Leitsatz (amtlich)
Entgeltlich erworbene Güterverkehrsgenehmigungen sind auch nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG vom 9.Juli 1979 (BGBl I 1979, 960) selbständig bewertbare immaterielle Wirtschaftsgüter (Anschluß an BFH-Urteil vom 22.März 1989 II R 15/86, BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644).
Orientierungssatz
1. Auf die bilanzrechtliche Beurteilung von entgeltlich erworbenen Güterverkehrsgenehmigungen zum 31.12.1979 haben die sich aus dem Urteil des EuGH vom 22.5.1985 Rs. 13/83 ergebenden rechtlichen und verkehrspolitischen Folgerungen sowie der Wegfall der Kontingentierung aufgrund der VO (EWG) Nr. 1841/88 keine Auswirkung.
2. Der einkommensteuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts (§§ 4 ff. EStG) beinhaltet u.a., daß Gegenstände i.S. des § 90 BGB sowie sonstige vermögenswerte Vorteile nach der Verkehrsauffassung "gesondert bewertbar" sind. Kein Begriffsmerkmal des Wirtschaftsguts ist die Verkehrsfähigkeit (Einzelveräußerbarkeit); es reicht aus, daß der Vermögenswert zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann. Ein vermögenswerter Vorteil ist im Sinne der Grundsätze zum Wirtschaftsgut dann "selbständig bewertbar", wenn ein Erwerber des gesamten Unternehmens darin einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; GüKG § 10 Abs. 3-4; EWGV 1841/88; BGB § 90
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Speditionsunternehmer. Er hatte im Streitjahr 1979 und in den Vorjahren mehrere Güterfernverkehrsgenehmigungen (im folgenden: Konzessionen) erworben, und zwar zuletzt zwei Konzessionen am 9.Juli 1979 gegen ein Entgelt von insgesamt 317 100 DM. In der Bilanz zum 31.Dezember 1979 schrieb er den Wert der Konzessionen (Anschaffungskosten insgesamt: 4 045 000 DM) auf einen niedrigeren Teilwert von null DM ab. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach einer Betriebsprüfung nicht. Mit den nach erfolglosen Einsprüchen gegen die Bescheide über Einkommensteuer 1979 und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für 1979 erhobenen Klagen begehrte der Kläger weiterhin Berücksichtigung der geltend gemachten Teilwertabschreibung. Nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) vom 9.Juli 1979 (BGBl I 1979, 960) und der hierzu erlassenen bundeseinheitlichen Vergaberichtlinien sei die Übertragung einzelner Konzessionen nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch ausgeschlossen. Hierdurch hätten die Konzessionen ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgüter verloren. Im übrigen ergebe sich die Wertlosigkeit der Konzessionen zum 31.Dezember 1979 aus der Ertragslage des Gesamtunternehmens.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine entgeltlich erworbene Güterfernverkehrsgenehmigung als nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut mit den Anschaffungskosten zu aktivieren. Hieran ändere sich auch nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG nichts. Dadurch, daß der Gesetzgeber den "Handel mit Konzessionen" unterbunden habe, hätten diese ihre Eigenschaft als immaterielle Einzelwirtschaftsgüter nicht verloren. Die Einzelveräußerbarkeit gehöre nicht zu den notwendigen Merkmalen des Wirtschaftsguts.
Bei gegebener Einzelbewertbarkeit reiche es für die Annahme eines Wirtschaftsguts aus, daß der betreffende Wert zusammen mit dem Betrieb übertragen werden könne. Auch zum Bilanzstichtag 31.Dezember 1979 sei der Wert eines Speditionsunternehmens nicht unerheblich von der Zahl und der Art der dem Unternehmer erteilten Konzessionen abhängig gewesen.
Die Voraussetzungen für eine Abschreibung der Güterfernverkehrsgenehmigungen auf einen niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs.1 Nr.2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) lägen ebenfalls nicht vor. Die Berechnungen des Klägers zum Geschäftswert seines Unternehmens seien gleichfalls nicht geeignet, die geltend gemachte Teilwertabschreibung zu rechtfertigen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt u.a. vor:
Aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG seien die Konzessionen keine selbständig verkehrsfähigen Wirtschaftsgüter mehr. Die Annahme, ein fremder Dritter würde bei Fortführung des Unternehmens den Wert der Konzessionen bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigen, stehe im Widerspruch zum klaren Inhalt der Akten: Nach der Auskunft des Regierungspräsidenten werde keine Konzession auf den neuen Inhaber des Unternehmens umgeschrieben, wenn in dem Kaufvertrag in irgendeiner Form die Konzession als immaterielles oder materielles Wirtschaftsgut bewertet oder benannt worden sei. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 22.Mai 1985 Rs.13/83 (EuGHE 1985, 1556) verstießen die Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Gebiete des grenzüberschreitenden Güterfernverkehrs gegen Gemeinschaftsrecht. Dieses Urteil basiere auf einer Entschließung der Kommission aus den Jahren 1973 und 1974, die im Jahre 1979 nochmals erneuert worden sei. Die beantragte Abschreibung auf den Teilwert null sei deswegen notwendig, weil es "nach Juli 1979 ... praktisch keinen Markt mehr für den Erwerb einzelner Konzessionen" gegeben habe. Daran ändere auch nichts die Tatsache, daß bei Erwerb eines Unternehmens "versteckt Mehrwerte (vielleicht für Konzessionen)" gezahlt würden. Ob für Konzessionen ein Mehrwert gezahlt werde, hänge ausschließlich davon ab, ob die Investition innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit zu amortisieren sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Änderung der angefochtenen Urteile vom 8.Oktober 1987 7 K 538/82 und 7 K 189/83 und Änderung der angefochtenen Bescheide vom 9.Juni 1987 über Einkommensteuer und vom 23.März 1982 über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag die Einkommensteuer 1979 und den Gewerbesteuermeßbetrag 1979 auf jeweils null DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionsverfahren X R 176/87 und X R 177/87 werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs.1 Satz 1, § 121 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Revisionen sind unbegründet.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die entgeltlich erworbenen Konzessionen auch nach Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14.Oktober 1975 (BVerfGE 40, 196) und nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG ihre Rechtsnatur als bewertbare Wirtschaftsgüter behalten haben.
