Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauernde Last aufgrund eines Vermögensübergabevertrages
Leitsatz (NV)
Übertragen Eltern ihren Kindern existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Versorgungsvertrages sind die wiederkehrenden Leistungen im Regelfall als dauernde Last abziehbar.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1980 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger war bis zum Jahre 1976 zusammen mit seinem Vater Gesellschafter der Firma X & Sohn, die eine Weinkellerei betrieb. Mit notariellem Auseinandersetzungs- und Übergabevertrag vom 28. Dezember 1976 übertrugen die damals 65 und 66 Jahre alten Eltern des Klägers diesem im Wege vorweggenommener Erbfolge das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück in . . . Der Vater des Klägers übertrug diesem mit Wirkung vom 31. Dezember 1976 seinen Gesellschaftsanteil an der Firma X & Sohn mit sämtlichen Aktiven und Passiven. Ferner erhielt der Kläger von seiner Mutter Weinberggrundstücke, die mit dem Tode des Längstlebenden der Eheleute X sen. übergeben werden sollten. Der Kläger verpflichtete sich, ,,als Gegenleistung für die Übertragung" u. a. seinen Eltern eine lebenslängliche monatliche Rente in Höhe von . . . DM für die Übertragung des Hausgrundstücks und des Gesellschaftsanteils und von . . . DM für die Übertragung der Weinberge zu zahlen. Diese Rente sollte sich im Falle des Todes eines Berechtigten nicht verringern. Die Höhe der Rente war durch eine Wertsicherungsklausel an den allgemeinen Lebenshaltungskostenindex gekoppelt.
In den Jahren 1977 bis 1979 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Zahlungen des Klägers an seine Eltern antragsgemäß als Leibrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1977 = § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG in der ab 1979 geltenden Fassung) mit einem Ertragsanteil von 20 v. H. Durch notariell beurkundeten Nachtragsvertrag vom 22. Januar 1980 vereinbarten der Kläger und seine Eltern, die Rente von . . . DM auf . . . DM herabzusetzen. In dem Vertrag heißt es:
,,In Bezug auf diese monatliche Rentenzahlung von nunmehr . . . DM vereinbaren die Vertragsteile ausdrücklich, daß diese gemäß § 323 ZPO abzuändern ist, wenn eine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eintritt, die für die Vereinbarung der Leistung, für die Bestimmung ihrer Höhe und ihrer Dauer maßgebend war.
Zu der daneben vereinbarten Wertsicherungsklausel stellen die Vertragsteile klar, daß diese nicht einen Verzicht auf die Rechte aus § 323 ZPO darstellt und neben diesen Rechten weitergelten soll."
In der Einkommensteuererklärung für 1980 beantragten die Kläger, Zahlungen in Höhe von . . . DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG 1979) zuzulassen. Das FA ließ nur den Ertragsanteil von 20 v. H. zum Abzug als Leibrente zu. Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit der Klage trugen die Kläger u. a. vor, die im Vertrag vom 28. Dezember 1976 vereinbarte Rentenhöhe sei wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen. Die Jahre 1975 und 1976 hätten quantitativ und qualitativ hochwertige Weine gebracht; daher habe man die tatsächlichen Verhältnisse falsch eingeschätzt, was in den Folgejahren zu erheblichen Einbußen und zu einem Verlust der finanziellen Beweglichkeit geführt habe. Die Anknüpfung der Rente an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des übergebenen Betriebes sei erforderlich gewesen, weil die Erträge aus dem Weinbau naturgemäß großen Schwankungen unterlägen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Abänderbarkeit der Rentenbezüge könne auch nachträglich vereinbart werden.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Schon die auf der Grundlage des Vertrages vom 28. Dezember 1976 gezahlten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsnatur der Zahlungen infolge des Nachtragsvertrages vom 22. Januar 1980 geändert hat.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
3. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.
a) In seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, dort unter C. II. 1. a) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.
b) Mit Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2. und 3.) hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last entschieden:
In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen sind dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C. II. 3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Versorgungsvertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren. Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der ,,Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Fehlt eine Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhalts ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Vermögensübergebers und/oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (unter C. II. 3. c). Ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrages kann der Altenteilsvertrag (Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -) sein (unter C. II. 1. d).
4. Im Anschluß hieran hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564 BStBl II 1992, 499 entschieden: Die Verweisung auf Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führt dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
5. Der Kläger und seine Eltern haben in dem Vertrag vom 28. Dezember 1976 eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart.
Eine Abänderbarkeit ergibt sich zwar nicht aus einer Bezugnahme auf § 323 ZPO, wohl aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Altenteilsvertrag i. S. der Art. 32 ff. des Bayer. AGBGB 1899 (Art. 7 ff. des Bayer. AGBGB 1982) handelt. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des bayerischen Landesrechts kommt es letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht - vorbehaltlich eines nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden Wegfalls der Geschäftsgrundlage - ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 64057 |
BFH/NV 1992, 592 |