Leitsatz (amtlich)
Übergangsgebührnisse der Soldaten auf Zeit nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes sind nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerfrei. Sie sind auch keine Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 3 EStG.
Normenkette
Soldatenversorgungsgesetz i.d.F. vom 20. Februar 1967 (BGBl I 1967, 202) § 11; EStG 1967 § 3 Nr. 10, § 19 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der Bundeswehr Soldat auf Zeit. Nach Beendigung seiner Dienstzeit hat er im Kalenderjahr 1968 Übergangsgebührnisse nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung vom 20. Februar 1967 - SVG - (BGBl I 1967, 202) erhalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte die Übergangsgebührnisse als steuerpflichtige Einkünfte nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG und lehnte eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 10 EStG ab.
Das FG wies die Klage ab, und zwar auch insoweit, als der Kläger hilfsweise beantragt hatte, auf die Übergangsgebührnisse den Freibetrag für Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 3 EStG zu gewähren.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 3 Nr. 10 und 19 Abs. 3 EStG. Er trägt u. a. vor: Die Übergangsgebührnisse nach § 11 SVG würden im Sinne des § 3 Nr. 10 EStG auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift ausgezahlt. Der Soldat auf Zeit habe wie ein Arbeitnehmer einen Besitzstand durch seine Tätigkeit in der Bundeswehr. Der Arbeitnehmer sei jedoch weniger schutzwürdig als der Soldat auf Zeit, dessen wirtschaftliche und soziale Position schwächer sei als die eines Arbeitnehmers, der sich eine Position in der privaten Wirtschaft erarbeiten konnte und nach einer Kündigung eine zumindest gleichwertige Position in einem anderen Betrieb suchen könne. Auf jeden Fall fielen aber die Bezüge unter § 19 Abs. 3 EStG. Sie seien Vorteile aus früheren Dienstleistungen und als Unterhaltsbeitrag auf Grund beamtenrechtlicher bzw. soldatenrechtlicher Vorschriften gewährt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Die Übergangsgebührnisse des Klägers sind nicht nach § 3 Nr. 10 EStG steuerfrei, weil sie nicht wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis, sondern anläßlich der planmäßigen Beendigung eines von vornherein zeitlich befristeten Dienstverhältnisses gezahlt werden. Zutreffend hat das FG auf den Zusammenhang dieser Vorschrift mit der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG hingewiesen, die unter bestimmten Umständen Entlassungsentschädigungen steuerfrei stellt, die im Rahmen des sozialen Kündigungsschutzes gezahlt werden. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 EStG stets das Vorliegen einer sozial ungerechtfertigten Kündigung seitens des Arbeitgebers ist (vgl. Urteil vom 13. Juni 1969 VI R 207/67, BFHE 97, 2, BStBl II 1970, 4). Zwar sind durch eine Änderung des § 3 Nr. 9 EStG durch das StÄndG 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217) auch Abfindungen, die auf Grund eines Interessenausgleichs oder einer Einigung im Sinne der §§ 72, 73 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1962 gezahlt werden, für steuerfrei erklärt worden. Diese Abfindungen brauchen, wie der Senat in den Urteilen vom 3. November 1972 VI R 341/69 (BFHE 107, 429, BStBl II 1973, 240) und vom 4. Dezember 1972 VI R 246/70 (BFHE 107, 433, BStBl II 1973, 242) ausgesprochen hat, auch dann nicht versteuert zu werden, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer eigenen Kündigung aus dem Dienstverhältnis ausscheidet. Diese Ausnahme von der bis dahin gegebenen Begrenzung auf Fälle des sozialen Kündigungsschutzes (§§ 7 und 8 des Kündigungsschutzgesetzes a. F. oder § 74 des Betriebsverfassungsgesetzes) beruht indessen auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift. Dadurch wird insbesondere der ursprünglich gegebene systematische Zusammenhang zwischen den Vorschriften in § 3 Nrn. 9 und 10 EStG nicht berührt.
Der Senat hält aus den aufgezeigten Gründen an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der, wie das FG zutreffend dargelegt hat, der Grundsatz der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen und die enge Verbundenheit der beiden Vorschriften des § 3 Nr. 9 und Nr. 10 EStG dazu zwingen, § 3 Nr. 10 EStG im gleichen Sinne auszulegen wie § 3 Nr. 9 EStG in der vor der erwähnten Gesetzesänderung bestehenden Fassung (Urteile vom 2. August 1956 IV 486/55 U, BFHE 63, 250, BStBl III 1956, 292; vom 8. Oktober 1965 VI 257/64 U, BFHE 84, 283, BStBl III 1966, 102, und vom 14. April 1967 VI 15/65, BFHE 90, 108, BStBl II 1968, 2). Übergangsgelder und Übergangsbeihilfen können daher nicht in einem größeren Umfang steuerfrei bleiben als Entschädigungen auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften, wenn sie auf dem sozialen Kündigungsschutz beruhen (jedoch unter Außerachtlassung der Erweiterung des § 3 Nr. 9 EStG durch das StÄndG 1965). Eine Entschädigung kommt nach diesen Vorschriften nur in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer gegenüber eine an sich unwirksame, weil sozial ungerechtfertigte Kündigung ausgesprochen worden ist, der Arbeitnehmer aber trotzdem auf seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung verzichtet.
