Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Unter "Geschäftsergebnis", das für die satzungsmäßigen Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückgewähr im Lebensversicherungsgeschäft maßgebend ist, ist grundsätzlich das Ergebnis der Handelsbilanz zu verstehen.
übersteigen infolge von Gewinnverlagerungen die Ergebnisse der Steuerbilanz zunächst die Ergebnisse der Handelsbilanz, während in späteren Jahren infolge des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs die Ergebnisse der Handelsbilanz die der Steuerbilanz übersteigen, so kann das Versicherungsunternehmen auch in den späteren Jahren mit steuerlicher Wirkung die höheren Ergebnisse der Handelsbilanz als Berechnungsgrundlage für die Beitragsrückgewähr nehmen.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 2 Ziff. 1; KStDV § 22 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), eine Versicherungsanstalt des öffentlichen Rechts, befaßt sich mit der Lebens- und Sachversicherung. Nach ihren Satzungen muß sie ihren überschuß voll der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen zuführen und ist auch immer demgemäß verfahren. In der Handelsbilanz für 1951 bildete sie entsprechend dem ausgewiesenen überschuß eine Rückstellung für Beitragsrückerstattungen von X DM. Der überschuß in der Steuerbilanz war um 10 732 DM niedriger. Den Unterschiedsbetrag von 10 732 DM erkannte das Finanzamt nicht als rückstellungsfähig an, sondern ließ nur eine Rückstellung für Beitragsrückerstattungen von X DM ./. 10732 DM zu. Der niedrigere überschuß in der Steuerbilanz für 1951 hängt mit Gewinnkorrekturen (Gewinnverlagerungen) nach einer Betriebsprüfung zusammen. Für II/1948 und 1950 waren nämlich dadurch, daß der Prüfer einen transitorischen Posten anderweit verteilte, die überschüsse gegenüber der Handelsbilanz erhöht worden, für 1951 aber um 10 732 DM geringer. Die steuerlichen überschußerhöhungen II/1948 bis 1950 versteuerte die Bgin. nach, ohne die Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen II/1948 bis 1950, die sie auf Grund der niedrigen überschüsse in der Handelsbilanz errechnet hatte, zu erhöhen.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es führte im wesentlichen aus: Beim Lebensversicherungsgeschäft seien - anders als bei der Sachversicherung - Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattungen auch abzugsfähig, wenn überschüsse früherer Wirtschaftsjahre dazu verwendet würden (Blümich-Klein-Steinbring, 3. Auflage, Anm. 8d zu § 6 Körperschaftsteuergesetz; Bühler, Handkommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 1956, Anm. X Tz. 15 zu § 6 Körperschaftsteuergesetz; Prölss, Die versicherungstechnischen Rücklagen im Steuerrecht, 2. Auflage 1954 S. 120). Die Zuführungen brauchten also bei der Lebensversicherung nicht aus dem überschuß des "technischen Geschäfts" im Wirtschaftsjahr zu stammen und in bestimmter Weise beschlossen zu sein. Die steuerliche überschußminderung für 1951 sei die Folge der vom Betriebsprüfer vorgenommenen überschußerhöhungen für II/1948 bis 1950. Die Bgin. habe, als sie in der Bilanz für 1951 der Rückstellung den Betrag von 10 732 DM zuführte, im Ergebnis einen Teil der für die Vorjahre errechneten steuerlichen Mehrüberschüsse dazu verwendet. Die Auffassung des Finanzamts, der Betrag von 10 732 DM stamme aus dem Vermögen und sei darum nicht rückstellungsfähig, sei unrichtig. Der Betrag stamme zwar nicht aus dem überschuß des Jahres 1951, aber doch aus den überschüssen der Vorjahre. Das Urteil des Reichsfinanzhofs I 208/38 vom 29. November 1938 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S 274) stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 38/53 U vom 25. August 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 36, Slg. Bd. 58 S. 320) betreffend die nachträgliche Verwendung von Gewinnerhöhungen durch eine steuerliche Betriebsprüfung zu Warenrückvergütungen bei Genossenschaften müßten im Streitfall entsprechend angewendet werden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 11 Ziff. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1951, § 22 Abs. 1 Ziff. 1 KStDV 1951. Er führt im wesentlichen aus: Die Zuführungen zur Rückstellung für Beitragsrückerstattungen seien der Höhe nach durch den Grundsatz der Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz beschränkt (Urteil des Reichsfinanzhofs I 208/38 a. a. O.). Die durch die Betriebsprüfung für II/1948 bis 1950 ermittelten und nachversteuerten Mehrüberschüsse hätten deshalb nicht zurückgestellt werden können, sondern hätten versteuert werden müssen. Der überschuß aus der Handelsbilanz für 1951 sei voll der Rückstellung zugeführt worden. überschüsse aus früheren Jahren könne die Bgin. entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht haben, da sie satzungsgemäß jedes Jahr die vollen überschüsse zurückstellen müsse. Der Beschluß über die Zuführung der überschüsse II/1948 bis 1952 sei bereits in der Verwaltungsratsitzung vom 23. April 1955 gefaßt worden, während die Betriebsprüfung erst Januar/Februar 1956 stattgefunden habe. Die Bgin. habe ihre Handelsbilanzen für II/1948 bis 1952 auch nicht den Steuerbilanzen angepaßt. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 KStDV 1951 könnten nur die auf Grund des Geschäftsergebnisses gewährten Beitragsrückerstattungen abgezogen werden. Da die Bgin. satzungsgemäß jährlich die vollen überschüsse zur Beitragsrückerstattung verwende, seien bei ihr nur Beitragsrückerstattungen aus dem jeweiligen Jahresüberschuß möglich. Sei der überschuß nach der Steuerbilanz in einem Jahr kleiner als der nach der Handelsbilanz, so sei die Beitragsrückerstattung nur bis zur Höhe des steuerbilanzmäßigen überschusses möglich, weil der diesen überschuß übersteigende Betrag nicht aus dem Geschäftsergebnis, sondern aus dem Vermögen stamme.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.
