Leitsatz (amtlich)
Ein nach § 27 EStG 1955/1957 ergangener Einkommensteuerbescheid, durch den ein Kind mit dem Haushaltsvorstand zusammen veranlagt wurde, unterbrach die Verjährung hinsichtlich der eigenen Einkünfte des Kindes auch, wenn der Bescheid nicht an das Kind selbst adressiert war.
Normenkette
AO i.d.F. vor dem AOÄndG vom 15. September 1965 § 144; AO i.d.F. vor dem AOÄndG vom 15. September 1965 § 147 Abs. 1; EStG 1955/1957 § 27
Tatbestand
Streitig ist noch, ob die Einkommensteueransprüche hinsichtlich der Jahre 1955 bis 1957 verjährt sind. Das FA hatte den Steuerpflichtigen für die genannten Jahre durch die an seinen Vater und seine Stiefmutter (Eltern) gerichteten Steuerbescheide vom 11. Januar 1960 zunächst nach § 27 EStG mit seinen Eltern zusammen veranlagt. Der Steuerpflichtige, der am 6. Juli 1941 geboren ist, hat in den Jahren 1955 bis 1957 eigene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen gehabt. In dem Rechtsmittelverfahren der Eltern gegen die Einkommensteuerbescheide 1955 bis 1957 verwies der Senat wegen des inzwischen ergangenen Urteils des BVerfG 1 BvL 16 - 25/62 vom 30. Juni 1964 (BVerfGE 18, 97, BStBl I 1964, 488) betreffend die Nichtigkeit des § 27 EStG die Streitsache an das FA zurück, das nunmehr durch die Bescheide vom 15. Oktober 1965 den Steuerpflichtigen mit seinen eigenen Einkünften selbständig zur Einkommensteuer veranlagte. Der Steuerpflichtige macht nunmehr geltend, die festgesetzten Einkommensteueransprüche seien inzwischen verjährt. Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hielt die streitigen Einkommensteueransprüche für nicht verjährt und führte aus: Der Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 144 AO) sei durch die Bescheide vom 11. Januar 1960 unterbrochen worden. Nach der Unterbrechung habe mit Ablauf des Jahres 1960 eine neue fünfjährige Verjährungsfrist begonnen, innerhalb derer die angefochtenen Bescheide ergangen seien. Der Unterbrechung stehe nicht entgegen, daß die Steuerbescheide vom 11. Januar 1960 an den Vater und die Stiefmutter des Steuerpflichtigen adressiert gewesen seien; denn wegen der Zusammenveranlagung hätten sie auch gegen den Steuerpflichtigen gewirkt. Bei der Zusammenveranlagung ergehe verfahrensrechtlich der Bescheid an jede von der Zusammenveranlagung betroffene Person.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision, mit der der Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung rügt, ist nicht begründet.
Ohne Rechtsverstoß hat das FG angenommen, daß die Steuerbescheide vom 11. Januar 1960 die Verjährung der Steueransprüche gegen den Steuerpflichtigen wirksam unterbrochen haben. Gemäß § 147 Satz 1 AO in der vor dem Gesetz zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 maßgebenden Fassung - AO a. F. - wird die Verjährung durch jede Handlung unterbrochen, die das zuständige FA zur Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten vornimmt. Nach dem Urteil des BFH IV 184/60 S vom 4. August 1960 (BFH 71, 485, BStBl III 1960, 430) ist ein endgültiger Einkommensteuerbescheid eine verjährungsunterbrechende Maßnahme, weil er auf die Ermittlung und Feststellung des Einkommensteueranspruchs des betreffenden Jahres in seinem vollen Umfang gerichtet ist, und zwar hinsichtlich der Steueransprüche, die Gegenstand der Steuerfestsetzung sind.
Der Steuerpflichtige meint, die Steuerbescheide vom 11. Januar 1960 hätten nicht gegen ihn gerichtete Steueransprüche zum Gegenstand gehabt. Dem ist nicht zuzustimmen. Das FA hatte durch die Bescheide vom 11. Januar 1960 die Einkommensteuer des Haushalts, also des Vaters, der Stiefmutter und des haushaltszugehörigen Steuerpflichtigen unter Einbeziehung der Einkünfte aller dieser Personen nach der Vorschrift des früheren § 27 EStG festgesetzt. Soweit die festgesetzte Einkommensteuer auf die Einkünfte des Steuerpflichtigen entfiel, waren die Steuerbescheide ihrem Inhalt nach auch gegen den Steuerpflichtigen gerichtet. Die Adressierung (Anschrift) der Steuerbescheide ist dabei ohne Bedeutung. Nach § 27 EStG in der für die Jahre 1955 bis 1957 geltenden Fassung konnten die Einkünfte eines Kindes, das mit dem Haushaltsvorstand zusammen zu veranlagen war, nur in einem einheitlichen Veranlagungsbescheid erfaßt werden. Die Haushaltsgemeinschaft galt dabei als Einheit, gegen die die Einkommensteuer festzusetzen war. Diese Rechtslage kam vor allem auch in der Überschrift des § 27 EStG 1955/1957 ("Haushaltsbesteuerung: Kinder") zum Ausdruck. Demgegenüber ist unerheblich, daß das BVerfG durch das Urteil 1 BvL 16 - 25/62 (a. a. O.) den § 27 EStG für nichtig erklärt hat. Die Tatsache, daß durch die Zusammenveranlagung die Verjährung der Steueransprüche auch gegen den Steuerpflichtigen unterbrochen war, wird dadurch nicht etwa nachträglich beseitigt.
Fundstellen
Haufe-Index 67964 |
BStBl II 1968, 362 |
BFHE 1968, 339 |