Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines Änderungsbescheides während des Klageverfahrens
Leitsatz (NV)
Ändert das FA einen mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid während des gerichtlichen Verfahrens, in welchem der Kläger durch einen Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten ist, so ist seit dem 1. Januar 1993 der Änderungsbescheid dem Prozeßbevollmächtigten bekanntzugeben.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1, 5; FGO § 62 Abs. 1, 3, § 53 Abs. 1, §§ 68, 155; VwZG § 8 Abs. 4; ZPO § 81
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte mit seiner Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 weitere Werbungskosten sowie außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Kläger war im Klageverfahren durch Prozeßbevollmächtigte vertreten, die beim Finanzgericht (FG) eine Prozeßvollmacht eingereicht hatten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ während des Klageverfahrens einen geänderten Steuerbescheide für das Streitjahr. Darin wurde die Steuerfestsetzung der Höhe nach nicht geändert; sie wurde lediglich wegen verschiedener Positionen für vorläufig i.S. des § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erklärt. Der Bescheid enthielt die Erläuterung, daß er die mit der Klage angefochtene Steuerfestsetzung in Form der Einspruchsentscheidung ändere und der Kläger beim FG unter Berufung auf § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beantragen könne, diesen Bescheid zum Gegenstand des dort anhängigen Klageverfahrens zu machen.
Der geänderte Bescheid wurde ausschließlich dem Kläger persönlich bekanntgegeben. Der Kläger legte weder Einspruch ein noch stellte er einen Antrag nach § 68 FGO. Er beantragte mit der Klage, festzustellen, daß der geänderte Einkommensteuerbescheid 1989 unwirksam sei, und den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, daß die geltend gemachten Werbungskosten und außergewöhnlichen Belastungen steuermindernd berücksichtigt würden.
Das FG wies die Klage ab. Es vertrat die Ansicht, der Feststellungsantrag sei unbegründet, da der geänderte Einkommensteuerbescheid 1989 dem Kläger wirksam bekanntgegeben worden sei.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht angenommen, der während des Klageverfahrens erlassene Änderungsbescheid sei wirksam bekanntgegeben (§ 122 Abs. 1 AO 1977) und die mit dem unveränderten Klageantrag aufrechterhaltene Klage dadurch unzulässig geworden.
Der Senat hat mit dem zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits ergangenen Urteil VI R 98/93 vom heutigen Tage, BFHE 174, 208 entschieden, daß entgegen der Auffassung des FG die Finanzbehörde seit dem 1. Januar 1993 den Änderungsbescheid dem Prozeßbevollmächtigten bekanntzugeben hat, wenn sie einen mit der Klage angefochtenen Steuerbescheid während des gerichtlichen Verfahrens ändert, in welchem der Kläger durch einen Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten ist. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil, das den Prozeßbevollmächtigten mit gleicher Post zugestellt wird, Bezug genommen.
Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, daß ein wirksamer Änderungsbescheid bisher nicht ergangen und die Antragsfrist des § 68 Satz 2 FGO mithin nicht in Lauf gesetzt worden ist. Die Frage, ob eine Heilung der bislang unwirksamen Bekanntgabe eingetreten sein könnte, stellt sich im Streitfall nicht. Denn das FG hat nicht festgestellt, daß den Prozeßbevollmächtigten des Klägers der geänderte Steuerbescheid im Laufe des Klageverfahrens von anderer Seite, z.B. dem Kläger oder dem Gericht, zugeleitet worden ist.
Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Klage ist entgegen der Auffassung des FG weiterhin mit dem ursprünglichen Antrag zulässig. Die Sache ist aber nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über das Begehren des Klägers auf Änderung des ursprünglich erlassenen Einkommensteuerbescheides zu ermöglichen.
Fundstellen
Haufe-Index 419949 |
BFH/NV 1994, 769 |