Leitsatz (amtlich)
Die sog. Konzernklausel in § 4b Abs.6 InvZulG 1982 schließt nicht aus, daß die Beschäftigungszulage entweder von dem die Nutzung überlassenden oder von dem nutzenden Unternehmen beantragt wird. Die materielle Anspruchsberechtigung steht beiden Unternehmen als Gesamtgläubigern zu.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat ihr Einzelunternehmen ab 1.Januar 1982 an die ... GmbH verpachtet. An der GmbH ist die Klägerin zu mehr als 25 v.H. beteiligt. Die Klägerin und der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gehen übereinstimmend davon aus, daß die Klägerin ein Besitzunternehmen und die GmbH eine Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sind.
Im Streitjahr 1982 führte die Klägerin im Wege der Anschaffung und Herstellung von Wirtschaftsgütern Investitionen in Höhe von 327 359 DM durch. Die Wirtschaftsgüter überließ sie der Betriebsgesellschaft zur Nutzung.
Am 1.September 1983 beantragte die Klägerin unter Berücksichtigung eines Vergleichsvolumens von 154 439 DM eine Beschäftigungszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 in Höhe von 17 292 DM.
Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf Tz.6 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 11.Oktober 1982 IV B 2 - InvZ 1010 - 80/82 (BStBl I 1982, 775) mit der Begründung ab, daß nach § 4b Abs.6 InvZulG 1982 in Konzernen und sonstigen verbundenen Unternehmen die materielle Anspruchsberechtigung und das formelle Antragsrecht nicht dem die Nutzung überlassenden, sondern nur dem nutzenden Unternehmen zustünden. Aus diesem Grund hatte auch der Einspruch keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat demgegenüber der Klage stattgegeben. Es entschied, daß die Auffassung der Finanzverwaltung mit Aufbau, Wortlaut und Zweck des Gesetzes nicht in Einklang stehe; die Investitionszulage stehe vielmehr allein dem die Nutzung überlassenden Unternehmen zu. Eine gleichlautende Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 356 veröffentlicht.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es bezieht sich zusätzlich für seinen Standpunkt auf das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 16.August 1984 II 206/84 (Betriebs-Berater --BB-- 1985, 254).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
1. Die Beschäftigungszulage in § 4b InvZulG 1982 enthält eine neuartige Regelung, die ohne Vorbild ist. Sie besteht darin, daß die Zulage auf Mehrinvestitionen beschränkt ist. Das kommt in § 4b Abs.3 InvZulG 1982 dadurch zum Ausdruck, daß bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage das Begünstigungsvolumen um das Vergleichsvolumen zu kürzen ist. Begünstigungsvolumen sind dabei die in § 4b Abs.4 i.V.m. Abs.2 InvZulG 1982 umschriebenen "begünstigten Investitionen", die vom Steuerpflichtigen im Begünstigungszeitraum (den Jahren 1982 bis 1985) getätigt wurden. Vergleichsvolumen sind die durchschnittlichen Investitionen, die der Steuerpflichtige im Vergleichszeitraum, das sind in der Regel die Jahre 1979 bis 1981, getätigt hatte (§ 4b Abs.5 InvZulG 1982). Die Neuregelung ist in § 4b Abs.6 InvZulG 1982 mit einer sog. Konzernklausel verbunden. Danach werden innerhalb eines Konzerns oder sonst verbundener Unternehmen die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens und des Vergleichsvolumens dem nutzenden Unternehmen zugerechnet. Nach Tz.115 des BMF-Schreibens vom 16.Juni 1982 IV B 2 - InvZ 1010 - 16/82 (BStBl I 1982, 569) soll mit der Konzernklausel verhindert werden, daß durch rechtliche Gestaltungen die Begrenzung der Begünstigung auf Mehrinvestitionen unterlaufen wird. Daran wäre beispielsweise zu denken, wenn Investitionen von einer eigens zu diesem Zweck neugegründeten GmbH getätigt werden, die kein Vergleichsvolumen hat (vgl. im einzelnen die Beispiele bei Hußmann, Der Betrieb --DB-- 1985, 574). § 4b Abs.6 InvZulG 1982 gilt als ein Anwendungsfall der Mißbrauchsvorschrift des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
2. Im Ausgangsverfahren ist die Frage zu entscheiden, wer in den durch die Konzernklausel erfaßten Fällen die Beschäftigungszulage materiell beanspruchen und formell beantragen kann, das die Nutzung überlassende Unternehmen oder das nutzende Unternehmen. Die FG und das Schrifttum sind geteilter Meinung. Der Gesetzeswortlaut beantwortet die Frage nicht unmittelbar. Auch im Wege der Gesetzesauslegung läßt sich keine eindeutige Antwort finden. Für beide Meinungen gibt es gute Gründe.
