Leitsatz (amtlich)
1. Für die bürgerlich-rechtliche Qualifikation einer Vertragsklausel ist der Rechtsfolgewille maßgebend, den die Beteiligten in dieser Klausel zum Ausdruck gebracht haben. Unerheblich ist dagegen die eigene Qualifikation der Beteiligten, sofern sie mit dem zum Ausdruck gebrachten Rechtsfolgewillen unvereinbar ist.
2. Das unter dem Ausdruck "Vertragsstrafe" Vereinbarte kann u. U. eine (vorweggenommene) Vereinbarung über eine Kaufpreisminderung sein.
Normenkette
GrEStG § 17 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin hat am 29. Mai 1962 eine Grundfläche in einem unbebauten vorstädtischen Umlegungsgebiet gekauft. Die beiden Verkäufer waren teils Miteigentümer der verkauften Fläche, teils stand ihnen ein Anspruch auf Übereignung zu, teils war sie ihnen schriftlich zugesagt. Die Klägerin versicherte in dem dem FA (Beklagten) mitgeteilten Vertrag, daß das erworbene Trennstück überwiegend der Schaffung steuerbegünstigter Wohnungen dienen werde. Die einzelnen Teilflächen wurden am 28. Juli 1964 und 26. September 1964 an die Klägerin aufgelassen. Am 16. Dezember 1964 hat die Klägerin das Grundstück veräußert.
Das FA, das die Klägerin zunächst gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a des niedersächsischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) unbesteuert gelassen hatte, hat sie daraufhin wegen Aufgabe des begünstigten Zwecks durch zwei (nach Veräußerern getrennte) Bescheide zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Einsprüche und Klagen hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revisionen der Klägerin greifen nur in einem Nebenpunkt durch.
Die Erwerbe der Klägerin unterlagen der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Ihre ursprüngliche Befreiung (§ 1 Nr. 1 Buchst. a des niedersächsischen GrESWG) war mit der Aufgabe des begünstigten Zwecks (§ 5 Satz 2 GrESWG) durch Weiterveräußerung entfallen. Der die Nachversteuerung ausschließende § 4 des niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 (GVBl 1962, 217) greift nicht ein, weil der begünstigte Zweck nicht "infolge der in einem Bebauungsplan enthaltenen rechtsverbindlichen Festsetzungen aufgegeben werden" mußte. Die Vorschrift kann auch nicht ihrem Rechtsgedanken nach entsprechend angewandt werden. Denn selbst wenn man den rechtsverbindlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans andere öffentlich-rechtliche Hindernisse gleichsetzen könnte (vgl. dagegen Beschluß des BFH II B 16/69 vom 13. Mai 1969, BFH 95, 350, BStBl II 1969, 405), wäre zumindest zu fordern, daß ein nach der ursprünglichen Rechtslage erreichbar erscheinender Zweck infolge nachträglich hinzutretender rechtlicher Hinderungsgründe aufgegeben werden muß. Hier bestanden die Hinderungsgründe aber bereits beim Erwerb des Grundstücks. Die Klägerin konnte zwar hoffen, daß diese fristgemäß (vgl. auch § 3 des o. a. niedersächsischen Gesetzes vom 29. Oktober 1962) beseitigt werden könnten; daraus rechtfertigte sich ihre vorläufige Befreiung. Durch Weiterveräußerung des Grundstücks hat die Klägerin dann aber den begünstigten Zweck freiwillig aufgegeben. Ursache dafür waren also nicht nachträglich aufgetretene objektive, dem Bereich des Baurechts zugehörende Hindernisse, sondern der subjektive Irrtum der Klägerin über den Zeitpunkt des bevorstehenden Wegfalls der Hinderungsgründe, die beim Erwerb bereits bestanden hatten. Solche Erwägungen werden aber nicht nur durch den Wortlaut, sondern auch durch den Rechtsgedanken des § 4 des o. a. niedersächsischen Gesetzes vom 29. Oktober 1962 nicht gestützt.
Begründet sind die Revisionen dagegen insoweit, als bei Ansatz der Besteuerungsgrundlage (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) nicht bei jedem der Bescheide gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ein Betrag von 1 000 DM abgerechnet wurde. Dabei handelt es sich darum, daß sich die Verkäufer zur Zahlung einer "Vertragsstrafe" von 2 000 DM verpflichtet hatten für den Fall, daß eine neu zu verlegende Straße nicht bis 31. Mai 1964 dem Verkehr übergeben sei. Ob diese "Vertragsstrafe" bezahlt worden ist, hat das FG dahingestellt gelassen, weil es der Überzeugung war, daß "die Vertragsparteien damit keine Kaufpreisminderung erstreben wollten"; dieser Vertragsstrafe sei vielmehr "als Entschädigung für die nicht rechtzeitige Erstellung und damit das Fehlen der Benutzungsmöglichkeit" der neuen Straße "selbständiger Charakter beizumessen".
Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden. Allerdings steht es im freien Belieben der Beteiligten, was sie vereinbaren wollen, und das Gericht hat grundsätzlich die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen so hinzunehmen, wie sie von den Beteiligten gewollt waren. Nur der Rechtsfolgewille der Beteiligten ist für das Gericht verbindlich, nicht aber die mehr oder minder geschickte rechtliche Qualifikation, welche die Beteiligten ihren Erklärungen gegeben haben (vgl. Urteil II 93/63 vom 14. November 1967, BFH 91, 130). Insoweit kann zwar unter Umständen, wenn eine Partei rechtskundig oder durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, angenommen werden, daß die von ihr verwendeten Rechtsausdrücke auch das besagen sollen, was sie in objektiver Erkenntnis des bürgerlichen Rechts bedeuten. Doch scheitert eine solche Betrachtung stets dann, wenn der verwendete Rechtsausdruck das eindeutig Vereinbarte in jedem Falle falsch qualifiziert.
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann die angebliche Vertragsstrafe nicht als solche, sondern nur als Vereinbarung eines Minderungsbetrages angesehen werden. Denn eine Vertragsstrafe wird für den Fall vereinbart, daß der Schuldner eine ihm obliegende Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt (§§ 339 ff., insbesondere § 339 Satz 1 BGB). Die Verkäufer waren nicht der Klägerin gegenüber verpflichtet, die Straße fertigzustellen (was übrigens vorweg schon zu einer anderen Besteuerungsgrundlage hätte führen müssen). Vielmehr sollte das Angrenzen des erworbenen Grundstücks an die neu zu bauende (zu verlegende) Straße für den "nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch" (§ 459 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine wesentliche Eigenschaft des Grundstücks sein. Denn die Verkäufer übernahmen zwar "keine Gewähr für die Bebauungsmöglichkeit des Grundstücks"; die Klägerin erklärte aber im Vertrage selbst ausdrücklich, "daß sie dieses Grundstück ausschließlich zum Zwecke der Bebauung erwirbt". Obwohl die Verkäufer im übrigen "keine Gewähr dafür übernehmen, daß die Planung ... über den neuen Verlauf der ... Straße innerhalb einer bestimmten Zeit durchgeführt wird", haben sie sich doch wenigstens auf eine Minderung von 2 000 DM eingelassen (womit § 460 BGB insoweit abbedungen wurde), während andererseits ein weitergehendes Minderungsverlangen der Klägerin aus diesem Grunde ausgeschlossen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 412938 |
BStBl II 1969, 689 |