Dem FG ist zuzustimmen, daß diese Voraussetzungen im Falle des Klägers nicht gegeben sind. Das Dienstverhältnis des Klägers als Soldat auf Zeit ist nicht durch eine sozial ungerechtfertigte unwirksame Kündigung des Arbeitgebers beendet worden, sondern vereinbarungsgemäß durch Zeitablauf. Der Kläger hatte deshalb auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, auf den er hätte verzichten können. Auf die Erwägungen, die den Gesetzgeber zu der Regelung in § 11 SVG veranlaßt haben, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob die Betrachtungen des Klägers über die Verhältnisse von Arbeitnehmern der Privatwirtschaft und von Soldaten auf Zeit zutreffend sind. Selbst wenn dem Kläger zuzustimmen wäre, so kann dieses noch nicht die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 10 EStG zur Folge haben; denn sie bezweckt ihrem Inhalt nach keineswegs allgemein den Ausgleich von Nachteilen, die bei Beendigung eines Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit vielleicht gegeben sein könnten. Ob diese Nachteile, falls sie vorhanden sein sollten, Anlaß für eine Steuerbefreiung in der Zukunft geben könnten, ist hier ebenfalls nicht zu entscheiden.
Auch der Freibetrag für Versorgungsbezüge nach § 19 Nr. 3 EStG steht dem Kläger nicht zu. In § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG hat das Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben, was als Versorgungsbezug im einzelnen anzusehen ist. Danach sind u. a. Versorgungsbezüge Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die "als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, Unterhaltsbeitrag oder als gleichartiger Bezug" gewährt werden. Die Bezüge des Klägers sind in § 11 Abs. 1 SVG ausdrücklich als "Übergangsgebührnisse" bezeichnet. Sie werde also weder als Ruhegehalt noch als Witwen- oder Waisengeld noch als Unterhaltsbeitrag gewährt.
Es handelt sich auch nicht um einen gleichartigen Bezug. Hiergegen spricht bereits die Unterscheidung, die das SVG selbst zwischen den in § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG ausdrücklich aufgeführten Bezügen und übergangsweise gewährten Bezügen trifft. So ist in § 14 SVG vorgeschrieben, daß die Dienstzeitversorgung der Berufssoldaten (zu denen nicht die Soldaten auf Zeit gehören) umfaßt: Ruhegehalt, Unfallruhegehalt, Unterhaltsbeitrag, Übergangsgeld, Ausgleich. Von diesen Bezügen werden durch § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG lediglich erfaßt das Ruhegehalt, Unfallruhegehalt und der Unterhaltsbeitrag. Das Übergangsgeld sowie der Ausgleich sind dagegen nicht erwähnt, so daß der Freibetrag für Versorgungsbezüge dafür nicht in Betracht kommt. Die Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit, die in den §§ 11 bis 13b SVG geregelt ist, sieht lediglich Übergangsgebührnisse und Ausgleichsbezüge (§ 11), Übergangsbeihilfe (§ 12) und Übergangsbeihilfe in besonderen Fällen (§ 13) vor. Ein Bezug, der mit einem Ruhegehalt oder einem Unterhaltsbeitrag (§ 36 SVG) vergleichbar wäre, ist unter diesen Bezügen nicht aufgeführt. Die Bezüge sind insbesondere auch nicht mit dem Unterhaltsbeitrag nach § 36 SVG vergleichbar. Nach dieser Vorschrift kann einem Berufssoldaten ein Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Ruhegehalts bewilligt werden, wenn er vor Ableistung einer Dienstzeit von zehn Jahren wegen Erreichens der für seinen Dienstgrad bestimmten Altersgrenze oder wegen Dienstunfähigkeit entlassen worden ist. Der Unterhaltsbeitrag soll also die Funktion eines Ruhegehalts in den Fällen erfüllen, in denen an sich die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ruhegehalts (§ 15 Abs. 2 SVG) noch nicht erfüllt wären. Soldaten auf Zeit erfüllen aber auch diese Voraussetzungen nicht, weil sie bei Beendigung ihrer Dienstzeit regelmäßig weder eine Altersgrenze erreicht haben noch dienstunfähig sind, sondern wegen Ablaufs der von vornherein zeitlich begrenzt vereinbarten Dienstzeit ausscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 70915 |
BStBl II 1974, 490 |
BFHE 1974, 516 |