Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Klageverfahrens zum Zwecke des "Überdenkens" von Prüfungsbewertungen
Leitsatz (NV)
1. Eine Aussetzung des Klageverfahrens wegen nicht bestandener Steuerberaterprüfung zum Zwecke der Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens kommt nur in Betracht, wenn der Kläger (Prüfling) substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung bestimmter Prüfungsleistungen erhebt. Das gilt auch dann, wenn sich die Einwendungen gegen die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen richten.
2. Das Protokoll über die mündliche Steuerberaterprüfung muß nicht die Prüfungsfragen und -antworten enthalten.
Normenkette
StBerG; DVStB § 30; FGO § 74
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) hat die Steuerberaterprüfung nicht bestanden. Mit der beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klage begehrt er, die Prüfungsentscheidung aufzuheben, damit die Prüfungsbehörde eine für ihn positive Entscheidung -- ggf. die erneute Zulassung zur mündlichen Prüfung -- treffen könne. Hinsichtlich der mündlichen Prüfung rügt der Kläger insbesondere die mangelhafte Protokollierung, die es ihm unmöglich mache, die fehlerhafte Beurteilung im einzelnen darzulegen. Die Beurteilung sei nicht begründet worden, obwohl er nach der Prüfung nochmals um ein Überdenken der Prüfungsentscheidung gebeten habe. Die Bewertung insbesondere des mündlichen Vortrags sei ihm unverständlich. Er habe seine dreiseitigen Skizzen, die er während der Vorbereitungszeit gefertigt habe, nach dem Vortrag der Prüfungsaufsicht ausgehändigt. Da sich diese Skizzen jedoch nicht bei den Prüfungsakten befänden, sei es ihm auch unmöglich gemacht worden, hieraus substantiierte Einwände gegen die Bewertung seines Vortrags vorzubringen.
Das FG setzte auf Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung das Klageverfahren bis zum Abschluß des außergerichtlichen Kontrollverfahrens hinsichtlich der mündlichen Prüfung des Klägers aus.
Mit der Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß des FG machte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzministerium) geltend, im Streitfall könne kein verwaltungs internes Kontrollverfahren hinsichtlich der mündlichen Prüfung durchgeführt werden, da der Kläger keine substantiierten Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen vorgebracht habe. Er habe lediglich pauschal gerügt, daß der mündliche Vortrag zu schlecht bewertet worden sei. Soweit der Kläger vortrage, die knappe Niederschrift über die mündliche Prüfung lasse gezielte Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen nicht zu, handele es sich um einen Einwand, der das Prüfungsverfahren selbst und die Form seiner Protokollierung, nicht aber prüfungsspezifische Bewertungen betreffe. Über derartige Einwendungen hätten die Gerichte uneingeschränkt zu befinden, so daß insofern eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht komme. Dasselbe gelte hinsichtlich der sonstigen formalen Einwände des Klägers (Nichtvorliegen der handschriftlichen Aufzeichnungen über den Vortrag, Bildung der Gesamtnote, Begründungspflicht der Prüfungsentscheidung, fehlende Protokollierung des im Anschluß an die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses gestellten Antrags auf nochmaliges Überdenken der Prüfungsentscheidung).
Im übrigen sei dem Kläger durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses die Bewertung seiner Prüfungsleistungen -- wenn auch nur knapp -- erläutert worden. Der Prüfungsausschuß sei bereits unmittelbar nach dem Abschluß der mündlichen Prüfung auf die Anregung des Klägers, das Prüfungsergebnis nochmals zu überdenken, erneut zusammengetreten; er sei jedoch zu keiner anderen Bewertung der Prüfungsleistung gelangt. Der Beschluß des FG sei bereits deswegen aufzuheben, weil er etwas tatsächlich Unmögliches verlange. Nach mehr als 1 1/2 Jahren eine mündliche Prüfungsleistung neu zu bewerten, sei praktisch nicht möglich, da nach aller Lebenserfahrung den Prüfern weder die damalige Prüfungssituation noch der betreffende Kandidat erinnerlich sei. Das verwaltungsinterne Kontrollverfahren würde deshalb zu einem bloßen Formalakt verkommen.
