Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bewertung einer Äußerung des FA als Abrechnungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Eine Äußerung des FA ist ein Abrechnungsbescheid i. S. des § 218 Abs. 2 AO 1977, wenn nach dem für den Adressaten objektiv erkennbaren Erklärungswert in ihr mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten eine Streitigkeit i. S. der genannten Vorschrift entschieden wird.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an die andere Wertung dieser Erklärung durch das Tatsachengericht gebunden.
3. Die Bindung von BFH und FG an eine Entscheidung in einem früheren Rechtsgang entfällt nicht schon deswegen, weil es sich nicht um ein Urteil, sondern einen Beschluß handelte. Die Bindung greift aber u. a. dann nicht ein, wenn nach der Zurückverweisung eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten ist oder im zweiten oder folgenden Rechtsgang ein anderer Sachverhalt zutage tritt.
4. Wird vor Entscheidung über den Einspruch Klage erhoben, so wächst diese mit der nachträglichen Einspruchsentscheidung in die Zulässigkeit hinein.
Normenkette
AO 1977 § 118 Abs. 1, § 218 Abs. 2; FGO § 44 Abs. 1, § 126 Abs. 5
Tatbestand
Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer Bank. Diese pfändete mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts X angebliche Umsatzsteuerguthaben einer KG gegen den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -). Das FA erkannte die gepfändete Forderung mit der Begründung nicht an, daß keine Umsatzsteuerguthaben mehr bestünden (Schreiben vom Mai). Mit Schreiben . . . bestritt die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Richtigkeit dieser Erklärung und verlangte die Auszahlung des gepfändeten Guthabens. Mit Schreiben . . . (vom Juli) erbat sie die ,,Abrechnung über das gepfändete Konto". Das FA erwiderte, daß die Abtretung wirksam erfolgt sei; das Guthaben der KG vor der Umbuchung bezifferte es mit . . . DM. Mit ,,Einspruchsentscheidung über den Einspruch . . . gegen den Ablehnungsbescheid i. S. Pfändung von Umsatzsteuerguthaben" bestätigte das FA seine Ablehnung.
Am . . . erhob die Klägerin beim Finanzgericht (FG) Klage mit dem Antrag, den ,,Bescheid" des FA . . . (Schreiben vom Mai) der Fassung der ,,Einspruchsentscheidung", hilfsweise, den ,,Bescheid" . . . (Schreiben vom Juli) dahin zu ändern, daß festgestellt werde, daß der von ihr gepfändete Steuererstattungsanspruch der KG bestehe und der Klägerin aufgrund der Pfändung zustehe; außerdem beantragte sie, das FA zur Zahlung von . . . DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das FG entschied, daß die Klage als Einspruch zu behandeln sei; die Klage richte sich gegen die Rechtmäßigkeit des im Schreiben des FA vom Juli liegenden Verwaltungsaktes i. S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und das FA habe der Klageerhebung ohne Vorverfahren nicht innerhalb Monatsfrist zugestimmt (§ 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beschwerde der Klägerin gab der Senat statt. Er hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück mit der Begründung, zwischen der Klägerin und dem FA bestünden nur zivilprozessuale Beziehungen und das Schreiben des FA vom Juli sei kein Abrechnungsbescheid.
Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage mit der Begründung ab, der Finanzrechtsweg sei nicht gegeben, da die Pfändung allein den zivilprozessualen Regelungen der §§ 829 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterworfen sei. Auf die Revision der Klägerin hob der Senat diese Entscheidung auf und verwies die Sache erneut an das FG zurück mit der Begründung, es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit, da die Klägerin den Anspruch der KG auf Rückzahlung überzahlter Umsatzsteuer geltend mache und dieser Anspruch seinen öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch verloren habe, daß die Klägerin durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts zur Einziehung der Forderung befugt worden sei.