Zutreffend gehen alle Beteiligten in übereinstimmung mit § 22 Abs. 1 Ziff. 1 KStDV 1951 (jetzt: § 6 Abs. 2 Ziff. 1 KStG 1955), Abschn. 58 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1951 und Abschn. II des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 25. Juli 1936 (RStBl 1936 S. 825 ff.) davon aus, daß die satzungsmäßigen gewinnabhängigen Zuführungen zur Beitragsrückerstattung aus dem Lebensversicherungsgeschäft einer Versicherungsgesellschaft grundsätzlich gewinnmindernd abzusetzen sind. Die auf der Grundlage des Bilanzüberschusses berechneten satzungsmäßig zurückgewährten Beitragsanteile zu Lebensversicherungen sind für eine Versicherungsgesellschaft echte Betriebsausgaben, weil sie mit zuviel erhobenen Versicherungsbeiträgen zusammenhängen und den Versicherten auf Grund der Versicherungsverträge geschuldet werden. Die Verpflichtung zur Beitragsrückgewähr, die mit dem Gewinn am Ende des Wirtschaftsjahres entsteht, muß durch eine entsprechende bilanzmäßige Rückstellung zum Ende des abgelaufenen Wirtschaftsjahres berücksichtigt werden.
In § 22 Abs. 1 Ziff. 1 KStDV 1951 (jetzt: § 6 Abs. 2 Ziff. 1 KStG 1955) wird die Abzugsfähigkeit beschränkt auf Beitragsrückerstattungen, DIE auf Grund des Geschäftsergebnisses gewährt werden. Ausgeschlossen sind deshalb zum Beispiel Beitragsrückerstattungen aus dem Gesellschaftskapital. Im Streitfall wird der Begriff "Geschäftsergebnis" von den Beteiligten verschieden ausgelegt. Die Bgin. meint, Geschäftsergebnis sei der auf Grund der Handelsbilanzen auszuweisende überschuß; die Rückstellung für Beitragsrückerstattungen sei deshalb immer den Ergebnissen der Handelsbilanz gemäß zu bemessen, wie sie es auch für alle Wirtschaftsjahre getan habe. Das Finanzamt vertritt demgegenüber die Auffassung, der Grundsatz der Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz müsse dazu führen, daß die Zuführungen zu Rückstellung in keinem Jahr höher sein könnten als der in der Steuerbilanz ausgewiesene überschuß; sei, wie in den Jahren II/1948 bis 1950, der überschuß in den Steuerbilanzen höher als in den Handelsbilanzen, so dürften nur die geringeren handelsbilanzmäßigen überschüsse zurückgestellt werden; sei dagegen, wie im Streitjahr 1951, der überschuß in der Steuerbilanz geringer als in der Handelsbilanz, so könne höchstens der steuerbilanzmäßige überschuß zurückgestellt werden; es sei dabei unerheblich, worauf die Abweichungen zwischen den Steuerbilanzen und den Handelsbilanzen im einzelnen zurückzuführen seien. Das Finanzgericht geht ebenfalls davon aus, daß "Geschäftsergebnis" des Streitjahrs 1951 der niedrigere steuerbilanzmäßige überschuß sei, daß aber die höhere Rückstellung der Bgin. trotzdem möglich sei, weil die Bgin. zulässigerweise bereits versteuerte Mehrergebnisse der Vorjahre nachträglich der Rückstellung zugeführt habe.