Das Finanzministerium beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er meint, die Aussetzung des Verfahrens zur Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens sei gerechtfertigt. Er habe substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung seines mündlichen Vortrags durch sämtliche Prüfer mit der Note 5 vorgebracht. Weitergehende Hinweise und Einwände seien ihm nicht möglich, weil ihm keine Begründung für die Bewertung seiner Prüfungsleistungen gegeben worden und eine solche auch aus den Prüfungsakten nicht ersichtlich sei. Die Tatsache, daß seine handschriftlichen Aufzeichnungen über den Prüfungsvortrag von der Prüfungsbehörde vernichtet worden seien, müsse zumindest zu einer Erleichterung der Anforderungen an seine Substantiierungspflicht führen. Sollte die Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens mangels ausreichender Substantiierung seiner Einwendungen nicht mehr möglich sein, müsse dies zu Lasten der Prüfungsbehörde gehen, mit der Folge, daß die Prüfung als bestanden gelte oder er zumindest die Chance erhalte, die mündliche Prüfung zu wiederholen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Durchführung eines vorgreiflichen Verwaltungsverfahrens nicht vor.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- (Beschluß vom 17. April 1991 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, 34), des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- (Urteil vom 24. Februar 1993 6 C 35.92, BVerwGE 92, 132) und des beschließenden Senats (Beschluß vom 10. August 1993 VII B 68/93, BFHE 172, 273, BStBl II 1994, 50) folgt aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bei berufsbezogenen Prüfungen ein Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit durch eine entsprechende Gestaltung des Prüfungsverfahrens; danach muß er das Recht haben, substantiierte Einwände gegen die Bewertungen seiner Prüfungsleistungen bei der Prüfungsbehörde rechtzeitig und wirkungsvoll vorzubringen und derart ein "Überdenken" dieser Bewertungen unter maßgeblicher Beteiligung der ursprünglichen Prüfer zu erreichen. Der Anspruch des Prüflings gegenüber der Prüfungsbehörde auf "Überdenken" der Prüfungsentscheidung stellt einen unerläßlichen Ausgleich für die Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich Prüfungsentscheidungen durch die Gerichte dar, die sich daraus ergibt, daß der Bewertungsvorgang von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt ist und den beteiligten Prüfern ein Entscheidungsspielraum verbleibt.
Ist -- wie im Streitfall -- ein Widerspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren gegen Prüfungsentscheidungen deshalb nicht gegeben, weil der Prüfungsbescheid von der obersten Landesbehörde erlassen wird (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -- VwGO --; § 349 Abs. 3 Nr. 1 der Abgabenordnung -- AO --), so schließt diese Rechtslage nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Recht des Prüflings nicht aus, das Prüfungsamt auf vermeintliche Irrtümer und Rechts fehler bei der Bewertung seiner Prüfungsleistungen rechtzeitig und wirkungsvoll hinzuweisen, um damit ein Überdenken der bereits getroffenen Prüfungsentscheidung zu erreichen. Das gilt auch dann, wenn bereits Anfechtungsklage gegen die Prüfungsentscheidung erhoben worden ist.
Solange die gesetzliche Regelung eines eigenständigen verwaltungsinternen Kontrollverfahrens fehlt, sind die Verwaltungsgerichte und die FG verpflichtet, den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG dadurch Rechnung zu tragen, daß sie bei substantiierten Einwendungen des Prüflings gegen Bewertungen seiner Prüfungsleistungen auf seinen Antrag das gerichtliche Verfahren unverzüglich gemäß § 94 VwGO, § 74 FGO aussetzen, damit zunächst die Prüfungsbehörde die Prüfungsentscheidung in eigener Zuständigkeit und Sachverantwortung unter Einschaltung der betroffenen Prüfer "überdenken" kann; auf diese Möglichkeit eines Antrags auf Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens ist der Prüfling gemäß § 86 Abs. 3 VwGO, § 76 Abs. 2 FGO hinzuweisen (Senat in BFHE 172, 273, BStBl II 1994, 50, 51).
2. Im Streitfall hat zwar der Kläger beim FG beantragt, das Klageverfahren nach § 74 FGO zum Zwecke der verwaltungsinternen Überprüfung der Prüfungsentscheidung (auch) hinsichtlich des Ergebnisses seiner mündlichen Prüfung auszusetzen. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Verfahrensaussetzung und Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens liegen aber nicht vor, weil der Kläger keine substantiierten Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen -- insbesondere seines in der mündlichen Prüfung gehaltenen Vortrags -- erhoben hat. Für ein "Überdenken" der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsspezifischen Wertungen durch die Prüfer besteht somit kein Anlaß.