Im dritten Rechtsgang beantragte die Klägerin, das FA zu verurteilen,
I. Auskunft zu erteilen, welche Umsatzsteuerzahlungen die KG für die Jahre . . . geleistet habe sowie in welcher Höhe für sie in diesem Zeitraum Guthaben entstanden und wie diese Guthaben bis zum . . . verwendet worden seien;
II. das sich nach Erledigung von Antrag I ergebende Umsatzsteuerguthaben der KG, mindestens jedoch . . . DM zuzüglich Zinsen an sie zu zahlen;
III. hilfsweise:
1. Der Bescheid des FA . . . (Schreiben vom Mai) und/oder . . . (Schreiben vom Juli) werden aufgehoben;
2. das beklagte FA wird verurteilt, gemäß vorstehend I. und II. zu leisten, hilfsweise hierzu, einen Abrechnungsbescheid über das Umsatzsteuerguthaben der KG zu erlassen und darin die Ausführungen, die im Antrag I. verlangt werden, zu tätigen.
Das FG wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Die Leistungsklage sei unbegründet. Das FA müsse erst durch Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO 1977 darüber entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der geltend gemachte Anspruch noch bestehe. An einer Streitigkeit wegen der Verwirklichung eines Erstattungsanspruches fehle es nicht deshalb, weil die Klägerin die Zahlung aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geltend mache; die Pfändung und Überweisung führe nicht zu einer Änderung des Schuldverhältnisses. Ein Abrechnungsbescheid sei vom FA bisher nicht erteilt worden. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluß im ersten Rechtsgang entschieden. Insoweit seien die Gründe dieses Beschlusses tragend und das FG nach § 126 Abs. 5 FGO daran gebunden. Auch die Hilfsanträge hätten keinen Erfolg, weil es sich bei den Schreiben des FA vom Mai und Juli um keine Verwaltungsakte gehandelt habe, wie der BFH für das FG bindend entschieden habe. Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage könne keinen Erfolg haben, weil es an einem Bescheid des FA über die Ablehnung des Erlasses eines Abrechnungsbescheides fehle.
Die Klägerin begründet ihre Revision im wesentlichen wie folgt:
Ein Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO 1977 sei nicht notwendig gewesen. Der BFH habe die Leistungsklage ausdrücklich für zulässig gehalten. Davon hätte das FG nicht abweichen dürfen. Wenn man keine entsprechende Bindung annehmen wolle, müsse jedenfalls für den Pfändungsgläubiger die Verweisung auf ein Erstattungsverfahren in Frage gestellt werden. Dem Pfändungsgläubiger müßten selbständige Möglichkeiten der Realisierung der gepfändeten Forderung eingeräumt sein. Entgegen der Auffassung des FG habe der erkennende Senat auch keineswegs festgelegt, daß die Entscheidung über die Auszahlung von gepfändeten Steuererstattungsansprüchen durch das FA im Wege eines Bescheides nach § 218 Abs. 2 AO 1977 getroffen werden müsse. Allerdings könne die Rechtsfrage, ob das zutreffe, hier deswegen dahingestellt bleiben, weil aufgrund der Bindungswirkung der früheren BFH-Entscheidungen der vorliegende Fall unabhängig von dieser allgemeinen Rechtsfrage zu entscheiden sei.
Selbst wenn ein Erstattungsverfahren hätte stattfinden müssen, wäre davon auszugehen, daß es tatsächlich auch stattgefunden habe. Das FG handle widersprüchlich, wenn es einerseits den bisher ergangenen BFH-Entscheidungen die Bindungswirkung nicht beimessen wolle, andererseits diesen Entscheidungen aber doch eine Bindungswirkung beimesse hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit bisher ein Erstattungsverfahren i. S. von § 218 AO 1977 tatsächlich durchgeführt worden sei. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, daß die Unzulässigkeit der Leistungsklage ohne vorausgegangenes Erstattungsverfahren doch nur verhindern solle, daß in Abgabenangelegenheiten das Verwaltungsverfahren umgangen werde. Im vorliegenden Fall könne von einer solchen Umgehung schon deswegen nicht die Rede sein, weil das FA eine Einspruchsentscheidung erlassen habe. Das Klageverfahren sei daher in die Zulässigkeit hineingewachsen (BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521). Unabhängig von dieser Einspruchsentscheidung seien jedoch die Voraussetzungen des § 218 Abs. 2 AO 1977 erfüllt. Das FA habe eindeutig und unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß es ihrem, der Klägerin, Wunsch auf Auszahlung und Abrechnung nicht entsprechen wolle.