a) Der mit dem entgeltlichen Erwerb einer Konzession verbundene wirtschaftliche Vorteil ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein zu aktivierendes firmenwertähnliches immaterielles Wirtschaftsgut. Der Vorteil besteht in der Chance, auf dem kontingentierten Markt des Güterfernverkehrs Gewinne erzielen zu können. Das Wirtschaftsgut ist mit den Anschaffungskosten zu aktivieren (§ 6 Abs.1 Nr.2 EStG; BFH-Urteil vom 18.Dezember 1970 VI R 99/67, BFHE 101, 100, BStBl II 1971, 237). Die Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist diesen Grundsätzen gefolgt (Urteile vom 30.Mai 1974 III R 75/73, BFHE 113, 50, 54, BStBl II 1974, 654; vom 23.Juni 1978 III R 22/76, BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521; vom 8.Mai 1985 II R 184/80, BFHE 144, 268, BStBl II 1985, 608).
b) Der einkommensteuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts (§§ 4 ff. EStG) beinhaltet u.a., daß Gegenstände i.S. des § 90 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie sonstige vermögenswerte Vorteile nach der Verkehrsauffassung "gesondert bewertbar" sind. Kein Begriffsmerkmal des Wirtschaftsguts ist die selbständige Verkehrsfähigkeit (Einzelveräußerbarkeit); es reicht aus, daß der Vermögenswert zusammen mit einem Betrieb übertragen werden kann (BFH-Urteil vom 22.Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, 222, BStBl II 1988, 995, m.w.N.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8.Aufl. 1989, § 5 Anm.16 b; vgl. zum Bewertungsrecht BFH-Urteil vom 23.November 1988 II R 209/82, BFHE 155, 132, BStBl II 1989, 82, m.w.N.). Ein vermögenswerter Vorteil ist im Sinne der Grundsätze zum Wirtschaftsgut dann "selbständig bewertbar", wenn ein Erwerber des gesamten Unternehmens darin einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde (BFH-Urteil vom 9.Juli 1986 I R 218/82, BFHE 147, 412, BStBl II 1987, 14).
c) Der II.Senat hat durch Urteil vom 22.März 1989 II R 15/86 (BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644) zum Begriff des Wirtschaftsguts i.S. des § 95 des Bewertungsgesetzes (BewG) entschieden, daß auch nach dem Ergehen des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 40, 196, 232 und dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG die entgeltlich erworbenen Konzessionen weiterhin selbständig bewertbar waren. Auch gemäß § 10 Abs.4 GüKG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 9.Juli 1979 bestehe die Möglichkeit, "zur Weiterführung eines Unternehmens oder eines selbständigen, abgrenzbaren Unternehmensteils im Einzelfall unter Anlegung eines strengen Maßstabes" die Konzession zusammen mit dem Betrieb einer Spedition zu veräußern bzw. zu erwerben. Für den Ansatz als Wirtschaftsgut i.S. des § 95 BewG komme es nicht darauf an, ob die Konzession im Rahmen eines Verkaufs des Unternehmens bei der Ermittlung des Kaufpreises einzeln bewertet würde. Es genüge, daß die Bewertung möglich sei. Hiervon sei bei der Veräußerung eines Speditionsunternehmens auszugehen, "da die Höhe des Kaufpreises entscheidend vom Vorhandensein einer oder mehrerer Güterfernverkehrsgenehmigungen abhängig (sei) und dieser maßgeblich von dem Bestehen der Güterfernverkehrsgenehmigungen beeinflußt (werde)". Die Bezugnahme des II.Senats auf das Urteil des BFH vom 26.Februar 1975 I R 72/73 (BFHE 115, 243, 246, BStBl II 1976, 13, 14) verdeutlicht, daß ein immaterielles Wirtschaftsgut jedenfalls dann selbständig bewertbar ist, wenn im Falle der Veräußerung des Unternehmens als ganzes eine nachvollziehbare Relation zwischen dem Vorhandensein des immateriellen Wirtschaftsgutes und der Höhe des Kaufpreises besteht.
