Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung und Auflösung von Treuhandverhältnissen
Leitsatz (NV)
1. Beim Grundstückserwerb des Treuhänders erwirbt der Treugeber an dem Grundstück die Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG. Zwar erlangt er gleichzeitig gegen den Treuhänder einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstückes gemäß § 667 BGB; Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird dadurch aber nicht ausgelöst, weil die Vorschrift nur vertraglich geschaffene und nicht gesetzliche Grundstücksübereignungsansprüche erfaßt.
2. Übereignet der Treuhänder das Grundstück auf den Treugeber, so entsteht Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.
3. Die unter 2. genannte Steuer kann (nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) nur insoweit erhoben werden, als nicht bereits vorher die Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG festgesetzt worden ist (§ 1 Abs. 5 GrEStG). Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) ist der (gemäß § 670 BGB) zu ersetzende Kaufpreis nebst Auslagen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 2; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 1 Abs. 5, § 10 Abs. 1; BGB §§ 667, 670
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin schloß am 22. Dezember 1975 mit dem Gemeinnützigen Bauverein e. G (Bauverein) einen notariell beurkundeten Vertrag, wonach ihr der Bauverein mehrere ,,Baugrundstücke . . . an ausgebauten Straßen . . . verkaufte". Der ,,Kaufpreis" betrug gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages . . . DM. Nach § 3 Abs. 2 waren ,,mit dem Verkauf der Grundstücke . . . die in vorstehender Höhe des Kaufpreises von der Käuferin an den Verkäufer insgesamt gewährten Darlehen ausgeglichen, so daß der Kaufpreis damit als gezahlt anzusehen ist". Anschließend heißt es in § 4: ,,Soweit die Firma . . . (Klägerin) in der Vergangenheit für die Kaufgrundstücke Steuern oder Erschließungskosten gleich welcher Art gezahlt hat, bestehen keine gegenseitigen Ausgleichsansprüche mehr . . .". Die Auflassung der Grundstücke wurde erklärt (§ 6 des Vertrages).
Das Finanzamt (FA) setzte Grunderwerbsteuer fest. Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1970 (GrEStWoBauG). Sie wolle die Grundstücke ohne Gewinn an bauwillige Betriebsangehörige weiterveräußern. Außerdem verwies sie darauf, daß zwischen dem Bauverein und ihr (der Klägerin) ein Treuhandverhältnis bestehe. Sie habe den Kaufpreis für den ursprünglichen Erwerb durch den Bauverein getragen. Buchmäßig sei diese Zahlung als Darlehen an den Bauverein behandelt worden. Der Vertrag vom 22. Dezember 1975 habe nur noch den Sinn gehabt, ihr (der Klägerin) das Eigentum auch formell zu verschaffen. Eine Gegenleistung, von der Grunderwerbsteuer berechnet werden könnte, habe sie nicht mehr erbracht. Die Darlehensforderung sei mit dem hypothetischen (in Höhe der Darlehensforderung festgesetzten) Kaufpreis verrechnet worden. Nur so erkläre sich, daß formell ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei.
Das FA stellte daraufhin den Grundstückserwerb gemäß § 1 Nr. 2 Buchst. b GrEStWoBauG vorläufig von der Steuer frei und erteilte am 22. Oktober 1976 die Unbedenklichkeitsbescheinigung.
Am 6. April 1979 teilte die Klägerin dem FA auf dessen Anfrage mit, sie habe die erworbenen Grundstücke nicht an Betriebsangehörige weiterveräußert. Daraufhin setzte das FA mit Bescheid vom 5. März 1980 . . . DM Grunderwerbsteuer fest (einschließlich eines Zuschlages in Höhe von 30 v. H. = . . . DM gemäß § 3 Abs. 5 GrEStWoBauG), berechnet nach einer Gegenleistung von . . . DM.
Den Einspruch wies das FA zurück.
Der Klage gab das Finanzgericht (FG) nur teilweise statt; es setzte die Steuer herab. Die Steuerpflicht ergebe sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) i. V. m. § 3 GrEStWoBauG. Der Vertrag vom 22. Dezember 1975 sei nach seinem eindeutigen Wortlaut ein Grundstückskauf gewesen. Den steuerbegünstigten Zweck habe die Klägerin aufgegeben. Die Steuer sei von dem vereinbarten Kaufpreis zu berechnen. Der Zuschlag gemäß § 3 Abs. 5 GrEStWoBauG betrage jedoch nur 18 v. H. = . . . DM für die Zeit vom 22. Oktober 1976 (Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung) bis zum 6. April 1979 (Mitteilung der Klägerin an das FA, daß die Grundstücke nicht an Betriebsangehörige weiterveräußert worden seien). Die Steuer errechne sich daher auf . . . DM.