a) So können der Gesetzeswortlaut, die Gesetzessystematik und der Sinn und Zweck des Gesetzes dafür herangezogen werden, daß die Anspruchsberechtigung und das Antragsrecht (nur) bei dem die Nutzung überlassenden Unternehmen verbleiben. An der Anspruchsberechtigung und dem Antragsrecht des Investors, wie sie nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich in § 4b Abs.1 InvZulG 1982 geregelt sind, wird durch Abs.6 der genannten Vorschrift unmittelbar nichts geändert. Denn danach werden die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter nicht schlechthin dem Nutzenden zugerechnet. Die Zurechnung erfolgt vielmehr lediglich "bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens und des Vergleichsvolumens". Abs.6 ist danach nicht als eine generelle Zurechnungsvorschrift zu verstehen. Nach seiner systematischen Stellung im Anschluß an die Abs.4 und 5 ergänzt er vielmehr die Vorschriften über das Begünstigungs- und Vergleichsvolumen in besonderen Fällen. Er ist also mehr eine Berechnungsvorschrift. Schließlich steht nach sämtlichen bisherigen zulagerechtlichen Bestimmungen die Investitionszulage dem Investor selbst zu. Sie gilt als staatlicher Finanzierungszuschuß bei dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Es ist wenig einsichtig, daß dies bei verbundenen Unternehmen anders sein soll. Dabei bestünde zudem die Besonderheit (vgl. zu dieser Problematik Maas, BB 1983, 1845), daß die Zulage, wenn sie von einer nutzenden Körperschaft an den Investor weitergegeben wird, als ausgeschütteter Gewinn möglicherweise bei letzterem der Einkommensteuer unterliegt, während sie nach § 5 Abs.2 InvZulG 1982 eigentlich steuerfrei sein soll (zu dieser Meinung haben sich außer dem Niedersächsischen FG im Ausgangsverfahren bekannt: Felix in BB 1982, 1600 (1605); Hußmann in DB 1985, 574 und Haun/Rüd in DB 1986, 1892).
