Leitsatz (amtlich)
1. Versicherungsprämien, die ein Arbeitgeber für einen Kfz-Unfallversicherungsvertrag leistet, um Betriebsangehörige und betriebsfremde Personen gegen Gesundheitsschädigungen bei Kraftfahrzeugunfällen auf Dienstreisen pauschal durch eine Personen- und Summenversicherung zu versichern, sind bei den Arbeitnehmern nicht lohnsteuerpflichtig, wenn ihnen kein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistungen aus der Versicherung zusteht.
2. Tagegelder, die aufgrund einer solchen Versicherung an den Arbeitgeber geleistet und an die Arbeitnehmer als Versicherte weitergeleitet werden, sind regelmäßig lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn sie keinen steuerfreien Ersatz z. B. für Schmerzensgeld und nicht von anderer Seite steuerfrei ersetzte Aufwendungen zur Beseitigung von Unfallfolgen darstellen.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1, § 24 Nr. 1a; LStDV § 2 Abs. 2-3; VVG § 74 ff., § 179 ff.
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, hat mit einer Versicherungsgesellschaft Kraftfahrzeug(Kfz)-Unfallversicherungsverträge abgeschlossen. Versicherungsnehmerin ist die Klägerin; versicherte Personen sind ohne namentliche Angaben:
a) Betriebsangehörige der Klägerin, die bei Dienstfahrten betriebsfremde Kfz aller Art benutzen und
b) betriebsfremde Personen, die in betriebsfremden Kfz von Betriebsangehörigen der Klägerin auf Dienstfahrten mitgenommen werden.
Betriebsfremde Kfz sind auch privateigene Kfz von Betriebsangehörigen. Die Entscheidung, ob es sich um eine Dienstfahrt handelt, wird von der Klägerin als Versicherungsnehmerin getroffen.
c) Versichert sind ferner ohne namentliche Angaben alle Personen, die mit Wissen und Willen der Klägerin firmeneigene Kfz benutzen, mit Ausnahme der von der Klägerin angestellten Berufsfahrer.
Die Höhe der Versicherungssumme richtet sich bei Betriebsangehörigen nach der Lohnsumme und bei betriebsfremden Personen nach der Art des benutzten Fahrzeugs. Es werden als Versicherungssumme Kapitalbeträge für den Todesfall, doppelt so hohe Kapitalbeträge bei Dauerfolgen und ein Tagegeld von 10 DM bzw. 20 DM gezahlt.
In den Streitjahren 1966 bis 1970 sind der Klägerin Versicherungsleistungen von insgesamt 49 331 DM ausschließlich für Betriebsangehörige zugeflossen, die sie an die Betriebsangehörigen weitergeleitet hat, ohne Lohnsteuer einzubehalten. Von diesem Betrag entfallen 24 000 DM auf Kapitalbeträge wegen Tod oder Dauerfolgen und 25 331 DM auf Tagegelder.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erblickt in den Tagegeldern lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn, da sie als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 1 LStDV gezahlt seien. Es forderte mit Haftungsbescheid vom 7. Mai 1971 die hierauf entfallende Lohnsteuer von 6 079,74 DM und Kirchenlohnsteuer von 425,56 DM von der Klägerin nach. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, die streitigen Versicherungen sollten aus der Sicht der Klägerin das spezifisch betriebliche Unfallrisiko, und zwar ein erhöhtes Verkehrsunfallrisiko im Zusammenhang mit häufiger Verwendung von Kfz, abdecken. Die Klägerin habe daher die Versicherungsprämien zu Recht als Betriebsausgaben behandelt. Es handle sich bei den privaten (vertraglichen) Auto-Insassen-Unfallversicherungen nicht um eine Schadensversicherung, sondern um eine Personen- und Summenversicherung. Die Leistungen der Versicherungsgesellschaft richteten sich nicht nach dem im Einzelfall entstandenen Schadensbetrag, sondern nach der im voraus vertraglich vereinbarten Versicherungssumme und dem regelmäßig abstrakten Grad der Erwerbsunfähigkeit bzw. nach der Höhe der vereinbarten Tagegelder (vgl. Urteile des BGH vom 15. Februar 1968 II ZR 101/65, NJW 1968, 837; vom 19. November 1955 VI ZR 214/54, BGHZ 19, 94 ff.; vom 19. April 1963 VI ZR 154/62, BGHZ 39, 249 ff.). Es komme mithin nicht darauf an, wie hoch der Schaden im Einzelfall gewesen sei und ob ein Dritter (etwa der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung) Ersatz zu leisten habe. Die Betriebsangehörigen der Klägerin hätten nach den Kfz-Unfällen aufgrund des Lohnfortzahlungsgesetzes bzw. betrieblicher Vereinbarungen ihre Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis unabhängig von den Leistungen der hier streitigen Unfallversicherung und einer evtl. Haftpflichtversicherung des Schädigers weiterbezogen. Die Leistungen aus den Unfallversicherungen seien daher weder steuerpflichtiger Ersatz für entgehende oder entgangene Einnahmen i. S. des § 24 Nr. 1 EStG (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 LStDV) noch steuerfreles Schmerzensgeld gewesen. Die den Betriebsangehörigen der Klägerin zugeflossenen Leistungen aus den Unfallversicherungen unterlägen aber trotzdem der Lohnsteuer. Sie seien Vorteile, die in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis der Empfänger zur Klägerin ständen. Sie beruhten auf Versicherungsprämien, die nicht die versicherten Betriebsangehörigen, sondern die Klägerin als Arbeitgeberin erbracht habe. Arbeitslohn sei alles, was aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zufließe. Es sei ohne Bedeutung, daß die Versicherungsleistungen den Betriebsangehörigen aufgrund unmittelbarer eigener Ansprüche (§ 75 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes - VVG -) gegen die Versicherungsgesellschaft zugeflossen seien.
Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung des § 38 Abs. 4 Satz 2 EStG (§ 46 LStDV) und der §§ 19 Abs. 1 und 24 Nr. 1 EStG (§ 2 LStDV). Sie meint, die streitigen Tagegelder seien nicht als Ersatz für entgangenen oder entgehenden Arbeitslohn gezahlt worden. Denn die Anwendung des § 24 Nr. 1 a EStG (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 LStDV) setze voraus, daß der Arbeitnehmer einen Verlust an Einnahmen erlitten habe, und daß die Entschädigung dem Ausgleich dieses Verlustes dienen solle (vgl. Urteil des BFH vom 20. November 1970 VI R 183/68, BFHE 101, 237, BStBl II 1971, 263). Ihre Betriebsangehörigen hätten im Streitfall unter Berücksichtigung der Lohnfortzahlung und der Leistung der Krankenkasse keinen Verdienstausfall erlitten. Die Kfz-Unfallversicherung und die Insassenversicherung bezweckten einen Ausgleich für Schäden, die den Versicherten oder ihren Hinterbliebenen aus einer durch ein bestimmtes Ereignis herbeigeführten Gesundheitsschädigung erwachse (vgl. Stiefel/Wussow/Hofmann, Kraftfahrversicherung, 9. Aufl., Anm. 1 zu § 16 AKB). Sie sei nicht als Lohnersatz gedacht und diene auch nicht diesem Zweck (vgl. Urteil des RFH vom 14. Juni 1939 VI 318/39, RStBl 1939, 910; FG Stuttgart, Urteil vom 10. Oktober 1961 I 603/61, EFG 1962, 209; Hessisches FG, Urteil vom 10. Januar 1969 I 1382/67, EFG 1969, 348).