Der Rechtsstreit sei entscheidungsreif. Das gelte mit Sicherheit hinsichtlich der begehrten Auskunft, da keinerlei Gesichtspunkte erkennbar seien, die es rechtfertigen, daß das FA diese Auskünfte länger verweigere. Das gelte aber auch hinsichtlich des bezifferten Klagebetrages. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß ein Erstattungsanspruch in der bezifferten Höhe für den ursprünglichen Steuererstattungsgläubiger, dessen Forderung gepfändet worden sei, bestanden habe. Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Pfändung habe das FA nicht erhoben und bestünden auch nicht. Das FA wolle seine angebliche, ohnehin unzulässige oder jedenfalls nicht wirksam durchgeführte Verrechnung zeitlich nach der Pfändung durchgeführt haben. Selbst wenn dies noch möglich gewesen wäre, hätte das FA die Voraussetzungen für eine zulässige Verrechnung nicht vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt.
Das FA macht geltend: Das FG habe zu Recht festgestellt, daß ein Abrechnungsbescheid fehle. Sein Schreiben vom Juli sei kein Abrechnungsbescheid. Die AO 1977 sehe auch keinen Verzicht auf das Verwaltungsverfahren vor. Von der Entbehrlichkeit eines Abrechnungsbescheides habe die Klägerin nicht mehr ausgehen dürfen, zumal der BFH seine frühere Rechtsauffassung über den zutreffenden Rechtsweg geändert habe. Das FG habe sich nicht über die Bindungswirkungen von BFH-Entscheidungen hinweggesetzt. Der BFH habe seine Auffassung, daß zwischen Klägerin und FA nur zivilprozessuale Beziehungen bestünden, ausdrücklich aufgegeben. Diese Änderung der Rechtsprechung sei für das FG in seinem weiteren Urteil im dritten Rechtsgang verbindlich gewesen und sei auch ausdrücklich beachtet worden. Die Klägerin könne sich wegen des Wandels der Rechtsprechung nicht darauf berufen, daß das FG sich sogar noch nach Ergehen des Urteils im zweiten Rechtsgang an den BFH-Beschluß im ersten Rechtsgang hätte halten müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur neuerlichen Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hat zu Unrecht entschieden, es liege kein Abrechnungsbescheid des FA vor.
1. Der rechtliche Ausgangspunkt des FG ist zwar nicht zu beanstanden.
a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Vorschriften der AO 1977 anzuwenden sind. Zwar ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß im Jahre 1976 erlassen worden. Das Verfahren war aber am 1. Januar 1977 noch bei der Verwaltung anhängig. Es ist daher gemäß Art. 97 § 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) nach den Vorschriften der AO 1977 zu Ende zu führen, da es an entgegengesetzten Vorschriften fehlt (vgl. auch Senatsurteil vom 26. November 1985 VII R 148/81, BFH/NV 1986, 134, 135).
b) Streitig ist, ob die Klägerin die Auszahlung eines bestimmten Umsatzsteuerguthabens des Vollstreckungsschuldners, der KG, zu Recht vom FA fordert. Die Klägerin macht einen öffentlich-rechtlichen Vergütungs- oder Erstattungsanspruch i. S. des § 37 AO 1977 geltend (vgl. auch Senatsurteile in BFHE 150, 396, BStBl II 1987, 863, und BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802). Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß das FA über diese Streitigkeit durch Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO 1977 (Abrechnungsbescheid) entscheiden kann (BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802) und auf Antrag des Betroffenen in Fällen wie dem vorliegenden auch entscheiden muß (BFHE 147, 1, 3, BStBl II 1986, 702).