An dieser Steuerfestsetzung ändere sich auch dann nichts, wenn man dem Vortrag der Klägerin folge und in dem Vertrag vom 22. Dezember 1975 nur die Auflösung eines Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Bauverein sehe. Scheide mangels eines Kaufvertrages die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus, so unterliege die Auflassung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG der Steuer. Daß im Rahmen des Treuhandverhältnisses vorher die Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG die Verwertungsmöglichkeit über das Grundstück erhalten habe, sei nach § 1 Abs. 5 GrEStG unerheblich; denn der Erwerb dieser Verwertungsmöglichkeit sei nicht besteuert worden.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klagebegehren, nämlich die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Beurteilt man den Vertrag vom 22. Dezember 1975 nach seinem Wortlaut, so unterliegt er nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer.
Ob und unter welchen Voraussetzungen der vorgenannte Vertrag trotz des eindeutigen Wortlautes nicht als Kaufvertrag, sondern als Auflösung eines Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Bauverein anzusehen wäre, mag offenbleiben. Denn auch in diesem Fall wäre die vom FA geltend gemachte Steuerforderung gerechtfertigt.
Erwarb der Bauverein die Grundstücke als Treuhänder der Klägerin, dann hatte diese bereits mit dem Erwerb der Grundstücke durch den Bauverein gegen diesen einen Anspruch auf Übereignung der Grundstücke nach § 667 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); eine Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wäre damit zwar nicht verbunden gewesen; denn diese Vorschrift meint nicht (z. B. nach § 667 BGB) gesetzlich entstandene, sondern nur vertraglich geschaffene Grundstücksübereignungsansprüche (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12, unter 2. der Gründe). Wohl aber entstand die hier streitige Steuer dann gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG mit der Auflassung, welche ebenfalls (unter § 6) in der notariell beurkundeten Erklärung vom 22. Dezember 1975 enthalten und als einheitlicher Lebenssachverhalt mit von der Besteuerung des FA erfaßt worden war.
Auch die Klägerin bestreitet die Steuerpflicht des Vertrages (nebst Auflassung) vom 22. Dezember 1975 nicht, wobei nach ihrer Auffassung offenbleiben kann, ob Nr. 1 oder Nr. 2 des § 1 Abs. 1 GrEStG als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Sie meint aber, die Steuer sei ,,von einer Bemessungsgrundlage von DM 0 zu erheben und würde ihrerseits DM 0 betragen". Denn bereits mit der Begründung des Treuhandverhältnisses sei Steuerpflicht aus § 1 Abs. 2 GrEStG entstanden und schon hier seien Bemessungsgrundlage der Steuer die . . . DM gewesen, die sie dem Bauverein als Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB - d. h. als Gegenleistung - habe zahlen müssen. Dieselbe Zahlung könne nicht noch einmal für einen späteren Rechtsvorgang, nämlich die Auflassung, grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung sein.
Dieser Einwand ist unbegründet.
Zwar erwirbt ein Treugeber an dem durch den Treuhänder gekauften Grundstück die Verwertungsmöglichkeit i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG. Steuerbemessungsgrundlage ist der (gemäß § 670 BGB) zu ersetzende Kaufpreis nebst Auslagen (BFH-Urteil vom 24. November 1970 II R 76/65, BFHE 101, 309, BStBl II 1971, 309). Insoweit trifft die Auffassung der Klägerin zu. Jedoch sind diese Beträge (Kaufpreis nebst Auslagen) für die Herausgabe des Grundstücks (gemäß § 667 BGB) zu zahlen, und zu dieser ,,Herausgabe" gehört nicht nur die Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern auch die Übereignung des Grundstückes auf den Treugeber. Unstreitig ist beim Erwerb der (in dem Vertrag vom 22. Dezember 1975 genannten) Grundstücke durch den Bauverein von der Klägerin keine Steuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG erhoben und daher i. S. des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG ,,berechnet" worden.
War aber für den vorausgegangenen Rechtsvorgang Grunderwerbsteuer nicht erhoben worden, so kann die Vorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG nicht wirksam werden. Vielmehr ist für den hier zu beurteilenden späteren Rechtsvorgang vom 22. Dezember 1975 Grunderwerbsteuer zu erheben und die Steuer festzusetzen nach dem Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG), nämlich nach der Höhe des Erstattungsbetrages von . . . DM (samt dem Zuschlag), auf . . . DM.
Fehler in der Berechnung der Steuer durch das FG zum Nachteil des Klägers sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 414846 |
BFH/NV 1988, 390 |