Leitsatz (amtlich)
Die Abtretung des Aneignungsrechts aus § 928 Abs. 2 BGB durch den Fiskus an einen Dritten unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.
Normenkette
Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 1; Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 2; Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 3; Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 5; Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 7; Hamburgisches) GrEStG 1966 § 1 Abs. 2; BGB § 928 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag trat der Fiskus als Aneignungsberechtigter i. S. des § 928 Abs. 2 BGB das Aneignungsrecht an einem in Hamburg gelegenen herrenlosen Grundstück an die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ab. Die Klägerin übte das Aneignungsrecht aus und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Mit Bescheid vom ... setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 des (Hamburgischen) Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1966 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Der Klage gab das Finanzgericht (FG) statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 458 - EFG 1978, 458 -).
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 7 GrEStG 1966, hilfsweise des § 1 Abs. 2 GrEStG 1966, und macht geltend, das FG habe auf Grund seiner ausschließlich auf den Wortlaut abgestellten Auslegung des Gesetzes zu Unrecht Steuerbarkeit verneint. Das FG hätte beachten müssen, daß der Gesetzeszweck sowie die Zielsetzung und die wirtschaftliche Bedeutung zu berücksichtigen seien, derentwegen der Reichsfinanzhof (RFH) in seinem Urteil vom 21. Oktober 1943 II 8/42 (RStBl 1944, 388) bei insoweit gleichem Gesetzeswortlaut auf Grund des GrEStG 1940 zu dem Ergebnis gekommen sei, die Abtretung des Rechts auf Aneignung unterliege der Grunderwerbsteuer. Ferner sei zu beachten gewesen, daß von der Grunderwerbsteuer nicht nur solche Rechtsvorgänge erfaßt würden, die das Eigentum als Vollrecht zum Gegenstand hätten, sondern auch gewisse das Erbbaurecht und das Erbpachtrecht (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GrEStG 1966) sowie das Meistgebot bzw. die Rechte aus dem Meistgebot betreffende Rechtsvorgänge. Weiter falle Grunderwerbsteuer auch bei denjenigen Rechtsvorgängen an, durch welche ein bloß schuldrechtlicher Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs und auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet würden, sowie bei der Abtretung dieser Rechte selbst (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 6 und 7 GrEStG 1966). Die Rechtsposition, die der Zessionar des Aneignungsrechts erlange, sei von einer Art, welche die Gleichstellung mit den zuvor erwähnten Rechtsstellungen, wenn nicht sogar mit dem Eigentum, erlaube, so daß hierwegen überdies dem Erfordernis des Rechtsträgerwechsels genügt werde.
Der Überlegung des FG, die im GrEStG 1940 unterlassene Erwähnung der Abtretung des Aneignungsrechts spreche für eine Verneinung der Steuerbarkeit durch den Gesetzgeber, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei anzunehmen, daß der Gesetzgeber diese strittige Frage im Hinblick auf die nicht sehr zahlreichen Fälle der Rechtsprechung zur Beantwortung habe überlassen wollen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung biete Beispiele dafür, daß grunderwerbsteuerrechtliche Vorschriften über den Wortlaut hinaus angewendet worden seien (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Oktober 1963 II 155/60 U, BFHE 77, 706, BStBl III 1963, 579 und vom 25. November 1964 II 130/63 U, BFHE 81, 478, BStBl III 1965, 173 zu § 3 Nr. 2 GrEStG 1940; vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400 zu § 3 Nr. 6 GrEStG 1940; vom 28. November 1967 II R 37/66 BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 - Begründung des Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts -).
