Leitsatz (amtlich)
Der angemessene Pachtzins, den eine GmbH für die Pacht eines Betriebs an ihren Gesellschafter bei Meidung einer verdeckten Gewinnausschüttung zu zahlen hat, ist in erster Linie nicht nach den Renditeerwartungen des Gesellschafters (Verpächters), sondern danach zu bestimmen, ob die aus der Pachtung des Betriebs zu erwartenden Gewinne der GmbH eine angemessene Verzinsung des eingezahlten Stammkapitals - unter Umständen auch des sonstigen Eigenkapitals - sowie eine Vergütung für das auf dem ausstehenden Stammkapital lastende Risiko erreicht.
Normenkette
KStG § 6 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde am 17. Januar 1966 gegründet. Am Stammkapital von 20 000 DM waren bei der Gründung L W mit 8 000 DM, dessen Ehefrau A W mit 2 000 DM und deren Schwester, Frau T, mit 10 000 DM beteiligt. L W starb am 30. Mai 1966. Er war alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und hatte dieser den Betrieb seiner Einzelfirma mit allen Aktiven und Passiven verpachtet. Der Inhalt des Pachtvertrags wurde am 29. November 1966 schriftlich niedergelegt.
In § 3 des Vertrages wurde eine Festpacht für das Betriebsgrundstück einschließlich aller darauf befindlichen Gebäude in Höhe von 3 115 DM monatlich vereinbart. Daneben wurde eine Umsatzpacht in Höhe von 10 v. H. bis zu einem Umsatz von 500 000 DM jährlich und von dem 500 000 DM übersteigenden Umsatz in Höhe von 6 v. H. vertraglich festgelegt. Die Pachtzahlungen betrugen danach
für 1966 79 569 DM,
für 1967 80 343 DM und
für 1968 87 730 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hielt die Zahlungen für überhöht und ermäßigte sie auf jährlich 30 000 DM als Festpacht für das Grundstück nebst Gebäuden und auf jährlich 40 000 DM für die übrigen überlassenen Wirtschaftsgüter in den Jahren 1966 bis 1968. Danach ergaben sich für 1966: 9 569 DM, für 1967: 10 343 DM und für 1968: 17 730 DM verdeckte Gewinnausschüttungen.
Die Klage hatte lediglich für den in der Revision nicht mehr streitigen Veranlagungszeitraum 1969 Erfolg. Das FG gelangte zu dem Ergebnis, daß die Klägerin in den Jahren 1966 bis 1968 der Gesellschafterin A W Vorteile habe zukommen lassen, die in Geschäftsbeziehungen unter Fremden nicht üblich seien. Denn ein gewissenhafter Geschäftsführer hätte den Pachtvertrag mit den vereinbarten Belastungen für die Klägerin nicht abgeschlossen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung von Bundesrecht (§ 6 Abs. 1 KStG), Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze gerügt wird. Das FG habe darüber hinaus § 96 FGO dadurch verletzt, daß es seiner Beurteilung nicht das gesamte Ergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt habe. Im einzelnen wird vorgetragen, das FG habe sich über die vertraglichen Vereinbarungen hinweggesetzt. Dadurch, daß das FG im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 des Pachtvertrages von einer Erneuerungspflicht der Pächterin ausgegangen sei, habe es zwangsläufig zu einer falschen Beurteilung und damit u. a. auch zu einer - unrichtigen - verdeckten Gewinnausschüttung kommen müssen. Ferner sei der Tatbestand unvollständig wiedergegeben, so daß eine Ergänzung erforderlich sei. Im Verlauf des Verfahrens sei mehrfach darauf hingewiesen worden, daß bei der Prüfung der Angemessenheit der Pachthöhe für die Gebäude berücksichtigt werden müsse, daß es sich bei den gepachteten Gebäuden u. a. um einen erst Ende 1965 fertiggestellten Neubau handele, der speziell auf den Betrieb der Klägerin zugeschnitten sei. Das FG habe in Kenntnis, daß die Fabrikationshalle erst 1965 erstellt worden sei, in seinem Vergleich zur Angemessenheit der "gesamten Pachtleistungen" diesen Tatbestand ignoriert und auf die Jahre 1963 bis 1965 zurückübertragen. Das habe dann zu den fehlerhaften Berechnungen in der Urteilsbegründung geführt. Das FG habe weiter die Grundstücks- und Gebäudezinsen 1965 unberücksichtigt gelassen und nicht beachtet, daß von 1963 bis 1965 geringwertige Wirtschaftsgüter voll abgeschrieben worden seien. Betriebswirtschaftlich seien aber nur die normalen AfA anzusetzen. Die Berechnung des FG, die zu Verlusten des gepachteten Betriebs geführt hat, sei wie folgt zu berichtigen:...
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Pachten in voller Höhe anzuerkennen und damit die verdeckten Gewinnausschüttungen zu beseitigen und die Körperschaftsteuer wie folgt festzusetzen: ... hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von unrichtigen Voraussetzungen für das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen ausgegangen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, §§ 76, 96 FGO).
