Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen; entgeltliche Vermögensübertragung
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, von welchen Vorstellungen die Vertragsbeteiligten bei Begründung und Bemessung des Rentenverhältnisses ausgegangen sind, liegt auf tatsächlichem Gebiet.
2. Ist vereinbart, daß bei einer Veränderung des Lebenshaltungskostenindexes die Vertragsschließenden Neuverhandlungen verlangen können, wobei neben der Änderung der Lebenshaltungskosten auch die Einkommens- und Bedarfsverhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen sind, sind damit abänderbare wiederkehrende Leistungen (dauernde Last) vereinbart.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind Eigentümer eines Mietwohngrundstücks, in dem sie eine Wohnung selbst nutzen. Bis auf die Erdgeschoßwohnung sind die anderen Wohnungen fremdvermietet. Die Erdgeschoßwohnung bewohnen die früheren Eigentümer, die Eltern der Klägerin, in Ausübung eines Wohnrechts, das ihnen im Zuge der Übertragung des Grundstücks mit notariellem Vertrag eingeräumt worden ist.
In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin weiter, die Eltern - solange sie in der Wohnung im Haus wohnen - in alten und kranken Tagen zu versorgen und ihnen unentgeltlich sämtliche Dienste zu leisten, deren sie bedürfen, insbesondere die tägliche Kost zuzubereiten, die Wohnung zu heizen und zu reinigen, im Krankheitsfall die erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen oder all dieses auf ihre Kosten durch Dritte verrichten zu lassen. Die Lebenshaltungskosten selbst waren von den Berechtigten zu tragen.
Zusätzlich verpflichtete sich die Klägerin, ihren Eltern als Gesamtberechtigten sowie dem Längstlebenden eine lebenslängliche monatliche Rente in Höhe von . . . DM zu bezahlen. Für den Fall, daß sich der - genauer beschriebene - Lebenshaltungskostenindex um mehr als 10 % gegenüber dem Stand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verändert, war vereinbart, daß die Vertragsbeteiligten Verhandlungen über eine Neufestsetzung der Geldrente verlangen können, wobei die Festsetzung sich an den Lebenshaltungskosten zu orientieren hat und die Bedarfs- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu berücksichtigen sind. Pflege- und Rentenverpflichtung wurden jeweils durch eine Reallast dinglich gesichert, Wohnrecht und Reallast (Pflegeverpflichtung) zu einem Leibgeding zusammengefaßt. Nach dem Vertrag übernahmen die Kläger daneben die auf dem Grundstück lastenden Schulden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1987 machten die Kläger die Rentenzahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte lediglich den Ertragsanteil und kürzte die geltend gemachten Werbungskosten wegen des Wohnrechts um insgesamt 25 v.H.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Rente könne nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten berücksichtigt werden; sie sei nicht als Teil-Gegenleistung zu beurteilen. Seien bei der Übertragung privater Vermögenswerte gegen Versorgungsleistungen im Wege vorweggenommener Erbfolge die beiderseitigen Leistungen nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogen, so bestehe eine Vermutung für Versorgungsleistungen, die nur als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten. Zwar sei für die Annahme einer Kaufpreisrente nicht erforderlich, daß die Leistungen objektiv gleichwertig seien. Auch nur annähernd gleichwertige Leistungen seien ausreichend, wenn die Beteiligten subjektiv davon ausgingen, daß die Leistungen gleichwertig seien und nicht erkennbar der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe. Weder aus dem Vertrag noch aus anderen Umständen ergebe sich, daß Leistung (Verkehrswert des Grundstücks 490000 DM) und Gegenleistung (Wert der übernommenen Leistungen rd. 210000 DM) nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden seien; vielmehr diene die Rente der Versorgung der Übergeber. Die Aufwendungen seien deshalb als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar und nicht nur wie die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Hauses mit 75 v.H.; sie seien in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die Leistungen seien jedoch entgegen der Auffassung der Kläger als Leibrente zu beurteilen und deshalb nur mit dem Ertragsanteil abziehbar. Im Vertrag sei nicht ausdrücklich auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verwiesen. Im