Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleich von Tierzucht- und Tierhaltungsverlusten bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten; Wiedereinsetzung bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung des einen Ehegatten mit Gewinnen des anderen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung ausgeglichen und von solchen Gewinnen auch abgezogen.
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, wenn der Prozeßbevollmächtigte bei Fristablauf am Osterdienstag eine zuverlässige Büroangestellte damit beauftragt hat, die Begründungsschrift am Gründonnerstag zur Post zu geben, dies tatsächlich aber erst am Karsamstag geschieht.
Normenkette
FGO §§ 56, 120; EStG 1971 § 2a; EStG 1975 § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Im Streitjahr 1973 erzielte der Kläger aus seiner Beteiligung an einer Personengesellschaft einen Gewinn aus gewerblicher Tierhaltung. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1973 wurde dieser Gewinn um Verluste aus gewerblicher Tierhaltung gekürzt, die der Kläger im Veranlagungszeitraum 1971 erzielt hatte. Von dem verbleibenden Betrag zogen die Kläger Verluste aus gewerblicher Tierhaltung ab, die die Klägerin teilweise im Streitjahr, teilweise in den Veranlagungszeiträumen 1971 und 1972 erzielt hat. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte diesen Abzug ab und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend fest. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.
Dagegen richtet sich die vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision, mit der Verletzung der §§ 2 a, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird.
Die Frist zur Begründung der Revision ist nach Verlängerung durch den Vorsitzenden des damals zuständigen X. Senats am 21. April 1987 abgelaufen. Die Revisionsbegründung ist danach, nämlich am 22. April 1987, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Hierauf sind die Kläger durch Verfügung des Gerichts vom 28. April 1987, zugestellt am 5. Mai 1987, hingewiesen worden. Mit dem am 15. Mai 1987 beim BFH eingegangenen Schriftsatz vom 13. Mai 1987 haben die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen: Der Prozeßbevollmächtigte habe die Revisionsbegründungsschrift am 16. April 1987 abschließend gefertigt. Da die Post von X aus nur abends befördert werde, habe er seine Büroangestellte, Frau A, an diesem Tage gegen 9.30 beauftragt, den Brief zum Postamt in Y zu bringen. Der Brief sei sodann im Pkw der Frau A liegengeblieben, was diese nicht bemerkt habe, weil sie noch weitere Post mitgenommen habe. Frau A habe das Versehen erst am Karsamstag (18. April 1987) bemerkt und das Schreiben sodann beim Postamt in Y eingeworfen. Diesen Sachvortrag hat Frau A durch eidesstattliche Versicherung bestätigt. Der Briefumschlag, in dem die Revisionsbegründungsschrift versandt worden ist, ist ausweislich des Poststempels am 20. April 1987 um 11 Uhr beim Postamt Y abgestempelt worden. Der Vorsteher des Postamts hat folgende amtliche Auskunft erteilt: Der Briefkasten des Postamtes sei am 18. April 1987 um 11.30 Uhr, 13.45 Uhr, 15.30 Uhr, 18.30 Uhr und 22.30 Uhr geleert worden, wobei die Briefsendungen der ersten drei Kastenleerungen noch am selben Tag bearbeitet worden seien. Die Briefsendungen aus den Abendleerungen seien wegen das Doppelfeiertages erst am 20. April 1987 bearbeitet worden. Die am 20. April 1987 bis 11 Uhr beim Postamt 5 abgestempelte Briefsendung hätte am 21. April 1987 in München zugestellt werden müssen.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr 1973 auf . . . DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung nimmt es auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.