Die Versicherungsleistungen seien auch nicht als sonstige Vorteile aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ständen den versicherten Autoinsassen, im Streitfall also den verunglückten Arbeitnehmern, zu (§§ 179 Abs. 2, 75 Abs. 1 VVG), auch wenn sie als Versicherungsnehmerin die Rechte aus den Unfallversicherungen im eigenen Namen ausüben müßte (§§ 179 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG, §§ 3 Abs. 2, 16 Abs. 5 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung - AKB -). Die Versicherungsentschädigungen seien den Arbeitnehmern mithin nicht von ihr, sondern von der Versicherungsgesellschaft zugewendet worden. Da die Zuwendungen als Ausgleich für Gesundheitsschäden gewährt werden, hätten sie nicht den Charakter eines Entgelts für Arbeitsleistungen. Das zeige sich auch darin, daß Leistungsempfänger auch Betriebsfremde sein könnten. Sie habe für dienstlich benutzte Kfz eine Insassen-Unfallversicherung abgeschlossen, weil sie als Halterin von dienstlich benutzten Kfz in Unglücksfällen den Insassen gegenüber haftpflichtig sei. Die Versicherungsleistungen aus der Insassen-Unfallversicherung seien auf die Ansprüche des verunglückten Insassen anrechenbar, wenn das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und Geschädigten dies zulasse. Das werde bei Arbeitsverhältnissen bejaht, wenn der Arbeitgeber für die in seinem Betrieb beschäftigten Leute eine Insassen-Unfallversicherung abgeschlossen habe (vgl. Stiefel/Wussow/Hofmann, a. a. O., Anm. 2 zu § 16 AKB, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Für den Abschluß der Versicherungsverträge sei daher nicht der Gesichtspunkt bestimmend gewesen, dem Arbeitnehmer mit der Versicherungsleistung ein zusätzliches Arbeitsentgelt zu gewähren. Sie habe die Insassen-Unfallversicherung mithin im eigenen Interesse abgeschlossen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Lohnsteuerhaftungsbescheid des FA vom 7. Mai 1971 und die Einspruchsentscheidung vom 17. September 1971 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es weist darauf hin, daß nach dem Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 29. Dezember 1955 S 2176-148/55 (abgedruckt in der Lohnsteuerkartei 1960 der OFD Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart zu § 2 Abs. 3 und 4 LStDV, Karte 1 Nr. 14) die an Arbeitnehmer aus einer Auto-Insassen-Unfallversicherung gezahlten Entschädigungen als laufende oder einmalige Bezüge nach § 24 Nr. 1 EStG (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 LStDV) insoweit steuerpflichtig seien, als sie einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellten. Der Erlaß gehe davon aus, die Auto-Insassen-Unfallversicherung werde nicht zugunsten eines bestimmten Arbeitnehmers, sondern für die Insassen eines bestimmten Kfz abgeschlossen. Die vom Arbeitgeber gezahlten Prämien seien daher weder Arbeitslohn noch Leistungen für die Zukunftsicherung der Arbeitnehmer. Andererseits seien die Leistungen aus der Versicherung im Schadensfall grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Bei den von der Klägerin abgeschlossenen Kfz-Unfallversicherungsverträgen handelt es sich um Versicherungen gegen Unfälle, die nicht der Klägerin als Versicherungsnehmerin, sondern dritten Personen auf Dienstfahrten zustoßen. Es sind dies sog. Versicherungen für fremde Rechnungen i. S. der §§ 179 ff., 74 ff. VVG. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag stehen den Versicherten unmittelbar zu (vgl. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. April 1965 3 Sa 313/64, DB 1965, 1050). Sie können jedoch grundsätzlich, so auch im Streitfall, nur von der Versicherungsnehmerin, hier also der Klägerin, geltend gemacht werden (§§ 75, 76 VVG, §§ 3 Abs. 2, 16 Nr. 5 AKB). Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FG beinhalten die Versicherungsverträge keine Schadensversicherung, sondern eine Personen- und Summenversicherung. Die Leistungen der Versicherungsgesellschaft richten sich nicht nach dem im Einzelfall entstandenen Schaden, sondern nach der im voraus vertraglich vereinbarten Versicherungssumme und nach der Höhe der vereinbarten Tagegelder. Diese Leistungen werden nach § 17 Nr. 2 AKB für "Gesundheitsschädigungen" erbracht, die der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig, hier durch einen Verkehrsunfall, erleidet.
2. Grundsätzlich ist alles das, was den Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zufließt, steuerpflichtiger Arbeitslohn. Denn nach § 19 Abs. 1 EStG (§ 2 Abs. 2 LStDV) gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen, ohne daß es darauf ankommt, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch darauf besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden. Es kommt letztlich nicht so sehr auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen mit dem Dienstverhältnis an (vgl. Entscheidungen des Senats vom 12. Dezember 1956 VI 10/55 U, BFHE 64, 106, BStBl III 1957, 40, und vom 28. Februar 1975 VI R 29/72, BFHE 115, 251, BStBl II 1975, 520).