1. Die Klägerin hätte durch die vereinbarten Pachtzahlungen an die Gesellschafterin A W verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen, wenn sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters diesen Pachtzins mit einem Nichtgesellschafter nicht vereinbart hätte (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG; Urteil des BFH vom 29. Oktober 1974 I R 83/73, BFHE 114, 471, BStBl II 1975, 366).
a) Eine Hilfe zur Ermittlung des Pachtzinses, der aus der Sicht der Klägerin angemessen war, ist die Prüfung, ob die Klägerin aus der Pachtung des Betriebs einen angemessenen Gewinn erwarten konnte. Insoweit folgt der Senat dem FG. Die Renditeerwartungen des Verpächters, auf die das FA entscheidend abgestellt hat, bleiben zunächst außer Betracht.
Die Gewinnerwartungen der Klägerin können mangels anderer Anhaltspunkte auf der Grundlage der Gewinne des Verpächters in den letzten Jahren vor der Verpachtung geschätzt werden. Die Gewinne des Verpächters sind jedoch wie folgt zu berichtigen:
Abzuziehen ist der vereinbarte Pachtzins. Abzuziehen ist ferner ein angemessener Unternehmerlohn. Denn ein Unternehmer will einen Gewinn erzielen, der den kalkulatorischen Unternehmerlohn übersteigt (vgl. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1976 I R 215/73, BFHE 121, 402, und vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BFHE 120, 245, BStBl II 1977, 73).
Hinzuzurechnen sind alle Aufwendungen, die unter Berücksichtigung des Pachtvertrages nicht den Pächter, sondern den Verpächter treffen, vor allem AfA, einschließlich der Sonderabschreibungen, nach der Behauptung der Klägerin in der Revision auch Grundstücks- und Gebäudezinsen.
Zu Unrecht hat das FG einen Betrag für eine Erneuerungs- und Instandhaltungsverpflichtung der Klägerin abgezogen. Nach § 6 des Pachtvertrages trifft die Klägerin keine solche Verpflichtung, sondern nur die Pflicht zur sorgfältigen Behandlung der gepachteten Gegenstände.
Wenn es richtig ist, daß zu den gepachteten Gegenständen, wie die Klägerin vorträgt, auch ein Fabrikgebäude gehört, das erst Ende 1965 errichtet wurde, sind bei der Ermittlung der zu erwartenden Gewinne der Klägerin aus dem gepachteten Betrieb die Vermehrung der Erträge durch Nutzung des neuen Fabrikgebäudes hinzuzurechnen und andererseits die durch die Nutzung des Fabrikgebäudes verursachten Aufwendungen abzuziehen, soweit sie unter Berücksichtigung des Pachtvertrages die Klägerin treffen. Auf diese Weise - und nicht, wie die Klägerin will, durch Verminderung der vereinbarten Pachtzahlungen um den auf das neue Fabrikgebäude entfallenden Pachtzins - ist das neue Fabrikgebäude in die Rechnung einzubeziehen.
b) Ergibt eine nach diesen Grundsätzen durchgeführte Berechnung, daß der gepachtete Betrieb für die Klägerin einen Gewinn abwirft, der eine angemessene Verzinsung des eingezahlten Stammkapitals von 5 000 DM und eine Vergütung für das auf dem nichteingezahlten Stammkapital von 15 000 DM lastende Risiko erreicht oder übersteigt, fehlt es an einem ersten Anschein für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Der Betrag der angemessenen Verzinsung des eingezahlten Kapitals, den das FG mit 10 v. H. = 500 DM angenommen hat, und die Vergütung für das Risiko des nichteingezahlten Stamm apitals, die das FG mit 3 v. H. = 450 DM angesetzt hat, sind nicht, wie das FG verfahren ist, bei der Ermittlung der erwarteten Gewinne des gepachteten Betriebs anzusetzen. Die beiden Beträge sind vielmehr ein Maßstab dafür, ob sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mit dem erwarteten Gewinn aus dem gepachteten Betrieb zufriedengegeben hätte.
c) Die Renditeerwartungen des Verpächters können nunmehr in der Weise eine Rolle spielen, daß ein Pächter eine Schmälerung seines Gewinns durch Erhöhung des Pachtzinses hinnehmen wird, wenn sonst für den Verpächter keine Pachteinnahmen in zumutbarer Höhe verbleiben, der Pächter aber darauf angewiesen ist, den Betrieb zu pachten. Der Verpächter kann dabei eine Abschreibungsvergütung und eine angemessene Kapitalverzinsung erwarten (Knoppe, Pachtverhältnisse gewerblicher Betriebe im Steuerrecht, 4. Aufl., S. 193). Andererseits wird der Pächter in der Rechtsform einer GmbH bestrebt sein, durch Vereinbarung eines niedrigeren Pachtzinses seine eigenen Gewinnerwartungen über das Maß einer angemessenen Verzinsung des eingezahlten Stammkapitals und einer Vergütung für das Risiko des nichteingezahlten Stammkapitals hinaus zu steigern, solange dem Verpächter dabei immer noch Pachteinnahmen in angemessener Höhe verbleiben. Bei Gewinnen etwa in der Höhe, wie sie sich aus der Berechnung der Klägerin ergeben, bestünde allerdings keine Veranlassung, auf die Renditeerwartungen des Verpächters einzugehen.
2. Nach diesen Grundsätzen wird das FG erneut über die Sache verhandeln und entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 72408 |
BStBl II 1977, 679 |
BFHE 1978, 279 |