Der Kläger hat im Klageverfahren nicht auf konkrete Irrtümer und Rechtsfehler bei der Bewertung seiner Prüfungsleistungen hingewiesen. Er hat zur mündlichen Prüfung lediglich ausgeführt, daß er die Notenvergabe bei dem Vortrag (5,0), beim Berufsrecht und Außensteuerrecht (4,5), bei der Umsatzsteuer und Erbschaftsteuer (4,5) und bei der Volkswirtschaftslehre und dem Bilanzsteuerrecht (4,0) nicht nachvollziehen könne; seiner Ansicht nach sei die Anhebung der Gesamtnote der mündlichen Prüfung um mindestens einen Notenpunkt gerechtfertigt. Zur Darlegung der fehlerhaften Bewertung seines Vortrags mit dem Thema " ... " hat der Kläger eine stichwortartige Gliederungsskizze über Aufbau und Inhalt seines Vortrags vorgelegt, die er trotz des Verlustes seiner handschriftlichen Aufzeichnungen aus der Erinnerung erstellt haben will. Damit sind bestimmte nachvollziehbare und überprüfbare Fehler in der Bewertung der Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung nicht vorgetragen worden.
Nach dem oben zitierten Urteil des BVerwG (BVerwGE 92, 132, 138) besteht der Anspruch des Prüflings auf ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren zum Zwecke des Überdenkens der prüfungsspezifischen Wertungen nicht voraussetzungslos. Dem Recht des Prüflings, auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinzuweisen (BVerfGE 84, 34, 48), entspricht vielmehr nur dann eine Pflicht der Prüfer zum Überdenken ihrer Bewertungen, wenn ihnen "wirkungsvolle Hinweise" gegeben, d. h. die Einwände konkret und nachvollziehbar begründet werden. Dazu genügt es nicht, daß der Prüfling sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muß er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwendungen gegen Prüferbewertungen erhebt.
Substantiierte Einwendungen in diesem Sinne hat der Kläger jedenfalls nicht erhoben, sondern lediglich pauschal vorgetragen, daß er die Bewertung seiner Prüfungsleistungen nicht nachvollziehen könne. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die erstellte Gliederungsskizze über den von ihm gehaltenen Prüfungsvortrag im wesentlichen zutreffend ist. Denn wesentliches Bewertungskriterium für den Vortrag in der mündlichen Steuerberaterprüfung ist nicht nur dessen Aufbau und Inhalt, sondern vor allem die Art der Darstellung, insbesondere die freie und flüssige Rede des Prüflings, wobei es innerhalb des Beurteilungsspielraums der Prüfer liegt, auch einen Vergleich mit der Vortragsart der anderen Kandidaten in die Bewertung einfließen zu lassen. Eine Aussetzung des Klageverfahrens zum Zwecke der Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens über die Bewertung der Prüfungsleistungen kam somit nicht in Betracht. Mangels konkreter Hinweise auf bestimmte Beurteilungsfehler muß davon ausgegangen werden, daß den Prüfern ein Überdenken ihrer prüfungsspezifischen Wertungen der mündlichen Prüfungsleistungen des Klägers auch im Hinblick auf den Zeitablauf nicht mehr möglich ist.
3. a) Soweit der Kläger vorträgt, die knappe Niederschrift über die mündliche Prüfung lasse gezielte Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen nicht zu, handelt es sich -- wie der Senat im Beschluß vom 31. Mai 1994 VII B 42/94 (BFH/NV 1994, 912) entschieden hat -- um einen Einwand, der das Prüfungsverfahren selbst und die Form seiner Protokollierung, nicht aber prüfungsspezifische Bewertungen, betrifft. Die inhaltlichen Anforderungen an die Niederschrift über die mündliche Prüfung sind reine Rechtsfragen, über die die Gerichte uneingeschränkt zu entscheiden haben. Sollte das Prüfungsprotokoll nicht den rechtlichen Anforderungen entsprechen, so wäre die Prüfungsentscheidung schon aus diesem Grunde wegen Verfahrensfehlers aufzuheben, ohne daß die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gerichtlich überprüft werden könnte oder müßte. Diese Frage ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Aussetzungsverfahrens.