Im Streitfall liegt ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den Versicherungsleistungen und dem Dienstverhältnis vor. Er ist darin begründet, daß die Klägerin die Versicherungsverträge vor allem für ihre Arbeitnehmer abschloß, die auf von ihr angeordneten Dienstfahrten oder bei von ihr gestatteter Benutzung firmeneigener Kfz Unfälle mit Gesundheitsschädigungen erlitten haben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß auch betriebsfremde Personen, die gelegentlich in betriebsfremden Fahrzeugen von Betriebsangehörigen der Klägerin auf Dienstfahrten mitgenommen werden oder mit Wissen und Willen der Klägerin firmeneigene Kfz benutzen, bei Kfz-Unfällen ähnliche Versicherungsleistungen erhalten. Denn es liegt insoweit ein anderer, wegen fehlendem Dienstverhältnis nicht vergleichbarer Sachverhalt vor.
Arbeitslohn kann auch vorliegen, wenn Beträge dem Arbeitnehmer nicht unmittelbar vom Arbeitgeber, sondern von dritter Seite als Ertrag aus dem Dienstverhältnis zufließen (vgl. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Arbeitslohn" zu Ziff. 3). Deshalb steht die Tatsache, daß den Arbeitnehmern Leistungen aus einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Versicherung zufließen, der Annahme von Arbeitslohn grundsätzlich nicht entgegen. Die Versicherungsleistungen fließen den Arbeitnehmern als Zahlungen zu, die ein Dritter, die Versicherungsgesellschaft, im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis leistet.
3. Bei der Beantwortung der Frage, welche Leistungen im Rahmen des hier streitigen Versicherungsverhältnisses steuerpflichtiger Arbeitslohn sind, ist zu unterscheiden:
a) Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß nicht schon die Beiträge zu den Versicherungsverträgen, soweit sie auf Arbeitnehmer entfallen, diesen als Aufwendungen der Klägerin für ihre (der Arbeitnehmer) Zukunftsicherung zuzurechnen und als zugeflossener Arbeitslohn zu behandeln sind. Der Senat hat keine Bedenken, dieser Beurteilung zu folgen. Abgesehen davon, daß sie der langjährigen Handhabung der Klägerin entspricht, können die Versicherungsverhältnisse auch deshalb nicht den Arbeitnehmern zugerechnet werden, weil es an dem für die Annahme einer Zukunftsicherungsmaßnahme erforderlichen unentziehbaren Rechtsanspruch der Arbeitnehmer fehlt (vgl. im einzelnen Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 2 Anm. 16, 8. Ergänzungslieferung; ständige Rechtsprechung, vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 28. März 1958 VI 104/56 U, BFHE 66, 696, BStBl III 1958, 267, und vom 11. Oktober 1974 VI R 173/71, BFHE 114, 50, BStBl II 1975, 275). Hiernach hat die Klägerin die Prämien zu Recht nicht als Arbeitslohn behandelt. Zwar sind diese, wie dargelegt, "Versicherte"; jedoch sind ihre Rechte dadurch, daß ein etwaiger Versicherungsanspruch nur von der Klägerin als der Versicherungsnehmerin geltend gemacht werden kann, so eingeschränkt, daß von einem unentziehbaren Rechtsanspruch i. S. der Rechtsprechung nicht gesprochen werden kann.
b) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß die sog. Invaliditätsentschädigungen, d. h. die Zahlungen von Kapitalbeträgen der Versicherungsgesellschaft für den Todesfall und den Eintritt von Dauerfolgen an Arbeitnehmer der Klägerin, nicht der Lohnsteuer unterliegen, da damit Schadensersatz für Gesundheitsschädigungen in Form von Schmerzensgeld und für evtl. von dritter Seite nicht ersetzte Krankheitskosten geleistet wird. Diese Auffassung entspricht offensichtlich auch der Ansicht von Hartz/Meeßen/Wolf (a. a. O., Stichwort "Schadensersatz" zu Ziff. 1 Abs. 4). Der Senat braucht hierauf nicht näher einzugehen, da er im Rahmen dieses Verfahrens nur über die Lohnsteuerpflicht der von der Versicherungsgesellschaft an die Klägerin gezahlten und von ihr an die Arbeitnehmer weitergeleiteten Tagegelder zu befinden hat.
c) Das FG hat die Lohnsteuerpflicht der Tagegelder im Ergebnis zu Recht bejaht.