d) Dem schließt sich der erkennende Senat für die Auslegung der §§ 4 ff. EStG an. Zwar ist im rechtlichen Ausgangspunkt zu berücksichtigen, daß das Bewertungsrecht --anders als das Handelsrecht (§ 248 Abs.2 des Handelsgesetzbuches --HGB--) und das Ertragsteuerrecht (§ 5 Abs.2 EStG)-- keine Beschränkung des Inhalts kennt, daß immaterielle Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter aus Gründen der vorsichtigen Bewertung nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, 293, BStBl II 1984, 187). Indes besteht Übereinstimmung zwischen Bewertungs- und Ertragsteuerrecht darin, daß der Begriff des immateriellen Wirtschaftsgutes die selbständige Bewertbarkeit voraussetzt (vgl. BFH-Urteil vom 7.August 1970 III R 119/67, BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 842). Der II.Senat des BFH führt in seinem Urteil in BFHE 155, 132, BStBl II 1989, 82 unter Bezugnahme auf das zum Ertragsteuerrecht ergangene BFH-Urteil vom 18.Juni 1975 I R 24/73 (BFHE 116, 474, 478, BStBl II 1975, 809) aus, daß ein immaterieller Wert nur dann ein konkretes immaterielles Wirtschaftsgut ist, "wenn er als werthaltige greifbare Einzelheit gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt werden kann". Diese Voraussetzung ist u.a. dann erfüllt, wenn der immaterielle Wert von der Verkehrsanschauung als selbständig bewertbar anerkannt wird.
Zu Recht weist der II.Senat in seinem Urteil in BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644 darauf hin, daß nach § 10 Abs.4 GüKG im Falle der Weiterführung eines Unternehmens oder eines selbständigen abgrenzbaren Unternehmensteils durch den Einzelrechtsnachfolger/Konzessionsbewerber die betreffende Genehmigung für diesen bereitgehalten wird. Weiterhin wird eine Ausnahme vom Prinzip der Unübertragbarkeit der Konzession (§ 10 Abs.3 GüKG) unter Anwendung des Umwandlungsrechts praktiziert (vgl. Eyl, Transportrecht 1984, 141 ff., 146). In diesen Fällen erwirbt der Einzelrechtsnachfolger die mit der Wahrnehmung der Konzession verbundenen Gewinnchancen. Diese sind auch nach Novellierung des GüKG durch das Gesetz vom 9.Juli 1979 bewertbar, da die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die bei dem zuvor praktizierten "isolierten Handel mit Konzessionen" (BTDrucks 8/2605 S.11) die Findung eines Entgelts für die Konzession beeinflußt haben, sich durch die neue Rechtslage nicht geändert haben.
Auch der Kläger führt aus, daß nach neuem Recht die Bewertung der Konzession von einer Bezifferung der Gewinnchancen und damit von den Möglichkeiten einer Amortisation des für die Konzession gezahlten Kaufpreises abhängt. Diese Gewinnchancen können --bezogen auf die Verhältnisse des Stichtags 31.Dezember 1979-- der Konzession zugeordnet werden, die somit nicht lediglich ein geschäftswertbildender Faktor ist.
2. Zu Recht hat das FG eine Abschreibung der Konzessionen auf dem niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs.1 Nr.2 Satz 2 EStG) abgelehnt. Seine Ausführungen zu den Rechtsgrundsätzen der Teilwertvermutung (vgl. BFH-Urteil vom 20.Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269) sind frei von Rechtsfehlern. Seine Annahme, eine Fehlmaßnahme scheide aus, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Berechnungen des Klägers zum Geschäftswert seines Unternehmens sind als solche nicht geeignet, den Erwerb der Konzessionen als Fehlmaßnahme erscheinen zu lassen oder die Notwendigkeit einer Teilwertabschreibung aus sonstigen Gründen zu belegen. Die unsubstantiierte Rüge des Klägers, "nur die faktische Unmöglichkeit der Einzelveräußerung einer Konzession" habe zu einer vollständigen Entwertung dieses Wirtschaftsguts geführt, verhilft der Revision nicht zum Erfolg.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die sich aus dem Urteil des EuGH in EuGHE 1985, 1556 ergebenden rechtlichen und verkehrspolitischen Folgerungen sowie der Wegfall der Kontingentierung aufgrund der Verordnung (EWG) Nr.1841/88 des Rates vom 21.Juni 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 163, 1; siehe hierzu Küting/Weller, Betriebs-Berater 1989, 1302) keine Auswirkung auf die bilanzrechtliche Beurteilung zum hier maßgeblichen Bilanzstichtag (31.Dezember 1979).
Fundstellen
Haufe-Index 62514 |
BFH/NV 1989, 50 |
BStBl II 1990, 15 |
BFHE 158, 53 |
BFHE 1990, 53 |
BB 1989, 2224-2225 (LT) |
DB 1989, 2410-2411 (LT) |
DStR 1989, 705 (KT) |
HFR 1990, 70 (LT) |