Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberatungsgesetz. Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung. Bezeichnung der Rechtsnorm in der Revisionsbegründung. Hilfe in Steuersachen durch Vermögensverwalter bzw. Testamentsvollstrecker
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 120 Abs. 2 FGO ist nicht ein bestimmter Gesetzesparagraph zu benennen; es muß lediglich eindeutig zu erkennen sein, welche Rechtsnorm für verletzt gehalten wird.
2. Der Begriff der Hilfe in Steuersachen nach § 4 Nr. 4 StBerG ist nicht restriktiv auszulegen. Die Verwaltertätigkeit setzt kein Verfügungsrecht über das verwaltete Vermögen voraus. Dabei sind an die steuerliche Qualifikation von Verwaltern und Verwahrern fremden Vermögens keine höheren Anforderungen zu stellen als an die des Steuerpflichtigen selbst.
3. Im Streitfall war der Vermögensverwalter nicht nach § 80 Abs. 5 AO 1977 zurückzuweisen.
4. Der Miterbe an einem –durch einen Testamentsvollstrecker verwalteten– Nachlaß kann die ihm zustehenden Verwaltungsbefugnisse am Nachlaß an einen Vermögensverwalter übertragen; denn der Testamentsvollstrecker verwaltet nicht die Rechte des Erben am Nachlaß. Bei der Wahrnehmung steuerlicher Rechte und Pflichten des Erben ist der Testamentsvollstrecker von einer Mitwirkung ausgeschlossen.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2; AO 1977 § 80 Abs. 5, §§ 34-35; StBerG § 4 Nr. 4; BGB §§ 2197, 2205
Tatbestand
Die Beigeladene A (Beigeladene) ist an der Erbengemeinschaft X beteiligt. Der Nachlaß wird von B als Testamentsvollstrecker verwaltet. Der Beklagte und Revisionskläger zu 1. (das Finanzamt – FA–) erließ gegen die Miterben am 16. Februar 1977 einen Feststellungsbescheid, in dem der Beigeladenen für 1975 ein Anteil an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von … DM und an mitverwalteten Einkünften aus Kapitalvermögen von … DM zugerechnet wurde. Die Beigeladene legte –vertreten durch den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger)– Einspruch ein. Der Kläger bezeichnete sich in dem Einspruchsschreiben vom 28. Februar 1977 als financial Consultant und finance broker und hielt sich nach § 4 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für befugt, für die Beigeladene in Steuersachen aufzutreten. Die Beigeladene führte auf Antrage des FA in einem Schreiben vom 23. Juni 1977 aus: „Hinsichtlich der änderungsbedürftigen Einzelheiten des Feststellungsbescheides stelle ich anheim, sich an Herrn C zu wenden. Wie Ihnen bekannt ist, verwaltet er meine diesbezüglichen Angelegenheiten. Er verfügt daher über die entsprechenden Unterlagen und ist von mir bevollmächtigt, Ihnen alle sachlich erforderlichen Auskünfte zu erteilen.”
Das FA wies den Kläger gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zurück; er sei nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt; auch eine beschränkte Befugnis nach § 4 Nr. 4 StBerG sei zu verneinen, weil das Nachlaßvermögen nicht vom Kläger, sondern vom Testamentsvollstrecker verwaltet werde (Verfügung vom 2. Juni 1977). Der Kläger und die Beigeladene erhoben Beschwerde. In der Beschwerdeschrift der Beigeladenen vom 24. Mai 1978 hieß es u.a.: „Die Zurückweisung ist unbegründet, da Herr C durch meine Vereinbarung mit ihm über die Verwaltung meines Anteils am Nachlaß selbstverständlich auch die Befolgung aller damit verbundenen gesetzlichen Pflichten zu übernehmen hatte, wozu u.a. auch die Erledigung aller steuerlichen Angelegenheiten gehört.”
Die Beigetretene und Revisionsklägerin zu 2. (die Oberfinanzdirektion – OFD–) wies die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück.