Hilfsweise hätte die Steuerfestsetzung im Hinblick auf § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 aufrechterhalten werden müssen. Von dessen Zweck werde der Streitfall erfaßt, weil die Rechtsstellung eines Aneignungsberechtigten in Beziehung auf das herrenlose Grundstück der Eigentümerposition so nahe komme, daß eine Gleichsetzung erlaubt sei. Etwaigen aus der Ausgestaltung der Vorschrift als Auffangtatbestand hergeleiteten Bedenken hätte mit dem Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27. August 1975 II R 52/70 (BFHE 117, 96, BStBl II 1976, 30) begegnet werden können, wonach die Besteuerung aufgrund dieser Vorschrift nicht dadurch ausgeschlossen werde, daß schon bei der Übertragung der Verwertungsbefugnis die spätere Übereignung des Grundstücks geplant gewesen sei.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), da das FG zu Recht die Steuerbarkeit der Abtretung des Aneignungsrechts verneint und den angefochtenen Bescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufgehoben hat.
1. Im Gegensatz zum GrEStG 1919 (§ 1 Satz 2: Dem Übergang des Eigentums steht gleich der Erwerb von herrenlosen Grundstücken; vgl. hierzu aber RFH-Urteile vom 27. November 1928 II A 521/28 (RFHE 24, 234) und vom 25. Juni 1929 II A 331/29 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 1, Rechtsspruch 8) enthält das GrEStG 1966 ebensowenig wie das GrEStG 1940 eine ausdrückliche Regelung der Besteuerung des Erwerbs herrenloser Grundstücke. Ebenfalls nicht ausdrücklich vom GrEStG 1966 erwähnt ist die Besteuerung der Abtretung des Aneignungsrechts an einem herrenlosen Grundstück, so daß Grunderwerbsteuer für den umstrittenen Rechtsvorgang nur hätte anfallen können, wenn dieser sich einem der in § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG 1966 enthaltenen, die Abtretung des Aneignungsrechts nicht ausdrücklich erwähnenden Tatbestände unterordnen ließe. Dies ist nicht der Fall.
2. Steuerbarkeit läßt sich nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG 1966 mit der Begründung herleiten, daß für die Anwendung dieser Vorschriften das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Grund des § 2 Abs. 1 und 2 GrEStG 1966 als grundstücksgleiches Recht zu betrachten sei. Für eine solche Auslegung bietet der § 2 Abs. 1 und 2 GrEStG 1966 keine hinreichenden Anhaltspunkte.
3. Ebenfalls nicht zur Steuerbarkeit führt im vorliegenden Fall § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1966, wonach der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums unterliegt, wenn kein den Anspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Der Eigentumserwerb der Klägerin auf Grund des an sie abgetretenen Aneignungsrechtes ist ursprünglich - originär - (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 40. Aufl., § 928 Anm. 5b). Er läßt sich daher nicht als Übergang des Eigentums i. S. der genannten Vorschrift, d. h. als abgeleiteter Eigentumserwerb, ansehen. Das Grunderwerbsteuerrecht will aber grundsätzlich nur solche Rechtsvorgänge erfassen, bei denen ein Übergang von einem auf einen anderen Rechtsinhaber stattfindet (vgl. Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Auf1., § 1 Rdnr.5).
Gegen diese Auslegung spricht nicht, daß in § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1966 ausdrücklich der Übergang des Eigentums im Zwangsversteigerungsverfahren ausgenommen ist. Hieraus kann nicht geschlossen werden, der Begriff des Eigentumsüberganges umfasse auch den originären Eigentumserwerb. Die Einfügung des Halbsatzes 2 in § 1 Abs. 1 Nr. 3 des GrEStG 1940, das insoweit Vorbild für die entsprechende Norm im GrEStG 1966 war, ist offenbar darauf zurückzuführen, daß der Gesetzgeber seinerzeit davon ausging, ein Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren lasse sich als Eigentumsübergang vom bisherigen auf den neuen Eigentümer auffassen (vgl. die Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 390 r. Sp. unten).
4. Die im angefochtenen Bescheid angeführte Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1966, wonach der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft unterliegt, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs begründet, ist ebensowenig einschlägig wie die nach Ansicht der Revision vom FG verletzte Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG 1966, wonach der Grunderwerbsteuer die Abtretung des Übereignungsanspruches unterliegt, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung des Rechts begründet.