Zusammenhang mit der Spannungsklausel sei zwar vereinbart, daß bei der Neufestsetzung der Rentenhöhe auch die Einkommens- und Bedarfsverhältnisse der Vertragsbeteiligten zu berücksichtigen seien. Voraussetzung sei jedoch, daß wegen der Veränderung der Lebenshaltungskosten allgemein Verhandlungen über die Anpassung der Rente gerechtfertigt seien. Die Veränderung der Bedürfnisse des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten allein rechtfertige danach keine Anpassung. Die Rente sei deshalb im Ergebnis lediglich wertgesichert. Wertsicherungsklauseln änderten jedoch nicht den Charakter der Gleichmäßigkeit der Leistungen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie sind der Auffassung, das FG habe den Wert der von den Klägern zu erbringenden Gegenleistung zu Unrecht mit 210000 DM ermittelt. Die Kläger hätten Leistungen im Wert von insgesamt etwa 380000 DM übernommen. Die beiderseitigen Leistungen seien danach annähernd gleichwertig. Die Zahlungsverpflichtung der Klägerin sei als dauernde Last zu beurteilen und die Zahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit 75 v.H. abziehbar.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der aus hier nicht streitigen Gründen geänderte vorläufige Einkommensteuerbescheid vom 6. März 1991.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
I. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehbar sind.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der Ertragswerttabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt.
2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich nicht um eine Veräußerungsrente handelt. Ein Abzug als Werbungskosten kommt deshalb nicht in Betracht.
a) Bei der Übertragung von Vermögen, wie z. B. privatem Grundbesitz von Eltern auf Kinder im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen, ist im Regelfall anzunehmen, daß Leistung und Gegenleistung regelmäßig nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden; vielmehr ist - widerleglich - zu vermuten, daß die Rente nach den Versorgungsbedürfnissen der Eltern unabhängig von der Höhe der übertragenen Vermögenswerte bemessen worden ist (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 325, BStBl II 1990, 847; ausführlich m.w.N. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1992 X R 193/87, BStBl II 1992, 465). Die für eine private Versorgungsrente sprechende Vermutung besteht nur dann nicht, wenn feststeht, daß die beiderseitigen Leistungen wie unter fremden Dritten gegeneinander abgewogen worden sind und die Beteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgegangen sind (ausführlich m.w.N. Senatsurteil in BStBl II 1992, 465). Trotz objektiver Ungleichgewichtigkeit von Leistung und Gegenleistung kann eine Veräußerungsrente vorliegen, wenn die Vertragschließenden subjektiv von der Gleichwertigkeit ausgegangen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1964 IV 417/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 416). Beruft sich ein Steuerpflichtiger darauf, daß Rente und übertragenes Vermögen wertgleich seien, muß er dies zur Widerlegung der genannten Vermutung substantiiert dartun; insbesondere muß er darlegen, welche Vorstellung die Vertragsbeteiligten bei Abschluß des Vertrages bezüglich des Wertes der übertragenen Wirtschaftsgüter hatten (BFH-Urteile vom 9. Oktober 1985 I R 149/82, BFHE 144, 561, BStBl II 1986, 51; in BStBl II 1992, 465).
b) Die Frage, von welchen Vorstellungen die Vertragsparteien bei Begründung und Bemessung des Rentenverhältnisses ausgegangen sind, ob also die Rente Gegenleistung ist oder Versorgungscharakter hat, liegt auf tatsächlichem Gebiet (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55, m.w.N.). Der BFH als Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, soweit diese nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen werden und weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen.
c) Die Kläger haben hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des FG, die beiderseitigen Leistungen seien nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogen, keine schlüssige Verfahrensrüge erhoben. Selbst wenn man mit den Klägern davon ausginge, bei zutreffender Ermittlung des Sachverhaltes durch das FG betrügen die Leistungen der Kläger (bei Einbeziehung des Wertes des Wohnrechts) 380000 DM, könnte das Urteil des FG nicht auf diesem Verfahrensmangel beruhen.
