Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur erbschaftsteuerlichen Unbeachtlichkeit von Teilungsanordnungen i.S. von § 2048 BGB
Leitsatz (NV)
Die nach dem Erbfall unter den Miterben stattfindende Erbauseinandersetzung (vgl. §§ 2042 ff., 732 ff. BGB) ist für die Erbschaftsbesteuerung in der Regel ohne Bedeutung. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Erben den Nachlaß ,,frei", d.h. ohne insoweit an letztwillige Verfügungen des Erblassers gebunden zu sein, unter sich aufteilen, sondern auch für den Fall, daß die Miterben bei der Auseinandersetzung lediglich den verbindlichen Teilungsanordnungen des Erblassers Rechnung tragen (Anschluß an Senatsurteil vom 10. November 1982 II R 85-86/78, BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329).
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 2032 Abs. 1, §§ 2048, 2150
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist durch Erbvertrag Miterbin zu 1/2 ihrer verstorbenen Tante geworden. Die andere Hälfte des Nachlasses verteilt sich auf acht weitere Miterben zu gleichen Teilen.
Zum Nachlaß der Erblasserin gehörte u.a. das Wohngrundstück X-Str. in Y. Dieses Grundstück hat einen Einheitswert von 17500 DM; sein Verkehrswert entsprach etwa der Hälfte des gesamten Nachlaßwertes. Im Erbvertrag wurde angeordnet, daß der Klägerin das Grundstück zufallen und sie nicht berechtigt sein sollte, außer der Geltendmachung des Anspruchs auf das Wohngrundstück weitere Forderungen an den Nachlaß zu stellen. Entsprechend wurde bei der Erbauseinandersetzung verfahren.
In dem angefochtenen Bescheid ging das Finanzamt (FA) von einem Steuerwert des Erbanteils der Klägerin in Höhe von 115211 DM aus und setzte die Erbschaftsteuer auf 29172 DM fest. Im Einspruchsverfahren wurde die Steuer - aus nicht mehr strittigen Gründen - auf 26364 DM herabgesetzt.
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, die Erbschaftsteuer auf der Grundlage des Einheitswerts des ihr zugewiesenen Grundstücks festzusetzen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. a) Zutreffend hat das FG die zivilrechtliche Lage dahin gewürdigt, daß die Klägerin Miterbin der Erblasserin zu 1/2 geworden ist und daß die Regelung in § 4 des notariellen Erbvertrages, wonach der Klägerin das Grundstück X-Str. zufallen solle, eine Teilungsanordnung i.S. von § 2048 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und nicht etwa ein Vermächtnis (§ 2147 BGB) oder ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) darstellte. Entsprechend dem Wortlaut des Erbvertrages ist von einer Teilungsanordnung auszugehen; es ist nach den Feststellungen des FG kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß die Erblasserin und ihr Ehemann die Klägerin gegenüber den anderen Miterben begünstigen wollten. Eine Pflicht zum Wertausgleich besteht nicht, da der Wert des der Klägerin zugeteilten Grundstücks in etwa der Höhe des Werts ihrer Erbquote von 50 v.H. entsprach. Mithin führte die in § 4 des notariellen Erbvertrages vorgesehene, ausdrücklich als Teilungsanordnung bezeichnete Regelung nicht zu einer Verschiebung der Erbquoten; ein Vorausvermächtnis scheidet daher aus (zur Abgrenzung des Vorausvermächtnisses von der Teilungsanordnung vgl. z.B. Palandt/Edenhofer, Kommentarzum Bürgerlichen Gesetzbuch, 51. Aufl., § 2048 BGB Anm.4; Soergel/Manfred Wolf, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 2048 BGB Rdnr.6; Skibbe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 2150 BGB Rdnr.7).
Von dieser Zivilrechtslage sind offensichtlich auch die Beteiligten übereinstimmend ausgegangen.
b) Nicht zu folgen ist dem FG darin, daß die in Rede stehende Teilungsanordnung für die erbschaftsteuerliche Bemessung des Erbanteils der Klägerin maßgeblich sei.