b) Für das beim FG fortzusetzende Klageverfahren verweist der Senat indes auf sein Urteil vom 14. Dezember 1993 VII R 46/93 (BFHE 173, 378, BStBl II 1994, 333, 335), in dem er ausgeführt hat, daß allein das Nichtvorhandensein eines ausführlichen Protokolls über den Inhalt der mündlichen Steuerberaterprüfung die Aufhebung der Entscheidung über das Nichtbestehen der Prüfung nicht rechtfertigt. Denn das für die Steuerberaterprüfung geltende Verfahrensrecht enthält keine Vorschriften über die Protokollierung des Inhalts der mündlichen Prüfung (vgl. die nur formalen Anforderungen an das Prüfungsprotokoll gemäß § 30 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuer bevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften -- DVStB --). Auch übergeordnetes Recht gebietet nicht eine weitergehende Protokollierung der mündlichen Prüfung als Selbstzweck. Allein der Umstand, daß kein umfassendes Prüfungsprotokoll vorliegt, vermag deshalb nicht zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung zu führen.
Dem entspricht auch die Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Beschluß vom 31. März 1994 6 B 65.93, Deutsches Verwaltungsblatt -- DVBl -- 1994, 641 m. w. N.), nach der weder das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG eine umfassende Protokollierung von Fragen und Antworten in der mündlichen Prüfung gebieten. Erforderlich sind aber im Hinblick auf eine wirksame Kontrolle von Prüfungsentscheidungen hinreichende verfahrensmäßige Vorkehrungen, um das Prüfungsgeschehen auch nachträglich noch aufklären zu können. Dem Normgeber obliegt es nach der zitierten Entscheidung, den Nachteil einer völlig fehlenden oder jedenfalls nur unzulänglichen Dokumentation sowohl der Prüfungsaufgabe als auch der Prüfungsleistung durch sonstige verfahrensmäßige Vorkehrungen auszugleichen, insbesondere den Prüflingen -- durch eine, wenn auch nur beschränkte, Öffentlichkeit bei berufsbezogenen Prüfungen -- entsprechende Beweise zu ermöglichen. Als derartige Beweismöglichkeiten ("am besten durch Zulassung von Zuhörern") reichen aber nach der Entscheidung des BVerwG auch Prüfer, Mitprüfer, Mitprüflinge und Protokollführer als in Betracht kommende Zeugen aus.
Bei der mündlichen Steuerberaterprüfung sind die vom BVerwG geforderten Beweismöglichkeiten zur Aufklärung des Prüfungsgeschehens schon deshalb gegeben, weil der Prüfungsausschuß aus sechs Mitgliedern besteht, die während der Prüfung anwesend sind und -- ggf. neben den Mitprüflingen -- als Zeugen für den Prüfungsverlauf benannt werden können (vgl. § 10 Abs. 3, § 26 Abs. 3 Sätze 2 und 3 DVStB). Der Kläger hat aber im Hinblick auf die von ihm vorzutragenden substantiierten Einwendungen gegen die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen von einem derartigen Zeugenbeweis keinen Gebrauch gemacht.
4. Soweit sich der Kläger auf sonstige formelle Fehler der Prüfungsbehörde beruft und
-- fehlende Begründung der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen,
-- fehlende Anhörung des Klägers,
-- fehlende Protokollierung des ursprünglichen Antrags auf Überdenken der Prüfungsentscheidung,
-- fehlende Bildung einer Gesamtnote für die mündliche Prüfung,
-- Vernichtung der handschriftlichen Notizen für den Prüfungsvortrag
rügt, gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß. Die gerügten Verfahrensfehler betreffen -- wie der Kläger im wesentlichen selbst vorträgt -- die Frage, ob die Prüfungsentscheidung rechtswidrig ist und aufgehoben werden muß. Über diese Frage, die der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, wird das FG im Klageverfahren zu entscheiden haben. Die Aussetzung des Klageverfahrens zum Zweck der Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens können die vorstehend genannten Verfahrensrügen nicht begründen, weil sich aus ihnen keine konkreten Hinweise auf Bewertungsfehler der Prüfer ergeben.
