Leitsatz (amtlich)
Übernimmt der Nießbraucher durch vertragliche Vereinbarung persönliche Steuerschulden (hier Vermögensteuer, Körperschaftsteuer) des Nießbrauchsbestellers, so kann dies beim Nießbrauchsbesteller zu Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) führen.
Normenkette
EStG §§ 20, 22
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Familienstiftung. Sie wurde in Erfüllung des Testaments des E 1944 als rechtsfähige Stiftung (§§ 80 f. BGB) errichtet. Nach § 7 ihrer Satzung in der ursprünglichen Fassung war sie gehalten, die ihr jährlich aus dem Stiftungsvermögen zufließenden Nutzungen nach Abzug der Verwaltungskosten und Steuern an den jeweiligen Nutzungsberechtigten zu überweisen. Dementsprechend wurden bis einschließlich 1960 die Einkünfte der Klägerin (ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen) vor Abführung an den Nutzungsberechtigten in vollem Umfang der Körperschaftsteuer unterworfen.
Im Jahr 1961 änderte die Klägerin ihre Satzung dahin ab, daß die Nutzungen des Stiftungsvermögens aus dem vorhandenen Kapitalvermögen künftig dem jeweiligen Nutzungsberechtigten aufgrund eines für diesen zu bestellenden Nießbrauchs zufließen sollten. Aufgrund dieser Bestimmung räumte die Klägerin dem seinerzeitigen Nutzungsberechtigten durch Vertrag den lebenslänglichen Nießbrauch an den vorhandenen Wertpapieren und Bankguthaben ein. Dabei wurde der Nießbraucher in Übereinstimmung mit der Satzung verpflichtet, die Lasten der Klägerin zu tragen, gleichviel ob diese die mit dem Nießbrauche belasteten Stammrechte, die Erträge des Stiftungsvermögens oder die Kosten der Verwaltung und die Anlegung des Stiftungsvermögens beträfen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) veranlagte den Nießbrauchsberechtigten vom Jahre 1961 an mit den Erträgen aus dem Kapitalvermögen der Klägerin zur Einkommensteuer. Daneben unterwarf das FA die vom Nießbraucher für die Klägerin in den Streitjahren 1961 bis 1963 gezahlten persönlichen Steuern bei dieser der Körperschaftsteuer (1961 Vermögensteuer 6 600 DM und Körperschaftsteuer 2 741 DM; 1962 und 1963 Vermögensteuer in Höhe von jeweils 3 540 DM).
Das FA begründete die Besteuerung dieser Beträge damit, daß die Klägerin durch die Bezahlung ihrer Steuerschulden seitens des Nießbrauchsberechtigten einen Vermögensvorteil erlangt habe, der bei ihr Einkommen nach §§ 5 und 6 KStG darstelle. Da die gezahlten Beträge nach § 12 Nr. 2 KStG nicht abzugsfähig seien, unterlägen sie der Körperschaftsteuer.
Die Klägerin erhob nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage und vertrat dabei die Ansicht, die streitigen Zahlungen durch den Nießbraucher führten bei ihr nicht zu steuerpflichtigen Einkünften. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus:
Die streitigen Beträge seien nicht - wie das FA annehme - Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 6 Abs. 1 KStG, § 20 EStG). Nach der Nießbrauchsbestellung verfüge die Klägerin ab 1961 über keine eigenen Erträge aus wirtschaftlichem Vermögen mehr (BFH-Urteil vom 6. Juli 1966 VI 124/65, BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584). Sie stellten jedoch bei der Klägerin Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) dar.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 22 Nr. 1 EStG und beantragt, das Urteil des FG und die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und die Körperschaftsteuer für die Streitjahre auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Klägerin unterliegt als Stiftung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Bei der Ermittlung ihres Einkommens sind u. a. die Steuern vom Einkommen und die Vermögensteuer nichtabzugsfähige Ausgaben. Dieses Abzugsverbot kann sich indes nur auswirken, wenn die Klägerin in den Streitjahren tatsächlich ein Einkommen (§§ 5, 6 KStG) bezogen hat. Diese Frage hat das FG mit zutreffender Begründung bejaht.