Es ist hier von dem obigen Grundsatz auszugehen, daß Leistungen, die die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis aufgrund der von der Klägerin abgeschlossenen Versicherung erhalten, grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn sind. Hierzu zählen zwar nicht steuerfreie Zahlungen bei Berufsunfällen, wie z. B. Schmerzensgeld (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1959 IV 235/58 U, BFHE 70, 234, BStBl III 1960, 87) und die von dritter Seite (steuerfrei) ersetzten Aufwendungen zur Beseitigung der Unfallfolgen (u. a. Arzt- und Heilmittelkosten), die gemäß dem BFH-Urteil vom 2. März 1962 VI 79/60 S (BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192) Werbungskosten wären, wenn die Arbeitnehmer diese Aufwendungen selbst tragen müßten. Wie oben zu b) dargelegt, gehen die Beteiligten davon aus, daß die von ihnen steuerfrei behandelten Invaliditätsentschädigungen einen Ersatz solcher Aufwendungen darstellen. Das FG hat allerdings zur Höhe dieser Aufwendungen im einzelnen keine Feststellungen getroffen. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß das FA schon von sich aus die Kapitalzahlungen steuerfrei gelassen hat. Die Klägerin trägt nicht vor, daß die steuerfrei ersetzbaren Aufwendungen die Höhe der Kapitalzahlungen etwa erreicht oder gar überschritten hätten. Es ist deshalb davon auszugehen, daß den - allein im Streit befindlichen - Tagegeldern steuerfrei ersetzbare Aufwendungen nicht mehr gegenüberstehen, so daß die Tagegelder voll der Lohnsteuer zu unterwerfen sind.
Die streitigen Tagegelder zeigen ihrem Wesen nach eine gewisse Ähnlichkeit mit Krankentagegeldern einer privaten Krankenversicherung, die nicht als Ersatz für als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähige Krankheitskosten gezahlt werden. Die hier zur Rede stehenden Tagegelder werden nach § 18 Nr. II Abs. 3 AKB für die Zeit der ärztlichen Behandlung geleistet und auch darüber hinaus, wenn und soweit die Arbeitsbehinderung aufgrund der Gesundheitsschädigung in angemessenen Zeiträumen ärztlich bescheinigt wird. Krankentagegelder sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu § 33 EStG (vgl. Urteile vom 15. September 1961 VI 231/60 U, BFHE 73, 687, BStBl III 1961, 516, und vom 22. Oktober 1971 VI R 242/69, BFHE 104, 63, BStBl II 1972, 177) ebenfalls nicht unmittelbar dazu bestimmt, die durch die Krankheit verursachten Kosten zu ersetzen; denn sie sind nicht zweckgebunden. Sie dienen, wie der Senat in obigen Entscheidungen ausführte, vor allem dazu, Einnahmeausfälle auszugleichen. Deshalb dürfen sie nach der Rechtsprechung des Senats nicht bei Berechnung der steuerlich berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastungen von den Krankheitskosten gekürzt werden. Dieser Gesichtspunkt ist auch im Streitfall maßgebend, obwohl es sich hier nicht um die Anrechenbarkeit von Versicherungsleistungen bei der Geltendmachung von Krankheitskosten nach § 33 EStG handelt. Da mit dem Tagegeld kein zweckgebundener Schadensersatz für Gesundheitsschädigungen geleistet wird, liegt gemäß den obigen Ausführungen steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.
Die Tagegelder waren von der Klägerin voll der Lohnsteuer zu unterwerfen, da sie in deren Auszahlung schon dadurch eingeschaltet war, daß sie allein die Versicherungsansprüche geltend machen konnte (vgl. Urteil des Senats vom 13. März 1974 VI R 212/70, BFHE 112, 150, BStBl II 1974, 411). Das FA hat folglich die Klägerin zu Recht wegen der nicht abgeführten Lohnsteuer in Anspruch genommen.
Die Revision ist daher im Ergebnis unbegründet.
Fundstellen
BStBl II 1976, 694 |
BFHE 1977, 247 |
NJW 1976, 1912 |