechtskräftig; Schwarz / Dumke, Finanzgerichtsordnung, § 68 Tz. 40 und Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 7463); ob der erkennende Senat dem folgen könnte, ist hier nicht zu entscheiden.
Die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gehört nicht zu den in § 116 FGO aufgeführten Verfahrensmängeln (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. September 1988 III R 68/88, BFH/NV 1989, 377 und vom 17. Januar 1990 IX R 6/89, BFH/NV 1990, 664).
Fundstellen