2. Entgegen der Ansicht des FG in der Vorentscheidung hat das FA im vorliegenden Fall einen Abrechnungsbescheid erlassen. Sein Schreiben vom Juli ist als solcher anzusehen.
a) Ob eine bestimmte Äußerung des FA als ein Abrechnungsbescheid anzusehen ist, ist eine Frage der Auslegung. Bei dieser kommt es darauf an, ob die Äußerung des FA als eine Entscheidung über eine Streitigkeit i. S. des § 218 Abs. 2 AO 1977 anzusehen ist, ob das FA also in ihr nach dem für den Adressaten objektiv erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten rechtsfeststellend diese Streitigkeit entschieden hat (vgl. auch § 118 Abs. 1 AO 1977). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist ein Abrechnungsbescheid auch dann gegeben, wenn das FA die Äußerung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO 1977 bezeichnet hat.
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Schreiben des FA an die Rechtsvorgängerin der Klägerin vom Juli als Abrechnungsbescheid zu werten. Diesem Schreiben vorausgegangen ist ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten über die Berechtigung der Forderung der Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das FA wies diese Forderung mit Schreiben . . . mit dem Hinweis zurück, das von der Klägerin geltend gemachte Umsatzsteuerguthaben der KG sei nach Abtretung an die GmbH ,,umgebucht" worden. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin bat schließlich mit Schreiben . . . unter Hinweis darauf, sie wolle den Finanzrechtsweg beschreiten, um ,,Abrechnung über das gepfändete Konto". Dieses Schreiben muß als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides angesehen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Oktober 1972 VI R 310/68, BFHE 107, 272, 274, BStBl II 1973, 89). Unter diesen Umständen kann das Antwortschreiben vom Juli nur dahin gewertet werden, daß das FA den Streit zwischen ihm und der Klägerin mit feststellender Wirkung für die Beteiligten endgültig hatte entscheiden wollen. Denn in dem Schreiben lehnte das FA die Erstattung an die Klägerin wiederum mit einer ausführlichen Begründung unter Bezifferung der Höhe des ursprünglichen Guthabens der KG und unter Hinweis auf Abtretung und Umbuchung an die GmbH ab. Dieser Bescheid erfüllt die Voraussetzungen, die an den Inhalt eines Verwaltungsakts zu stellen sind, trotz des Umstandes, daß das FA ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt hat. Bestätigt wird das dadurch, daß das FA in der Einspruchsentscheidung sein Schreiben vom Juli ausdrücklich als Ablehnungsbescheid bezeichnet hat. Daran ändert die Tatsache nichts, daß in der Einspruchsentscheidung das FA für den Fall des Erfolges der Beschwerde der Klägerin im ersten Rechtsgang die Einspruchsentscheidung ausdrücklich als ablehnende wiederholende Verfügung bezeichnete. Vielmehr belegt auch dieser Umstand die Richtigkeit der Annahme, daß das FA mit seinem Schreiben vom Juli eine Entscheidung über den (angeblichen) Anspruch der Klägerin auf Erstattung hatte treffen wollen.
3. Der Senat ist an der Entscheidung, daß ein Abrechnungsbescheid des FA vorliegt, nicht dadurch gehindert, daß diese Frage von ihm im ersten Rechtsgang und vom FG - unter Berufung auf diese Entscheidung - im dritten Rechtsgang anders beurteilt worden ist.
a) Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an die andere Wertung dieser Erklärung durch das Tatsachengericht gebunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Tat-, sondern eine Rechtsfrage (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 18, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
b) Das FG hatte im zweiten und dritten Rechtsgang seinen Entscheidungen jeweils grundsätzlich die rechtliche Beurteilung des Senats in seinen Entscheidungen im ersten und zweiten Rechtsgang zugrunde zu legen (§ 126 Abs. 5 FGO). Eine entsprechende Bindung ergibt sich auch für den Senat selbst (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., § 126 Anm. 24, mit Hinweisen). Diese Bindung entfällt für die Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang nicht etwa schon deswegen, weil es sich bei ihr nicht um ein Urteil, sondern um einen Beschluß handelte (vgl. auch BFH-Urteil vom 28. Oktober 1975 VIII R 103/72, BFHE 117, 415, 417, BStBl II 1976, 216). Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung des BFH und der anderen obersten Gerichtshöfe, daß diese Bindung u. a. dann nicht eingreift, wenn nach der Zurückverweisung eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eintritt oder im zweiten Rechtsgang (oder in den folgenden Rechtsgängen) ein anderer Sachverhalt zutage tritt (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206, 209 f.; BFH-Beschluß vom 11. Juni 1987 VIII B 16/87, BFH/NV 1987, 803, 804, mit Hinweisen; Senatsurteil vom 8. November 1983 VII R 141/82, BFHE 140, 11, 13, BStBl II 1984, 317, mit Hinweisen; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. April 1977 1 BvR 1023/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1977, 450).