Das FG geht bei seiner Entscheidung unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze davon aus, daß die beiderseitigen Leistungen objektiv ungleichgewichtig sind. Auch nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger übersteigt der - nicht in Frage gestellte - Wert des Grundstücks (490000 DM) die übernommenen Leistungen um 110000 DM (22%). Anhaltspunkte dafür, daß und warum die Beteiligten trotz des - auch nach ihrer Darstellung - offensichtlichen Ungleichgewichts von der Gleichwertigkeit der Leistungen ausgegangen sein sollen, haben die Kläger nicht vorgetragen. Das FG hätte deshalb auch bei Berücksichtigung des Klägervortrages zu keiner anderen Entscheidung kommen können.
d) Sind nach den nicht mit schlüssigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) Leistung und Gegenleistung weder objektiv noch subjektiv gleichwertig, bleibt es bei der Vermutung für einen Vermögensübergabevertrag im Sinne der Entscheidungen des Großen Senats (BFH-Beschlüsse in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78), bei dem zugesagte Versorgungsleistungen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten darstellen. Da die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Erwerbers sind, müssen sie nicht mit dem dafür erhaltenen Gegenwert verrechnet werden.
II. Die übernommene Rentenverpflichtung ist grundsätzlich in vollem Umfang als dauernde Last i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar.
1. Der Große Senat des BFH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.
a) In seinem Beschluß in BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 47, dort unter C.II. 1 a hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.
b) Mit Beschluß in BHFE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II.2. und 3. hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last entschieden:
In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen sind dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C.II.3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Vertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren. Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der ,,Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Fehlt eine solche Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhaltes ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Vermögensübergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (unter C.II.3. c).
2. Die Klägerin und ihre Eltern haben in dem Vertrag eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart.
a) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, die Vertragsbeteiligten hätten nur eine Wertsicherungsklausel vereinbart, die nach der Rechtsprechung die Gleichmäßigkeit des inneren Wertes der Rente lediglich verstärke (z. B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1986 IX R 12/86, BFHE 146, 68, BStBl II 1986, 348). Der erkennende Senat ist an die Vertragsauslegung durch das FG nur dann gebunden, wenn dieses die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) beachtet und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Auslegung des Vertrages steht in Widerspruch zum erklärten Vertragsinhalt.
b) Nach dem Inhalt des Vertrages führt die genauer beschriebene Veränderung des Lebenshaltungskostenindexes nicht wie bei einer Wertsicherungsklausel zu einer entsprechenden Anpassung der Rente parallel zur Geldwertentwicklung, vielmehr konnten die Vertragschließenden Neuverhandlungen verlangen, ,,wobei die Festsetzung insbesondere sich an den Lebenshaltungskosten zu orientieren hat und nach billigem Ermessen zu bestimmen ist, wobei auch die Einkommens- und Bedarfsverhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen sind". Danach kann trotz Ansteigens des Lebenshaltungskostenindexes die Steigerung der Rente entfallen, wenn sich die Einkommens- und Bedarfsverhältnisse geändert haben. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß die Anpassung zu höheren Rentenleistungen führt, als dies bei einer Angleichung nach Maßgabe einer Wertsicherungsklausel der Fall wäre. Anders als bei Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel führt die im vorliegenden Vertrag vereinbarte Anpassungsregelung nicht zu einer vorhersehbaren Anpassung des Rentenbetrages, sondern zu einer Abänderbarkeit entsprechend der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten oder der Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten.
Die Vertragsbeteiligten haben danach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart, die als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar sind.
III. Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Anstelle des bisher vom FA als Werbungskosten berücksichtigten Betrages sind antragsgemäß insgesamt 4500 DM als Sonderausgaben (dauernde Last) zu berücksichtigen. Dem FA wird gemäß Art. 3 Nr.4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit aufgegeben, nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe die Steuer zu errechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 418405 |
BFH/NV 1993, 10 |