Zu den im einzelnen gerügten Fehlern des Prüfungsverfahrens bemerkt der Senat folgendes:
a) Eine über die Notenvergabe hinausgehende Begründung für die Bewertung des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung ist im Steuerberatungsgesetz (StBerG) und in der DVStB nicht vorgesehen. Da die Prüfungsentscheidung im Anschluß an die mündliche Prüfung den Bewerbern durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses (mündlich) zu eröffnen ist (§ 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB), kann die Pflicht zur Begründung auch nicht -- wie bei schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakten -- aus § 121 AO 1977 (i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG) hergeleitet werden. Die Anfertigung einer Kopie der Niederschrift über das Ergebnis der Steuerberaterprüfung aus den Prüfungsakten durch den Kläger selbst anläßlich der Gewährung von Akteneinsicht stellt -- entgegen der Auffassung des Klägers -- keinen schriftlich bestätigten Verwaltungsakt dar. Auch das BVerwG verlangt im Hinblick auf das Verfahren des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidung nur, daß die Prüfer (jedenfalls) ihre Bewertungen von schriftlichen Prüfungsleistungen hinreichend begründen, und daß der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Protokollen der mündlichen Prüfung (vgl. dazu oben 3. b) und den Korrekturbemerkungen zu den schriftlichen Arbeiten einsehen und auf dieser Grundlage substantiierte Einwendungen erheben kann (BVerwGE 92, 132, 137).
Im übrigen ist zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht streitig, ob dem Kläger durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses -- wie das Finanzministerium behauptet -- die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen erläutert worden ist. Das FG wird, soweit es für die Entscheidung darauf ankommen sollte, über diese Tatfrage den von der Prüfungsbehörde angetretenen Zeugenbeweis zu erheben haben.
b) Eine Anhörung des Prüflings zu der ihm zu eröffnenden Prüfungsentscheidung ist rechtlich nicht geboten. Auf § 91 AO 1977 kann die Anhörungspflicht schon deshalb nicht gestützt werden, weil das Prüfungsergebnis auf prüfungsspezifischen Bewertungen der Prüfer beruht und nicht auf entscheidungserheblichen Tatsachen, zu denen den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt werden muß.
c) Nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 DVStB müssen aus der Niederschrift über die Prüfung besondere Vorkommnisse ersichtlich sein. Die Protokollierungspflicht bestand demnach nicht für den Antrag des Klägers, die Prüfungsentscheidung nochmals zu überdenken, da dieser erst nach der Eröffnung des Prüfungsergebnisses durch den Ausschußvorsitzenden, und damit nach der Beendigung der Prüfung, gestellt worden war.
d) Selbst wenn die Gesamtnote für die mündliche Prüfung (§ 27 Abs. 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 1 Nr. 2 DVStB) bis zu dem Zeitpunkt der Einsichtnahme durch den Kläger in die Prüfungsakten nicht ausgewiesen -- d. h. errechnet -- gewesen sein sollte, so folgt daraus kein Verfahrensfehler. Die Gesamtnote (hier: 4,43) ergibt sich rechnerisch (Division) aus der Summe der Einzelnoten für die mündliche Prüfung, die im Prüfungsprotokoll ausgewiesen waren und die nach dem Vorbringen beider Beteiligten nach Abschluß der mündlichen Prüfung von dem Ausschußvorsitzenden zutreffend mit der Noten summe von 31,0 angegeben worden war, während für das Bestehen der Prüfung die Notensumme für die mündliche Prüfung des Klägers die Zahl 30 nicht hätte übersteigen dürfen.
e) Da die Aufbewahrung der handschriftlichen Notizen des Prüflings für die Vorbereitung des Prüfungsvortrags nicht vorgeschrieben ist, kann auch ein Verfahrensfehler nicht darin gesehen werden, daß diese nicht zu den Prüfungsakten genommen worden sind. Ein besonderer Beweiswert könnte diesen Notizen auch deshalb nicht beigemessen werden, weil Gegenstand der Bewertung der Prüfungsleistung allein die mündliche Darstellung des Prüfungsthemas sein kann (vgl. hierzu oben 3. a). Im übrigen hat der Kläger im Klageverfahren selbst vorgetragen, daß er in der Lage sei, das Konzept seines Vortrags wieder zu erstellen.
5. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil die Entscheidung über die Aussetzung nach § 74 FGO in einem unselbständigen Nebenverfahren ergeht (Beschluß des Senats in BFH/NV 1994, 912 m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 420828 |
BFH/NV 1996, 180 |