Im vorliegenden Fall ist die Bindung an die Senatsentscheidung im ersten Rechtsgang bereits deswegen entfallen, weil sich ein anderer Sachverhalt nachträglich ergeben hat. Dem Senat war bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang die Einspruchsentscheidung des FA nicht bekannt. Aus der Tatsache dieser Entscheidung ergibt sich aber ein wesentliches Auslegungskriterium für das Vorliegen eines Abrechnungsbescheides.
Darüber hinaus greift die Bindung an die Entscheidung im ersten Rechtsgang auch deswegen nicht ein, weil der Senat seine der Entscheidung im ersten Rechtsgang zugrunde liegende Auffassung inzwischen in einer nicht im vorliegenden Verfahren ergangenen Entscheidung geändert hat. Der Senat hat seine Entscheidung, ein Abrechnungsbescheid liege nicht vor, im Beschluß . . . damit begründet, daß es keinen Streit über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gebe, da die Klägerin ihren Anspruch auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts stütze; dieser begründe kein Steuerschuldverhältnis zwischen ihr und dem FA. Von dieser Auffassung ist der Senat in seinem Urteil in BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802 ausdrücklich abgewichen. Er hat dort entschieden, daß Pfändung und Überweisung die Natur der gepfändeten Forderung nicht verändert haben und der Senat an seiner Auffassung im Beschluß . . . zwischen FA als Drittschuldner und Vollstreckungsgläubiger bestünden nur zivilprozessuale Beziehungen, nicht festhält. Das gleiche hat der Senat in seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang zum Ausdruck gebracht.
4. Da das FG zu Unrecht vom Weiterbestehen seiner Bindung an die genannte Auffassung des Senats im ersten Rechtsgang ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Anders wäre es, wenn sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erwiese. Das ist aber nicht der Fall. Der Klage fehlt nicht etwa die Voraussetzung des § 44 Abs. 1 FGO. Der Abrechnungsbescheid ist inzwischen Gegenstand der Einspruchsentscheidung des FA geworden. Damit ist die vorher erhobene Klage in die Zulässigkeit hineingewachsen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521, mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung). Daran ändert der Umstand nichts, daß diese Einspruchsentscheidung Gegenstand eines anderen Verfahrens vor dem FG geworden ist, das, nachdem die Klägerin und das FA insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt hatten, durch eine isolierte Kostenentscheidung nach § 138 FGO erledigt worden ist. Das hindert nicht, die tatsächliche Voraussetzung des § 44 Abs. 1 FGO (außergerichtlicher Rechtsbehelf erfolglos) als gegeben zu erachten. Das gleiche gilt hinsichtlich der Bemerkung des FA in der Einspruchsentscheidung, für den Fall des Erfolges der Beschwerde der Klägerin im ersten Rechtsgang sei die Einspruchsentscheidung als ,,wiederholende Verfügung bzw. Stellungnahme" des FA aufzufassen. Durch eine solche Bemerkung kann dieser Entscheidung nicht die Qualität einer Rechtsbehelfsentscheidung i. S. des § 44 Abs. 1 FGO genommen werden.
Die Sache ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht spruchreif. Die drei Vorentscheidungen des FG enthalten keine Feststellungen zur tatsächlichen Grundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Der Senat ist daher als Revisionsgericht auch nach einer (sachdienlichen; vgl. § 67 Abs. 1 FGO) Umstellung der Klageanträge der Klägerin von einer Leistungsklage in eine Anfechtungsklage zu einer Entscheidung nicht in der Lage. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417281 |
BFH/NV 1991, 568 |
BFH/NV 1991, 569 |