Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur steuerrechtlichen Behandlung auf die Lebenszeit wiederkehrender Leistungen an einen Miterben
Leitsatz (NV)
1. Als dauernde Last abziehbare Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) können ihren Entstehungsgrund auch in einer letztwilligen Verfügung haben (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).
2. Die Unterscheidung zwischen der Ver rentung eines im Erbrecht begründeten Anspruchs einerseits und der letztwillig angeordneten privaten Versorgungsrente andererseits hebt darauf ab, daß es einem Erblasser freisteht, Abkömmlinge nicht gleichmäßig entsprechend ihrer gesetzlichen Erbquote zu bedenken, sondern anzuordnen, daß z. B. ein Kind Alleinerbe wird und seine Geschwister zu versorgen hat. Letzteres wird indes nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein. Es gibt eine allgemeine Vermutung des Inhalts, daß Geschwister gleichgestellt werden sollen und wollen.
3. Werden Pflichtteils- oder Vermächtnisschulden auf die Lebenszeit einer Person gezahlt, ist es im Hinblick auf die in der "Verrentung" liegende zeitliche Streckung der Auszahlung eines der Höhe nach feststehenden Anspruchs lediglich erforderlich, dem rechtlichen Gesichtspunkt des Entgelts für die Kapitalüberlassung (= Zinsen) Rechnung zu tragen.
4. Wird ein solcher Anspruch verrentet, ist es für die Besteuerung unerheblich, ob er im Interesse des Verpflichteten kreditiert wird oder ob diese Zahlungsmodalität dem Versorgungsinteresse des Berechtigten dient.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1984 und 1985 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Mit Erbvertrag vom 25. Mai 1968 hatten die Eltern des Klägers diesem ein Einfamilienhaus mit der Auflage zugewiesen, seiner Schwester "wertmäßig die Hälfte ,zum Zeitpunkt der Auflösung ihrer Ehe' herauszuzahlen". Nach Eintritt des Erbfalls wurde das Haus mit Vertrag vom 19. März 1979 auf den Kläger übertragen, der sich zugleich "im Wege der Novation" verpflichtete, seiner Schwester auf deren Lebenszeit wertgesichert monatlich 1 149 DM zu zahlen. Im Falle ihres vorzeitigen Ablebens sollten die Leistungen für die Dauer ihrer normalen Lebenserwartung an ihre Abkömmlinge gezahlt werden. Die Kläger beantragten, diese monatlichen Zahlungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Abzug als Sonderausgaben (dauernde Last) zuzulassen. Dies lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) ab.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Der Sonderausgabenabzug scheitere an der gebotenen Verrechnung des Wertes von Leistung und Gegenleistung. Der Ausnahmefall, daß im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung in vorweggenommener Erbfolge Altenteils- oder andere Versorgungsleistungen vereinbart worden sind, liege im Streitfall nicht vor. Der Kläger habe als Gegenleistung für die Zahlungen "den Verzicht seiner Schwester auf den ihr testamentarisch zugedachten halben Hauswert erhalten". Daß hier eine Abfindung vereinbart worden sei, werde dadurch verdeutlicht, daß die Dauer der wiederkehrenden Leistungen nicht von der tatsächlichen Lebensdauer der Schwester, sondern von deren (durchschnittlicher) Lebenserwartung abhänge. Die Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung sei ein Indiz dafür, daß die Vertragspartner einen "gleichwertigen Leistungsaustausch" beabsichtigt hätten; deswegen führten die Zahlungen des Klägers nicht zu einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit, sondern nur zu einer Vermögensumschichtung.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger einen Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze sowie eine Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 1992 X R 139/88 (BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die gerügte Divergenz besteht nicht. Der Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 ausgeführt: Als Sonderausgaben abziehbare Versorgungsleistungen können ihren Entstehungsgrund auch in einer letztwilligen Verfügung haben. Dies trifft z. B. dann zu, wenn ein überlebender Ehegatte oder ein neben dem Übernehmer des (gesamten) Vermögens erbberechtigter Abkömmling des Erblassers statt seines gesetzlichen Erbteils lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält. Berechtigter in diesem Sinne ist insbesondere der überlebende Ehegatte, sind aber auch neben dem Übernehmer (Erben) des (gesamten) Vermögens erbberechtigte Geschwister, "die -- vor allem aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens -- lediglich Versorgungsleistungen erhalten, statt des -- ggf. verrenteten -- Erbanteils ... ":
Diese Unterscheidung zwischen der Verrentung eines im Erbrecht begründeten Anspruchs einerseits und der letztwillig angeordneten privaten Versorgungsrente hebt darauf ab, daß es einem Erblasser freisteht, Abkömmlinge nicht gleichmäßig entsprechend ihrer gesetzlichen Erbquote zu bedenken, sondern anzuordnen, daß z. B. ein Kind Alleinerbe wird und seine Geschwister zu versorgen hat. Dies wird indes nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein.