Der Kläger beantragte im gerichtlichen Verfahren, die Nichtigkeit des Verwaltungsakts vom 2. Juni 1977 festzustellen (Hauptantrag), hilfsweise, den Verwaltungsakt aufzuheben (Hilfsantrag). Das Finanzgericht (FG) lud Frau A bei. Die OFD trat bei. Das FG wies in seinem Urteil vom 1. November 1979 V 86/79 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG– 1980, 255) den Hauptantrag als unbegründet zurück, gab jedoch dem Hilfsantrag statt. Es führte aus: Die Zurückweisungsverfügung sei nicht nichtig, aber rechtswidrig. Der Kläger habe zwar geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet. Hierzu sei er jedoch als Verwalter des Vermögens der Beigeladenen befugt gewesen (§ 4 Nr. 4 StBerG). Er habe, wie sich aus den Schreiben der Beigeladenen vom 23. Juni 1977 und vom 24. Mai 1978 ergebe, deren Anteil am Nachlaß X verwaltet. Einer schriftlichen Vereinbarung bedürfe es nicht. Unerheblich sei, daß der Gesamtnachlaß von dem Testamentsvollstrecker verwaltet werde. Der Anteil am Nachlaß sei das einzig nennenswerte Vermögen der Beigeladenen. Sonach könne davon ausgegangen werden, daß der Kläger das gesamte, nicht ganz geringe Vermögen der Beigeladenen verwaltet habe. Er habe auch hinsichtlich des Vermögens gehandelt. Der von ihm eingelegte Einspruch habe den verwalteten Anteil betroffen. Eine mißbräuchliche Umgehung des Verbots geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5, § 7 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) sei nicht ersichtlich.
FA und OFD haben Revision eingelegt. Sie rügen Verletzung von Bundesrecht und vorsorglich mangelhafte Sachverhaltsaufklärung. Zum Tätigkeitsbereich eines Vermögensverwalters gehöre eine gewisse eigene Handlungsfreiheit. Lückenlose Weisungsgebundenheit sowie bloße Kontroll- oder Beratungstätigkeit begründe hingegen keine Vermögensverwaltung. Das FG hätte sonach auch Feststellungen zur Frage treffen müssen, ob dem Kläger eine selbständige Verfügungsbefugnis eingeräumt worden sei. Dies ergebe sich nicht schon aus der vom FG übernommenen Darlegung der Beigeladenen, sie habe dem Kläger die „Verwaltung ihres Anteils am Nachlaß” übertragen. Vorsorglich werde mangelnde Sachaufklärung des FG gerügt. Einer weiteren Sachaufklärung bedürfe es jedoch letztlich nicht. Der Kläger und die Beigeladene seien wiederholt, aber vergeblich auf ihre erhöhte Darlegungspflicht und auf die Notwendigkeit eingehender Darlegungen hingewiesen worden. Die Tätigkeit des Klägers habe sich, soweit bekanntgeworden, in einer bloßen Kontrolle darüber erschöpft, ob der Testamentsvollstrecker der Beigeladenen die zustehenden Erträge in richtiger Höhe zugewiesen habe.
FA und OFD beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. Er erwidert: Die Revisionen seien unzulässig. Es werde nicht gesagt, welche bundesrechtlichen Rechtsvorschriften durch die Vorentscheidung verletzt worden sein sollen. Die Verfahrensrüge bezeichne nicht konkret den Mangel der Sachverhaltsaufklärung. Im übrigen sei den Darlegungen des FG zu folgen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revisionen sind zulässig.
Die Revisionsbegründung oder die Revision muß die Rechtsnorm bezeichnen, die verletzt sein soll (§ 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO–). Dies bedeutet nicht, daß ein bestimmter Gesetzesparagraph zu benennen ist; es muß lediglich eindeutig zu erkennen sein, welche Rechtsnorm für verletzt gehalten wird (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84; vom 18. Dezember 1970 III R 32/70, BFHE 101, 349, BStBl II 1971, 329). Das Revisionsvorbringen läßt eindeutig erkennen, daß die Vorentscheidung § 4 Nr. 4 StBerG verletzt haben soll. Die Begründung befaßt sich eingehend mit der für unzutreffend gehaltenen Auslegung dieser Vorschrift durch das FG. Die Zulässigkeit der Revision würde nicht dadurch berührt werden, daß die vorsorglich eingelegte Verfahrensrüge möglicherweise nicht in gehöriger Form erhoben worden sein sollte.
