Leitsatz (amtlich)
Ein notariell beurkundetes, für drei Monate unwiderrufliches Angebot eines Kaufinteressenten auf Abschluß eines Grundstückskaufvertrages ist noch kein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin wurde wegen eines notariell beurkundeten Vertragsantrages vom 22. Oktober 1964 vom Finanzamt (FA) zur Grunderwerbsteuer herangezogen, da ihr für die erworbene Eigentumswohnung wegen Vermietung die beantragte Steuerfreiheit nicht zustehe.
Nach erfolglosem Einspruch machte sie auch mit der Berufung im wesentlichen geltend, sie habe die Eigentumswohnung zur Eigennutzung erworben. Sie beabsichtige, die Wohnung ihrer Tochter bei deren Heirat in zwei bis drei Jahren zu überlassen, jedenfalls in den ersten fünf Jahren noch selbst zu nutzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die als Klage behandelte Berufung ab. Es teilte die Auffassung des FA, daß die Steuerbefreiung des Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau in der Fassung vom 12. November 1958 – GrESWG – (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 330) bei einer mehr als zweijährigen Fremdnutzung nicht gewährt werden könne.
Mit der Revision beantragt die Klägerin erneut Freistellung von der angeforderten Grunderwerbsteuer.
Das FA (Beklagter) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat – wenn auch aus anderen als den vorgetragenen Gründen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO) – Erfolg.
Der Beurteilung dieses Rechtsstreits liegt nur die Urkunde vom 22. Oktober 1964 zugrunde. Dieser „Vertragsantrag” enthält lediglich das für drei Monate unwiderrufliche Angebot der Klägerin als Kaufinteressentin an eine Grundstücks- und Handelsgesellschaft auf Abschluß eines Kaufvertrags. In einem solchen Falle kann – anders als unter Umständen in den Fällen einer unwiderruflichen Veräußerungsvollmacht – lediglich eine Verpflichtung des Erwerbswilligen zum Erwerb (vgl. § 145 BGB), nicht aber eine Verpflichtung des derzeitigen Eigentümers bzw. des Empfängers des Vertragsangebots zur Übertragung des Grundstücks begründet worden sein. Ein solches Vertragsangebot kann mit anderen Worten allenfalls ein Recht (des Eigentümers) auf Abnahme eines Grundstücks gewähren. Es ist aber kein Rechtsgeschäft, das den Anspruch (des Erwerbers) auf Übereignung begründet, wie dies § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fordert. Ein Antrag auf Abschluß eines Verpflichtungsgeschäfts ist noch kein Verpflichtungsgeschäft; dieses kommt als steuerbarer Erwerbsvorgang erst durch die wirksame Annahme zustande (Boruttau-Klein, GrEStG, 8. Auflage § 1 Tz. 43, 44). Diese ist nicht festgestellt (vgl. § 152 BGB).
Das Urteil des FG war deshalb aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), ohne daß auf die weitere Frage einzugehen war, ob (nach wirksamer Annahme des Vertragsangebots) die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gemäß Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG gegeben waren (vgl. insoweit die Urteile II 156/63 und II 108/65 vom 1. August 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Band 89 S. 540 und 548, BStBl III 1967, 706, 711).
Fundstellen
Haufe-Index 514550 |
BFHE 1968, 447 |