Auch wenn man unterstellt, daß Rechtsgrund für die vom Kläger gezahlten wiederkehrenden Leistungen die letztwillige Verfügung des Vaters war, sind nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte für eine als dauernde Last abziehbare private Versorgungsrente ersichtlich. Die allgemeine Vermutung, daß Geschwister gleichgestellt werden sollen und wollen, wird durch die verfahrensfehlerfreie Feststellung des FG erhärtet, daß die Schwester einen bestimmten Wert ("den halben Hauswert") erhalten sollte.
Hiernach betraf der Vertrag vom 19. März 1979 die Auseinandersetzung zwischen Miterben über das Nachlaßvermögen, die zu den im Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, 344 ff., BStBl II 1990, 837) dargelegten Steuerrechtsfolgen führt. Werden Pflichtteils- oder Vermächtnisschulden auf die Lebenszeit einer Person gezahlt, bewirkt dies keine grundlegende Änderung der Rechtslage. Vielmehr ist im Hinblick auf die in der "Verrentung" liegende zeitliche Streckung der Auszahlung eines der Höhe nach feststehenden Anspruchs lediglich erforderlich, dem rechtlichen Gesichtspunkt des Entgelts für die Kapitalüberlassung (= Zinsen) Rechnung zu tragen. Wird ein solcher Anspruch verrentet, ist es für die Besteuerung unerheblich, ob er im Interesse des Verpflichteten kreditiert wird oder ob diese Zahlungsmodalität dem Versorgungsinteresse des Berechtigten dient.
Das FG hat keinen seine Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt, der von der Entscheidung in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 abwiche. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß die Schwester "in Höhe des halben Hauswertes abgefunden" werden sollte. Dies und die hieraus gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen sind nicht zu beanstanden. Die zeitlich gestreckte Tilgung der Ausgleichsforderung/-schuld ist -- in einem weiteren Sinne -- eine Vermögensumschichtung, die steuerrechtlich nicht zu einer dauernden Last führen kann. Dabei wäre entgegen der Auffassung der Kläger unerheblich, ob bereits der Erblasser die zeitlich gestreckte Tilgung der Ausgleichsforderung angeordnet hat oder ob erst später zwischen dem Kläger und seiner Schwester die Verrentung des Kapitalanspruchs vereinbart wurde.
Auf die Frage nach der rechtlichen Behandlung eines in den einzelnen Zahlungen enthaltenen Zinsanteils ist das FG nicht eingegangen. Dieser Zinsanteil ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch dann seiner materiellen Rechtsnatur entsprechend zu behandeln, wenn er als Ertragsanteil in einer -- definitionsgemäß gleichbleibenden -- Leibrente enthalten ist (Senatsurteil vom 25. November 1992 X R 91/89, BFHE 170, 82). Der Zinsanteil (Ertragsanteil) kann -- im Falle des Erwerbs von ertragbringendem Vermögen -- zum Abzug als Werbungskosten führen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Indes haben die Kläger die hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen, deren Erheblichkeit für die Entscheidung und eine diesbezügliche etwaige Abweichung von der Rechtsprechung des BFH in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde hat nicht den Zweck, angefochtene Entscheidungen gegenständlich unbeschränkt auf ihre materiellrechtliche Richtigkeit hin zu überprüfen.
Die Rüge, das FG sei von dem BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89 (BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392) abgewichen, ist gleichfalls unbegründet.
2. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist kein Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Im übrigen besteht die behauptete Widersprüchlichkeit nicht, da die beanstandeten Begründungselemente des angefochtenen Urteils bereits nach ihrem Wortlaut ("Im übrigen wären ... ") im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegründung stehen.
Fundstellen
Haufe-Index 419933 |
BFH/NV 1995, 18 |