2. Die Revisionen sind aber unbegründet.
Nicht mehr einzugehen ist auf die vor dem FG streitige Frage, ob die Zurückweisungsverfügung des FA vom 2. Juni 1977 nichtig ist. Das FG hat die Nichtigkeit verneint und den hierauf bezogenen Hauptantrag des Klägers zurückgewiesen. Die Entscheidung des FG ist insoweit rechtskräftig geworden und bindet alle Beteiligten (§ 110 Abs. 1 FGO). Die allein noch streitige Frage, ob die Verfügung rechtswidrig ist, ist mit dem FG zu bejahen.
Bevollmächtigte sind im Verwaltungsverfahren zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu befugt zu sein (§ 80 Abs. 5 AO 1977). Der Kläger leistete geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen, als er für die Beigeladene in der Feststellungssache 1975 Einspruch einlegte. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger in der Einspruchsschrift –übrigens auch in späteren Schriftsätzen– ein geschäftsmäßiges Verhalten an den Tag legte und unter Berufsbezeichnungen auftrat (financial Consultant, finance broker), die diesen Eindruck bestärkten. Er hat eine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen selbst nicht in Abrede gestellt, sich hierzu jedoch als Vermögensverwalter der Beigeladenen für befugt gehalten.
Nach § 4 Nr. 4 StBerG sind zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen die Verwalter fremden Vermögens befugt, soweit sie hinsichtlich dieses Vermögens Hilfe in Steuersachen leisten. Es besteht kein Anlaß, die Vorschrift restriktiv auszulegen. Offenbar soll derjenige, dem der Steuerpflichtige die Vermögensverwaltung übertragen hat, die steuerlichen Angelegenheiten dieses Vermögens miterledigen können, wobei an seine steuerliche Qualifikation keine höheren Anforderungen zu stellen sind als an die des Steuerpflichtigen selbst. Das Vermögen der Beigeladenen bestand nach der unbeanstandeten Feststellung des FG im wesentlichen nur aus dem Anteil an der Erbengemeinschaft X. Ein Vermögen braucht nicht aus mehreren Vermögensgegenständen zu bestehen. Der Anteil wurde von dem Kläger verwaltet.
Die Verwaltungsbefugnisse, die die Beigeladene übertragen konnte, waren allerdings infolge der Bestellung eines Testamentsvollstreckers für den Gesamtnachlaß beschränkt. Ihre Verwaltungsbefugnis als Miterbin (§ 2038 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB–) war durch die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers ersetzt (§ 2205 BGB). Immerhin konnte sie die jährliche Teilung des Reinertrages verlangen (§ 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB) und –zusammen mit den anderen Miterben– den Testamentsvollstrecker überwachen und von ihm Rechnungslegung verlangen (§ 2218 BGB). Der Testamentsvollstrecker verwaltet den Nachlaß, nicht aber die Rechte des Erben am Nachlaß (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Einführung 2 b) vor § 2197). Steuerrechtlich mußte die Beigeladene ihre Rechte und Pflichten selbst wahrnehmen; der Testamentsvollstrecker war insoweit von einer Mitwirkung ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 16. Februar 1977 I R 53/74, BFHE 121, 302, BStBl II 1977, 481; vom 15. Februar 1978 I R 36/77, BFHE 125, 112, BStBl II 1978, 491). Die Beigeladene hat die ihr zustehenden Verwaltungsbefugnisse dem Kläger übertragen. Die auf die Schreiben der Beigeladenen gestützte Feststellung des FG, daß der Kläger den Anteil am Nachlaß „verwaltete”, ist zwar allgemein gehalten und läßt nicht