Es erübrigt sich, auf die Ausführungen des Finanzgerichts über die Zulässigkeit der Nachholung von Zuführungen aus den Geschäftsergebnissen vergangener Jahre näher einzugehen. Denn mit der Bgin. ist anzunehmen, daß das Geschäftsergebnis, das nach § 22 Abs. 1 Ziff. 1 KStDV 1951 für die Bemessung der satzungsmäßig zulässigen und gebotenen Zuführungen zu der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen maßgebend ist, grundsätzlich der in DER Handelsbilanz ausgewiesene überschuß ist. Wie bereits erwähnt, schulden die Versicherungsgesellschaften ihren Versicherten die Beitragsrückgewähr auf Grund der Versicherungsverträge. Die Höhe der Schuld schwankt und ist jahrweise wechselnd von dem ausgewiesenen überschuß abhängig. Grundlage für die Bemessung der Rückstellung kann grundsätzlich nur der überschuß sein, wie er in der ordnungsmäßig zustandegekommenen und veröffentlichten Handelsbilanz ausgewiesen ist. Die nicht veröffentlichte und nur im Innenverhältnis zwischen den Finanzbehörden und der Versicherungsgesellschaft für deren Ertragsbesteuerung maßgebende Steuerbilanz ist keine geeignete Bemessungsgrundlage und kann nach bürgerlichem Recht den Inhalt des versicherungsrechtlichen Rückgewähranspruchs der Versicherungsnehmer nicht beeinflussen. Nur wenn man den überschuß der Handelsbilanz als maßgebend ansieht, ist auch für die Versicherungsgesellschaften eine eindeutige, rechtzeitig feststehende und unabänderliche Grundlage für die Kalkulation und die geschäftlichen Maßnahmen gegeben. Die oft erst nach Jahren eintretende änderung von Ansätzen in den Steuerbilanzen würde ein Element der Unsicherheit und Unstetigkeit in die Bilanzierung tragen. Es kann dahingestellt bleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn in Einzelfällen Versicherungsgesellschaften unter Verletzung der Grundsätze ordnungsmäßiger handelsrechtlicher Buchführung versuchen wollten, die überschüsse der Handelsbilanzen willkürlich zu beeinflussen, um dadurch ungerechtfertigte steuerliche Vorteile zu erlangen. Denn ein solcher Fall liegt hier offenbar nicht vor.
Zu Unrecht beruft sich das Finanzamt auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 208/38 a. a. O. Diese Entscheidung befaßt sich in erster Linie mit der Frage, ob eine Versicherungsgesellschaft einen auf Grund einer Betriebsprüfung höheren Steuerbilanzüberschuß der Körperschaftsteuer unterwerfen muß oder ob sie ihn ohne weiteres ganz oder teilweise durch Ansatz eines Ausgleichspostens in der Steuerbilanz alsbald der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen zuführen kann. Mit Recht hat der Reichsfinanzhof die Versteuerung verlangt. Die Bgin. hat den Grundsätzen dieser Entscheidung dadurch Rechnung getragen, daß sie die höheren Steuerbilanzgewinne für II/1948 bis 1950 der Körperschaftsteuer unterworfen hat. Zu der Frage, wie in Fällen dieser Art hinsichtlich der Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattungen in späteren Jahren zu verfahren ist, hat der Reichsfinanzhof nicht Stellung genommen. In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 208/38 a. a. O. handelte es sich wie im Streitfall um Gewinnverlagerungen, die zunächst zu Gewinnerhöhungen in der Steuerbilanz führten, aber infolge des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs in späteren Jahren notwendig Gewinnminderungen in der Steuerbilanz herbeiführen mußten. Wenn es auch im Urteil des Reichsfinanzhofs I 208/38 a. a. O. nicht besonders ausgeführt ist, so beruht die Entscheidung doch auf der auch vom Senat zugrunde gelegten Auffassung, daß für die Bemessung der Rückstellung allgemein grundsätzlich das Ergebnis der Handelsbilanz maßgebend sei; denn sonst hätte der Reichsfinanzhof das Verlangen der Firma auf Rückstellung des höheren Steuerbilanzgewinns mit der von ihm gegebenen Begründung nicht ablehnen können. Da es im Fall des Reichsfinanzhofs ebenso wie im Streitfall nur um gewinnverlagernde Bilanzkorrekturen ging, mußten - auf längere Sicht insgesamt betrachtet - die überschüsse der Handelsbilanzen und Steuerbilanzen gleich hoch sein. Es wäre bei wirtschaftlicher Betrachtung aber nicht gerechtfertigt, nur um eines formellen Prinzips willen eine Versicherungsgesellschaft zu zwingen, nachträglich ihre veröffentlichten Handelsbilanzen den Steuerbilanzen anzupassen, obgleich in kürzerer oder längerer Zeit von selbst der Ausgleich eintritt und im Ergebnis deshalb, wenn die Versicherungsgesellschaft stetig gleichbleibend ihre überschüsse aus der Handelsbilanz als Bemessungsgrundlage für die Rückstellung nimmt, auch nicht mehr als die Summe der steuerbilanzmäßigen überschüsse der Rückstellung zuführen kann. Die Auffassung des Finanzamts, die diese Zusammenhänge außer Betracht läßt und trotz des offenbaren Zusammenhangs jedes Wirtschaftsjahr für sich betrachtet, wird der rechtlichen Eigenart der Beitragsrückerstattung, den Grundgedanken der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 208/38 a. a. O. und der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht gerecht.
Nach allem ist der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten.
Fundstellen
Haufe-Index 409294 |
BStBl III 1959, 138 |
BFHE 1959, 354 |
BFHE 68, 354 |
BB 1959, 330 |
DB 1959, 363 |