a) Das FA ist der Ansicht, die Zahlung der Körperschaftsteuer und Vermögensteuer durch den Nießbraucher habe bei der Klägerin zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 6 KStG, § 20 EStG) geführt. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Allerdings wird auch im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, daß die Erstattung von Steuern des Eigentümers durch den Nießbraucher beim Eigentümer Einkünfte aus derjenigen Einkunftsart seien, die der Nießbraucher aufgrund seines Nießbrauchsrechtes nutzen könne (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 20 EStG Anm. 5-9; Foerster, Der Betrieb 1965 S. 644, der meint, im Umfang der Zahlungen stelle der Nießbraucher seine eigene Einkunftsquelle zur Verfügung). Diese Auffassung würdigt jedoch nicht in ausreichendem Maße, daß der Nießbraucher selbst kraft eigenen Rechts (originär) Einkünfte aus der ihm zur Nutzung überlassenen Einkunftsquelle bezieht (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 1. Februar 1972 VIII R 118/71, BFHE 104, 172, BStBl II 1972, 347). Der Nießbrauch, der im Streitfall ein Nießbrauch an Rechten ist, ist auch nicht in Höhe der zu zahlenden Steuerschulden des Eigentümers durch Ausschluß einzelner Nutzungen beschränkt worden (§ 1068 Abs. 2, § 1030 Abs. 2 BGB). Bei diesem Ausschluß des Nießbrauchers von einzelnen Nutzungen, wie sie das BGB zuläßt, handelt es sich um dingliche Beschränkungen des Nießbrauchs. Demgegenüber ist die vertraglich begründete Verpflichtung des Nießbrauchers, persönliche Steuerschulden des Eigentümers zu tragen, eine Verpflichtung rein schuldrechtlicher Art. Sie entzieht daher dem Nießbraucher auch nicht teilweise Einkünfte aus der ihm mit dem Nießbrauch übertragenen Einkunftsquelle. Die Zahlungen der persönlichen Steuerschulden des Eigentümers durch den Nießbraucher sind beim Nießbraucher Einkommensverwendungen. Dabei kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob die vertragliche Verpflichtung zur Begleichung dieser Schulden ein besonderer Verpflichtungsgrund ist, der es dem Nießbraucher gestatten könnte, die Zahlungen als Sonderausgaben (dauernde Lasten, § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte abzuziehen (verneinend bei fehlender vertraglicher Verpflichtung - im übrigen unentschieden - BFH-Urteil vom 11. Juli 1969 VI R 265/67, BFHE 96, 354, BStBl II 1969, 650).
b) Das FG hat jedoch zu Recht angenommen, daß die Klägerin, die der Nießbraucher durch seine Zahlungen von eigenen steuerlichen Verbindlichkeiten befreit hat, Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) erzielt hat. Entscheidendes Merkmal für wiederkehrende Bezüge ist, daß sich die Bezüge, die wie alle Einnahmen aus Geld oder Gütern mit Geldwert bestehen können, aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrundes mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen (BFH-Urteil vom 20. Juli 1971 VIII 24/65, BFHE 103, 410, BStBl II 1972, 170). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die aufgrund vertraglicher Vereinbarung regelmäßig erfolgte Befreiung von den persönlichen Steuerschulden ist eine in Geldeswert bestehende Einnahme (§ 8 EStG), die dem durch die Befreiung Begünstigten in dem Jahr zugeflossen ist, in dem der Verpflichtete die Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung geleistet hat (§ 11 EStG).
aa) Das FG hat sich im einzelnen mit der Auffassung de Klägerin befaßt, die Steuerzahlungen durch den Nießbraucher seien eine Gegenleistung für die Nießbrauchsbestellung. Die Vorinstanz hat dies verneint und dazu ausgeführt, daß der Nießbrauch im Streitfall in Ausführung einer Satzungsbestimmung bestellt worden sei und daß daher der Nießbraucher die streitigen Steuern nicht gezahlt habe, um den Nießbrauch zu erlangen. Die Pflicht des Nießbrauchers zur Zahlung dieser Lasten sei vielmehr eine sich unmittelbar aus der Tatsache der Nießbrauchsbestellung ergebende Verpflichtung. Jedenfalls aber sei die Lastentragung durch den Nießbraucher keine Kapitalrückzahlung oder dieser ähnliche Leistung im wirtschaftlichen Sinne. Denn der Nießbraucher zahle die Vermögensteuer der Klägerin nicht, weil er den Wert des ihm übertragenen Nießbrauches abgelten wolle.
