Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein beim Eloxieren verwandtes Elektrolyt Anlage- oder Umlaufvermögen ist.
Orientierungssatz
Zum Anlagevermögen rechnen die zum Gebrauch bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören hingegen die Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, veräußert oder verbraucht zu werden (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.1972 V R 47/71).
Normenkette
BerlinFG § 19 Abs. 1-2; AktG § 152 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in Berlin (West) ein Eloxalwerk, in dem sie Metall- und Kunststoffteile in einem elektrolytischen Verfahren beschichtet. Im Zuge einer Betriebsverlagerung wandte die Klägerin im Jahre 1974 für die Erstausstattung von Elektrolytbädern ...DM auf. Sie sieht in den Elektrolytbädern Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für die sie nach § 19 Abs.1 Satz 3 Nr.1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) eine Investitionszulage von 25 v.H. der Herstellungskosten begehrt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ist demgegenüber der Auffassung, daß die Elektrolytbäder als Betriebsstoffe zum Umlaufvermögen gehören, und daß deshalb eine Zulage nicht zu gewähren sei.
Bei den Elektrolytbädern handelt es sich um eine Flüssigkeit, die sich in Wannen befindet. Die Zulagefähigkeit der Wannen selbst ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Die Flüssigkeit (Elektrolyt) ist eine Mischung aus Wasser, Metallsalzen, Säuren und sonstigen Chemikalien. In der Flüssigkeit befinden sich außerdem zwei Elektroden, nämlich die Anode und das zu beschichtende Werkstück (Kathode). Die Anode ist ein Edelmetall, das seitlich an der Wanne in Titankörben angebracht ist und das laufend ergänzt werden muß. Während des Vorgangs der Elektrolyse wandern Metallteile von der Anode zu dem Werkstück und lagern sich dort ab. Dabei dient das Elektrolyt als "Leitflüssigkeit". Das Elektrolyt wird ständig im Labor auf seine Zusammensetzung kontrolliert. Zwar geht bei ordnungsgemäß verlaufender Elektrolyse theoretisch von der Flüssigkeit nichts verloren. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei der Herausnahme von Werkstücken einige Tropfen der Flüssigkeit "verschleppt" werden. Außerdem hinterlassen die Werkstücke in der Flüssigkeit Schmutzteile, die herausgefiltert werden müssen. Auch dadurch kann Flüssigkeit verloren gehen, die ersetzt werden muß.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG) aufgrund des geschilderten Sachverhalts der Klage stattgegeben. Für den Vorgang der Elektrolyse hat es sich auf den unwidersprochenen Sachvortrag der Klägerin bezogen. Außerdem hat es sich Sachkenntnis aus einem Lehrbuch für Galvanotechnik verschafft. Das FG hat die Auffassung vertreten, daß das Elektrolyt Anlage- und nicht Umlaufvermögen sei. Das Elektrolyt sei nicht zum Verbrauch bestimmt, weil es sich selbst nicht auf dem Werkstück niederschlage. Es habe vielmehr lediglich die Funktion einer Leitflüssigkeit und diene als solche dem Betrieb auf Dauer. Soweit das Elektrolyt infolge von "Verschleppungen" und Verunreinigungen ergänzt werden müsse, handele es sich um Vorgänge, die dem Verschleiß und der Abnutzung von materiellen Wirtschaftsgütern vergleichbar seien.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts und unzureichende Sachaufklärung.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 19 Abs.1 BerlinFG wird eine Investitionszulage nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährt. Die Gewährung einer Zulage für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sieht das Gesetz nicht vor. Das FG geht in seinem Urteil von der zutreffenden Unterscheidung zwischen Anlagevermögen und Umlaufvermögen aus. Zum Anlagevermögen rechnen die Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 152 Abs.1 Satz 1 des Aktiengesetzes --AktG--). Das sind die zum Gebrauch bestimmten Wirtschaftsgüter. Zum Umlaufvermögen gehören hingegen die Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, veräußert oder verbraucht zu werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.Januar 1972 V R 47/71, BFHE 106, 142, BStBl II 1972, 744).
a) Das FG hat festgestellt, daß die Elektrolyte im Betrieb der Klägerin den Metallteilchen als Leitflüssigkeit zum Transport von der Anode zur Kathode dienen. Dagegen schlagen sich die in den Elektrolyten befindlichen Metallsalze nicht auf der zu beschichtenden Ware (Kathode) nieder. Die Feststellungen des FG sind ordnungsgemäß getroffen und deshalb für den Senat bindend (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die hiergegen erst im Revisionsverfahren erhobene Rüge des FA ist verspätet und deshalb unzulässig. Von einer Begründung wird gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Wenn das FG aufgrund dieser Feststellungen zum Ergebnis gelangt, daß es sich bei dem Elektrolyt um Anlagevermögen handelt, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Daß durch das "Verschleppen" sowie das Reinigen der Elektrolyte Badflüssigkeit verloren geht und durch Metallsalze und sonstige Chemikalien ersetzt werden muß, hält der Senat mit dem FG für unschädlich.
b) Das FA kann sich für seine abweichende Auffassung auch nicht auf das BFH-Urteil vom 9.Juni 1964 I 38/64 (abgedruckt in Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 6 Abs.1 Ziff.2, Rechtsspruch 154) berufen. Denn seinerzeit war ein anderer Sachverhalt zu beurteilen. Der BFH war in dem von ihm zu entscheidenden Fall davon ausgegangen, daß das Elektrolyt keine Transportfunktion hat, sondern bei der Verarbeitung selbst in das Werkstück eingeht.
c) § 19 Abs.1 BerlinFG setzt weiter voraus, daß das angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut des Anlagevermögens neu, d.h. ungebraucht ist. Das FA rügt, daß das FG die Neuheit der Elektrolyte nicht festgestellt habe. Dazu habe Anlaß bestanden, weil die Vermutung naheliege, daß die Badflüssigkeit aus dem ursprünglichen Betrieb bei der Herstellung der Elektrolyte in dem neuen Betrieb mitverwandt worden sei. Diese Rüge ist unbegründet. An der Neuheit der Elektrolyte zu zweifeln, bestand für das FG kein Anlaß. Denn es war unstreitig, daß die alten Elektrolyte beim Umzug vom alten in den neuen Betrieb nicht mitgenommen worden sind.
d) Unbegründet ist schließlich die Rüge des FA, das FG habe nicht den Zeitpunkt der Fertigstellung der Elektrolyte festgestellt. Für die Annahme, daß die Klägerin und ihr folgend das FG bei der Bemessung der Herstellungskosten angeschaffte Metallsalze berücksichtigt hätten, die nicht bei der Herstellung, sondern erst bei der Regenerierung der Badflüssigkeit verwendet worden waren, gibt es keine Anhaltspunkte.
Fundstellen
Haufe-Index 61486 |
BStBl II 1986, 551 |
BFHE 146, 327 |
BFHE 1986, 327 |
HFR 1986, 469-470 (ST) |