b) Zuzugeben ist der Gegenmeinung aber, daß manches für eine Anspruchsberechtigung und ein Antragsrecht (nur) des nutzenden Unternehmens spricht, insbesondere "wenn man die Konzernklausel konsequent zu Ende denkt" (so die Formulierung von Westenberger in Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1982/83, 315/345). Denn dadurch, daß nach § 4b Abs.6 InvZulG 1982 die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter "bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens und des Vergleichsvolumens" dem nutzenden Unternehmen zugerechnet werden, entsteht die Situation, daß das die Nutzung überlassende Unternehmen selbst kein Begünstigungs- und Vergleichsvolumen mehr hat. Auch die Vertreter dieser Meinung können sich auf den Gesetzeswortlaut berufen. Denn nur dann, wenn man das nutzende Unternehmen als anspruchs- und antragsberechtigt ansieht, bekommt es einen Sinn, daß die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Begünstigungs- und des Vergleichsvolumens dem nutzenden Unternehmen zuzurechnen sind. Andernfalls, d.h. wenn die Anspruchsberechtigung und das Antragsrecht (nur) bei dem die Nutzung übertragenden Unternehmen bleiben, ginge es nicht mehr um eine Zurechnung der Wirtschaftsgüter an das nutzende Unternehmen, sondern um eine gemeinsame Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Einbeziehung der Begünstigungsvolumen und Vergleichsvolumen beider Unternehmen. So lautet aber der Gesetzeswortlaut nicht. Bei der zuletzt genannten Konstellation könnte es auch aus praktischen Gründen vorzuziehen sein, wenn die Anspruchsberechtigung und das Antragsrecht (nur) beim nutzenden Unternehmen liegen (diese Meinung wird außer vom BMF in Tz.6 seines Schreibens vom 11.Oktober 1982 vertreten von: FG Schleswig-Holstein vom 16.August 1984 II 206/84, BB 1985, 254; Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4b InvZulG 1982, Anm.166 ff.; Westenberger, a.a.O., 344; Maas, BB 1983, 1845; Korn, Kölner Steuerdialog 1982, 4682; nach Ehle in BB 1986, 989 steht das formelle Antragsrecht dem nutzenden Unternehmen zu, während die materielle Antragsberechtigung bei dem die Nutzung überlassenden Unternehmen bleiben soll; zweifelnd: Grützner, Neue Wirtschaftsbriefe, Fach 3, 5439).
3. Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, daß die gesetzliche Regelung widersprüchlich ist und daß sich dieser Widerspruch nach dem Prinzip der Meistbegünstigung nur durch die Annahme einer gemeinsamen Anspruchsberechtigung in der Form einer (gesetzlichen) Gesamtgläubigerschaft (vgl. § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) des nutzenden und des die Nutzung überlassenden Unternehmens sowie eines hieraus resultierenden beiderseitigen selbständigen Antragsrechts auflösen läßt. Den Investoren darf kein Nachteil daraus entstehen, daß der Gesetzgeber die Anspruchsberechtigung und das Antragsrecht nicht in einem eindeutigen Sinne geregelt hat. Nach Kenntnis des Senats dürfte es dabei in der Praxis kaum zu nennenswerten Schwierigkeiten kommen. Die an der Nutzungsüberlassung Beteiligten haben sich im allgemeinen darauf verständigt, wer die Zulage erhalten und den Antrag stellen soll. In den Fällen der Betriebsaufspaltung, die das primäre Anwendungsgebiet des § 4b Abs.6 InvZulG 1982 darstellt, ist ein einvernehmliches Vorgehen durch den "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" ohnehin gewährleistet. Sollten ausnahmsweise bei dem die Nutzung überlassenden und dem nutzenden Unternehmen gegensätzliche Interessen bestehen und offen in Erscheinung treten, könnte an die Möglichkeiten der Hinzuziehung (§ 360 AO 1977) und der einheitlichen und gesonderten Feststellung (§§ 180 ff. AO 1977) gedacht werden. Aber diese Fragen brauchen hier nicht vertieft zu werden. Die notwendige Folge der Gesamtgläubigerschaft ist, daß das FA von seiner Zahlungspflicht befreit wird, wenn ausnahmsweise beide Unternehmen selbständig einen Antrag gestellt haben und das FA an einen von beiden die Zulage gezahlt hat (§ 47 AO 1977).
4. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß das FA die Zulage noch nicht an die GmbH ausgezahlt hat. Das FG hat deshalb im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Zulage der Klägerin zusteht. Die Revision des FA war deshalb zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 62348 |
BFH/NV 1989, 12 |
BStBl II 1989, 242 |
BFHE 155, 444 |
BFHE 1989, 444 |
BB 1989, 1328-1329 (LT) |
DB 1989, 662 (KT) |
HFR 1989, 260 (LT) |