Geht der Nachlaß auf eine Mehrheit von Erben über, so wird er nach bürgerlichem Recht gemeinschaftliches Eigentum (Gesamthandseigentum) der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Erbschaftsteuerrechtlich werden den Miterben die zum Nachlaß gehörenden Vermögensgegenstände gemäß § 3 Abs. 1 Nr.1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) anteilig als Erwerb von Todes wegen zugerechnet (vgl. z.B. Meincke/Michel, Erschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 3 Rdnr.16). Die nach dem Erbfall unter den Miterben stattfindende Erbauseinandersetzung (vgl. §§ 2042 ff., 752 ff. BGB) ist für die Erbschaftsbesteuerung in der Regel ohne Bedeutung. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Erben den Nachlaß ,,frei", d.h. ohne insoweit an letztwillige Verfügungen des Erblassers gebunden zu sein, unter sich aufteilen (vgl. z.B. Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 26. November 1936 IIIe A 66/36, RStBl 1937, 6, und vom 14. März 1940 IIIe 28/38, RStBl 1940, 417; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Juni 1960 II 254/57 U, BFHE 71, 266, BStBl III 1960, 348), sondern auch für den Fall, daß die Miterben bei der Auseinandersetzung lediglich den verbindlichen Teilungsanordnungen des Erblassers Rechnung tragen (vgl. Senatsurteil vom 10. November 1982 II R 85-86/78, BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329, unter ausdrücklicher Aufgabe des im Senatsurteil vom 16. März 1977 II R 11/69, BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640 eingenommenen gegenteiligen Standpunkts; so auch schon die beiläufigen Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 71, 266, BStBl III 1960, 348).
Der hier vorliegenden - reinen - Teilungsanordnung kommt lediglich eine schuldrechtliche Wirkung zu; sie berührt weder die Höhe der Erbteile noch den Wert der Beteiligung der einzelnen Miterben am Nachlaß (statt vieler vgl. z.B. Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2048 BGB, Rdnr.3 m.w.N.). Sie schafft daher weder ein ,,Erbrecht" noch einen dinglichen Anspruch des Miterben hinsichtlich der ihm durch die Teilungsanordnung zugewiesenen Vermögensgegenstände. Deshalb hat der erkennende Senat in BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329 die Auffassung vertreten, daß auch verbindliche Teilungsanordnungen des Erblassers für die Besteuerung des Erbanteils des einzelnen Miterben ohne Bedeutung seien. Er hat dies damit begründet, daß unter Erwerb i.S. von § 2 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1959 (vgl. nunmehr § 3 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1974) allein der durch Erbfolge eingetretene (dingliche) Vermögenszuwachs zu verstehen sei. Soweit ein Anspruch eines von mehreren Erben auf Übereignung von bestimmten Nachlaßgegenständen nicht auf einem (Voraus-) Vermächtnis beruhe, müsse erbschaftsteuer- rechtlich außer Betracht bleiben. Denn Steuertatbestand sei der Erwerb ,,durch Erbanfall" (§ 3 Abs. 1 Nr.1 ErbStG 1974) und nicht der Erwerb ,,aufgrund" eines Erbfalles, d.h. das Ergebnis der Abwicklung des Erbfalles.
Wie sich die Besteuerung des Erbanfalles beim Alleinerben notwendig auf den steuerlichen Wert der Erbschaft beschränke, könne auch bei der Besteuerung einer Mehrheit von Erben lediglich der Anteil des einzelnen Miterben an dem durch den Erbfall in das Gesamthandseigentum übergegangenen Nachlaß, bewertet mit seinem steuerlichen Wert, als Obergrenze angesetzt werden.
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Das Urteil in BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329 hat in der Literatur nicht zuletzt wegen der unangemessenen Ergebnisse, zu denen die frühere Rechtsprechung über die erbschaftsteuerrechtliche Beachtlichkeit verbindlicher Teilungsanordnungen (vgl. Urteil in BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640) geführt hatte, weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. z.B. Meincke/Michel, a.a.O., § 3 Rdnr.19 und 20 sowie § 10 Rdnr.46; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, Stand: Oktober 1991, § 3 Rdnr.51; Kapp, Kommentar zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, 10. Aufl., § 3 Rdnr.129.3; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Stand: 1. Januar 1991, § 3 Rdnr.29; Moench, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1985, 592). Die nur vereinzelt an dieser Rechtsprechung geübte Kritik (vgl. Flume, Der Betrieb - DB - 1983, 2271; Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Aufl., S. 487) vermag die vom Senat dargelegten Argumente gegen die erbschaftsteuerrechtliche Beachtlichkeit von Teilungsanordnungen nicht zu entkräften (vgl. auch Meincke/Michel, a.a.O., § 3 Rdnr.20). Fehl geht auch der Hinweis des FG, die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung von Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnissen sei schon deswegen nicht zu rechtfertigen, weil zwischen beiden Rechtsinstituten nur ein ,,Formulierungsunterschied" bestehe. Wie schon ausgeführt (vgl. II. 1. a), unterscheiden sich die beiden Institute grundlegend dadurch, daß das Vorausvermächtnis dem bedachten Miterben im Unterschied zur Teilungsanordnung, die auf die bloße Durchführung der Auseinandersetzung gerichtet ist, einen über seine Erbquote hinausgehenden Vermögensvorteil bringen soll (statt vieler vgl. Skibbe, a.a.O., § 2150 BGB Rdnr.5).
2. Die Entscheidung des FG beruht auf anderen Grundsätzen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418256 |
BFH/NV 1993, 100 |