Daß es sich bei den Zahlungen des Nießbrauchers um Kapitalrückzahlungen oder etwas wirtschaftlich Ähnliches (Entgelt) handle, behauptet die Klägerin selbst nicht. Dann spielt es aber im übrigen keine für die Entscheidung des Streitfalles bedeutsame Rolle, ob die Zahlungen als Gegenleistung für die Einräumung des Nießbrauchs geleistet worden sind. Solche Gegenleistungen bestehen auch in anderen Fällen, ohne daß dies der Annahme wiederkehrender Bezüge beim Empfänger der Zahlungen entgegenstünde. So können Geldleistungen, die Kinder ihren Eltern aus Anlaß der Übernahme eines Betriebs auf Lebenszeit zu entrichten haben, bei den Eltern als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG besteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1966 VI 365/65, BFHE 87, 563, BStBl III 1967, 243; Herrmann-Heuer, a. a. O., § 22 EStG Anm. 9 bis 10; Sauerland, Die einkommensteuerliche Behandlung privater und betrieblicher Renten, 7. Aufl., S. 51).
bb) Die Klägerin meint ferner, daß bei folgerichtiger Durchführung der vom FG vertretenen Auffassung (Annahme wiederkehrender Bezüge) nicht durch die Erstattung der Körperschaftsteuer und Vermögensteuer durch den Nießbraucher, sondern auch die der übrigen Kosten und Auslagen (z. B. Depotgebühren, Bankspesen, Gerichtsgebühren, Pensionen, Kuratoriumsgebühren) als Einnahmen der Stiftung betrachtet werden müßten. Aber auch dieser Einwand geht fehl. Es kann dahingestellt bleiben, ob alle die von der Klägerin erwähnten Aufwendungen des Nießbrauchers im Sinne von § 22 Nr. 1 EStG "regelmäßig wiederkehren". Eine Besteuerung beim Nießbrauchsbesteller dürfte im übrigen auch insoweit ausscheiden, als der Nießbraucher im Verhältnis zum Eigentümer bestimmte Lasten zu tragen hat, deren Entrichtung aus den Erträgen des Rechts erwartet werden darf (Gedanke des § 1047 in Verbindung mit § 1030 Abs. 2 BGB; vgl. Soergel-Baur, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 1047 Anm. 1). Insoweit dürfte auch für die steuerrechtliche Beurteilung davon ausgegangen werden können, daß ertragsmindernde Aufwendungen des Nießbrauchers im Rahmen der Einkunftsart vorliegen, deren sich der Nießbrauchsverpflichtete sowohl hinsichtlich der Nutzungen aus dem überlassenen Objekt als auch der darauf ruhenden Lasten entäußert hat. Übernimmt der Nießbraucher jedoch durch vertragliche Vereinbarung die Zahlung persönlicher Steuern des Eigentümers oder Nießbrauchsbestellers (ESt, KSt, VSt), so handelt es sich nicht mehr um objektgebundene Aufwendungen (vgl. die Grundsätze des BFH-Urteils VI R 265/67).
cc) Zuzustimmen ist der Klägerin darin, daß die Einbeziehung wiederkehrender Bezüge in den Kreis steuerpflichtiger Einkünfte auf dem Gedanken beruht, daß durch die sich wiederholenden Zuflüsse von Gütern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers für eine gewisse Zeit gestärkt wird. Gerade diese Voraussetzung aber liegt im Streitfall vor. Dadurch, daß sich die Klägerin persönliche Steuerschulden durch den Nießbraucher tilgen läßt, steht sie wirtschaftlich ebenso, wie wenn sie sich von vornherein einen Teil der Nutzungen an den Rechten zurückbehalten hätte. In diesem Falle wäre es offensichtlich, daß die Klägerin die ihr verbliebenen Einkünfte als solche aus Kapitalvermögen hätte versteuern müssen.
dd) Schließlich verweist die Klägerin darauf, daß sie die Körperschaftsteuer, die sich bei Annahme wiederkehrender Bezüge ergeben würde, mangels einer Übernahmevereinbarung mit dem Nießbraucher aus der Substanz zahlen müsse. Auch damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Die von der Klägerin angeführte Folgerung ergibt sich aus dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 2 KStG. Sie tritt in allen Fällen ein, in denen dem Einkommen des Steuerpflichtigen ein nicht abzugsfähiger Betrag in gleicher Höhe gegenübersteht. Diese Rechtsfolge ist also keine Besonderheit, die auf die Eigenart der im Streitfall vorliegenden wiederkehrenden Bezüge beschränkt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70880 |
BStBl II 1974, 423 |
BFHE 1974, 146 |