Der Senat hat allerdings die Rechtsauffassung vertreten, daß ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet, von der Grunderwerbsteuer erfaßt wird (BFH-Urteil vom 28. November 1967 II 1/64, BFHE 91, 205, BStBl II 1968, 222). Er hat aber ausgesprochen, daß die Abtretung des Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts nicht grunderwerbsteuerbar sein würde, wenn nicht schon die Bestellung eines Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterläge; denn trotz der Selbständigkeit des in § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG erfaßten Steuertatbestandes gegenüber § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG diene dieser dem gleichen Besteuerungsprinzip wie die zuletzt genannten Vorschriften, so daß die Abtretung eines Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts keine stärkeren steuerrechtlichen Wirkungen zeitigen könne als der unmittelbare Erwerb des Anspruchs auf Bestellung des Erbbaurechts.
Entsprechende Überlegungen sind dann angebracht, wenn es wie hier um die Abtretung eines Aneignungsrechts an einem herrenlosen Grundstück geht. Eine Besteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG 1966 würde nur dann zum Zuge kommen können, wenn die Erlangung des Aneignungsrechts durch den Fiskus auf Grund des § 928 Abs. 2 Satz 1 BGB der Grunderwerbsteuer unterlegen hätte. Dies ist jedoch ebensowenig der Fall wie bei der Ausübung des Aneignungsrechts (vgl. hierzu das bereits zitierte BFH-Urteil II R 37/66, BFHE 91, 191, 203, BStBl II 1968, 223). Die allenfalls in Betracht kommenden Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG 1966 sind schon im Hinblick darauf nicht einschlägig, daß es am Abschluß eines auf Rechtsverschaffung gerichteten schuldrechtlichen Vertrages zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Fiskus fehlt, daß zwischen beiden auch keine dingliche Einigung, über den Rechtsübergang stattfindet und daß das Aneigungsrecht nicht vom bisherigen Eigentümer auf den Fiskus übergeht, sondern bei diesem erstmalig entsteht.
5. Der Senat folgt nicht der Ansicht des RFH in dessen bereits zitiertem Urteil II 8/42 (RStBl 1944, 388), daß die Abtretung des Aneignungsrechts im Hinblick auf die Gesamtheit der in § 1 Abs. 1 GrEStG 1940 geregelten Tatbestände steuerbar sei. Eine derartige Deutung des Gesetzes wäre mit den maßgebenden Auslegungsprinzipien (vgl. die Nachweise in BFH-Urteil II R 37/66, BFHE 91, 191, 201, BStBl II 1968, 223) nicht vereinbar und würde überdies nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung im Einklang stehen.
6. Der Senat vermag schließlich nicht dem FA darin zu folgen, daß der angefochtene Bescheid im Hinblick auf § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 hätte aufrechterhalten werden müssen. Danach unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Vorschrift erfaßt Sachverhalte, in denen der Erwerber die wirtschaftliche Macht "Eigentum" gerade nicht erlangen soll (vgl. Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, a. a. O., § 1 RdNr. 149; siehe auch BFH-Urteil II R 37/66, BFHE 91, 191, 192, BStBl II 1968, 223). Es war aber alleiniger Zweck der Abtretung des Aneignungsrechts, der Klägerin zum Eigentum an dem herrenlosen Grundstück zu verhelfen.
Gegenüber dieser Würdigung läßt sich nicht mit Erfolg darauf hinweisen, daß der Senat mit seinem bereits zitierten Urteil II R 52/70 (BFHE 117, 96, BStBl II 1976, 30) entschieden habe, die Besteuerung gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß schon bei der Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit die spätere Übereignung des Grundstücks geplant gewesen sei. Diese Auffassung ist mit der hier ausschlaggebenden Annahme zu vereinbaren, daß § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 nicht zum Zuge kommt, wenn mit dem betreffenden Rechtsvorgang dem Erwerber gerade das Eigentum verschafft werden soll.
Fundstellen
Haufe-Index 413625 |
BStBl II 1981, 488 |
BFHE 1981, 97 |