Während des Revisionsverfahrens ist der Einkommensteuerbescheid 1973 durch Bescheid vom 5. Juli 1988 geändert worden. Die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Streitverfahrens werden durch den Änderungsbescheid jedoch nicht berührt. Auf Antrag des Klägers ist der Änderungsbescheid Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (§§ 68, 121 FGO). Die Kläger beantragen nunmehr, die Einkommensteuer 1973 auf . . . DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
1. Die Revisionsbegründung ist erst am 22. April 1987 beim BFH und somit verspätet eingegangen, da die Begründungsfrist nur bis zum 21. April 1987 verlängert war (vgl. § 120 Abs. 1 FGO). Den Klägern war jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner langjährigen und zuverlässigen Angestellten glaubhaft gemacht, daß diese den Brief mit der Revisionsbegründung am 18. April 1987 zur Beförderung nach Y und zum Einwurf in den Briefkasten des Postamtes in Y mit dem ausdrücklichen Hinweis übergeben habe, es handele sich um einen eiligen Brief, der am 21. April 1987 beim BFH in München eingehen müsse; aus diesem Grunde solle die Sendung nicht in X, von wo aus die Post nur abends befördert wird, sondern beim Postamt in Y aufgegeben werden. Bei dieser Sachlage war für den Prozeßbevollmächtigten nicht vorhersehbar, daß die Angestellte zwar andere ihr mitgegebene Post, nicht aber den Brief, wegen dessen Beförderung nach München eigens die Fahrt erfolgte, noch am 18. April 1987 in Y in den Postbriefkasten einwerfen würde. Aus der vom Vorsteher des Postamtes erteilten Auskunft geht im übrigen hervor, daß bei normalem Postlauf die in Y am 20. April 1987 bis 11 Uhr abgestempelte Sendung beim BFH noch am 21. April 1987, also rechtzeitig, eingegangen wäre. Im Schrifttum wird unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. April 1975 VII ZB 5/75 (Versicherungsrecht - VersR - 1975, 811), wonach Wiedereinsetzung nicht zu gewähren ist, wenn eine Sendung am 24. Dezember eingeworfen wird und die Frist am 27. Dezember abläuft, die Auffassung vertreten, dasselbe müsse bei Einwurf am Ostersamstag und Fristablauf am Osterdienstag gelten (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 56 Anm. 24). Der Senat läßt offen, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte. Im Streitfall ist die Sendung zwar tatsächlich erst am Karsamstag in den Postbriefkasten in Y geworfen worden. Der Prozeßbevollmächtigte hatte jedoch von sich aus alles getan, um sicherzustellen, daß die Sendung noch am Donnerstag, dem 18. April 1987, bei der Post in Y aufgegeben wurde. Daß es dazu nicht gekommen ist, war für ihn nicht voraussehbar, zumal er der Angestellten ausdrücklich erklärt hatte, daß und aus welchem Grunde die Sendung noch am 18. April 1987 in Y abgesandt werden müsse.
2. Die Revision ist auch begründet, da das FG zu Unrecht die Verrechnung des Gewinns des Klägers aus gewerblicher Tierhaltung mit Verlusten der Klägerin aus gewerblicher Tierhaltung abgelehnt hat. Mit dem Urteil IV R 116/87 vom heutigen Tage (BFHE 157, 202, BStBl II 1989, 787) hat der Senat zu § 15 Abs. 2 EStG 1975 und 1977 entschieden, daß bei zusammenveranlagten Ehegatten Verluste des einen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht und gewerblicher Tierhaltung mit Gewinnen des anderen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten ausgeglichen und daß solche Verluste, soweit ein Ausgleich im Verlustentstehungsjahr nicht möglich ist, nach Maßgabe des § 10 d EStG von in anderen Veranlagungszeiträumen erzielten Tierzucht- und Tierhaltungsgewinnen des anderen Ehegatten nach Maßgabe des § 10 d EStG abgezogen werden. Zur näheren Begründung wird auf das Urteil IV R 116/87 verwiesen. Für den im Streitjahr geltenden § 2 a EStG i. d. F. des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1971 vom 10. August 1971 (BGBl I, 1266, BStBl I, 373) gilt nichts anderes. Die Regelung des § 2 a EStG entspricht inhaltlich und im wesentlichen auch wörtlich derjenigen in § 15 Abs. 2 EStG 1975/77. Die Streichung des § 2 a EStG und die Übernahme seines Regelungsgehalts nach § 15 EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) erfolgte aus systematischen Gründen, weil § 2 a EStG nicht mehr unter die neue Überschrift vor § 2 EStG: ,,Sachliche Voraussetzungen für die Besteuerung" paßte (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestages in BTDrucks 7/2180, 16). Der sachliche und persönliche Geltungsbereich der Verlustausgleichsbeschränkung in § 2 a EStG 1971 entspricht daher dem des § 15 Abs. 2 EStG 1975/77.
3. Danach war das FG-Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Urteil des FG enthält keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen über die Höhe der nach der Entscheidung des Senats ausgleichs- bzw. abzugsfähigen Verluste und der übrigen Besteuerungsgrundlagen, so daß dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich ist. Die Sache muß deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 416523 |
BFH/NV 1990, 231 |