erkennen, welche speziellen Befugnisse der Kläger erlangte. Das FG war jedoch entgegen der Auffassung des FA und der OFD nicht gehalten, den Inhalt der Verwaltertätigkeit des Klägers im einzelnen zu beschreiben. Die „Verwaltung” ist ein im Rechts- und Wirtschaftsleben gebräuchlicher Rechtsbegriff, mit dem auch Laien im allgemeinen zutreffende Vorstellungen verbinden. Wenn die Beigeladene in dem Schreiben vom 24. Mai 1978 ausführt, der Kläger habe „auch die Befolgung aller damit verbundenen gesetzlichen Pflichten” übernommen, so kommt damit zum Ausdruck, daß der Kläger die gesetzliche Rechtsstellung der Beigeladenen als Miterbin ausüben sollte. Dies schloß ein, daß der Kläger insoweit nicht weisungsgebunden sein sollte und seine Tätigkeit sich nicht auf Kontrolle und Beratung beschränken sollte. Soweit eine Beratung gewollt war, kann nicht von einer unerlaubten Rechtsberatung gesprochen werden. Eine kaufmännisch geartete Ratserteilung im Rahmen der unstreitigen Miterbenstellung der Beigeladenen war jedenfalls erlaubt. Unerheblich ist, ob der Kläger die ihm übertragenen zivilrechtlichen Befugnisse tatsächlich ausübte.
Dem Kläger dürften allerdings keine Verfügungsrechte eingeräumt worden sein. Es ist nicht anzunehmen, daß er über den Anteil der Beigeladenen am Nachlaß verfügen durfte (§ 2033 Abs. 1 BGB); denn damit hätte sich die Verwaltung aufgehoben. Eine Verfügung über die Anteile an einzelnen Nachlaßgegenständen war ausgeschlossen (§ 2033 Abs. 2 BGB). Schließlich wird aus den bisher abgegebenen Erklärungen der Beigeladenen nicht herzuleiten sein, daß der Kläger eingegangene Erträge in Empfang nehmen und anlegen durfte. Entgegen der Auffassung des FA und der OFD setzt jedoch die Verwaltertätigkeit nicht ein Verfügungsrecht voraus. Der Wortlaut des § 4 Nr. 4 StBerG erfordert die Einführung eines solchen zusätzlichen Merkmals nicht. § 4 Nr. 4 StBerG stellt den Verwahrer und den Verwalter fremden Vermögens nebeneinander. Dem Verwahrer stehen keine Verfügungsbefugnisse über das fremde Vermögen zu. Es ist daher davon auszugehen, daß der Gesetzgeber auch den nicht verfügungsberechtigten Verwalter zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen zulassen wollte. Nicht entschieden zu werden braucht, ob der Begriff des Vermögensverwalters i.S. des Art. 1 § 5 Nr. 3 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) in gewissem Umfang eine freie Verfügungsbefugnis über Einnahmen und Ausgaben voraussetzt (so Altenhoff/Busch/Kampmann, Rechtsberatungsgesetz, 6. Aufl. 1981 Rz 457). Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG und § 4 Nr. 4 StBerG unterscheiden sich (vgl. Altenhoff/Busch/Kampmann, a.a.O., Rz 628–630). Insbesondere wird der Verwahrer fremden Vermögens nur in § 4 Nr. 4 StBerG aufgeführt. Ob gesetzestechnisch hierauf hätte verzichtet werden können, kann dahingestellt bleiben. Zumindest wird der gesetzgeberische Gedanke des § 4 Nr. 4 StBerG verdeutlicht, daß eine Verfügungsbefugnis nicht erforderlich ist. Auf die vorsorglich erhobene Verfahrensrüge kommt es danach nicht an. Nicht anerkannt werden kann, daß § 4 Nr. 4 StBerG eine Hilfe in Steuersachen nur „hinsichtlich des Vermögens” erlauben soll. Auch wenn es wie im Streitfall um Einkünfte aus dem verwalteten Vermögen geht, ist Hilfeleistung in Steuersachen gestattet. Die Einkünfte fließen aus dem verwalteten Vermögen und vermehren es, soweit sie nicht verbraucht werden.
Fundstellen