Leitsatz (amtlich)
1. Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG ist auch anwendbar im Falle einer außerordentlichen Kündigung (§ 11 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes), die wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam ist.
2. Bei Abfindungen, die in Vergleichen vereinbart werden, kann eine Steuerbefreiung nur unter den gleichen Voraussetzungen und in dem gleichen Ausmaß erfolgen wie bei Abfindungen, die durch ein Urteil des Arbeitsgerichts festgesetzt worden sind.
Normenkette
EStG 1961 § 3 Nr. 9
Tatbestand
Streitig ist im Lohnsteuer-Haftungsverfahren die Steuerpflicht einer Entschädigung von 17 440 DM, die die Klägerin und Revisionsbeklagte, eine Molkereigenossenschaft, im Jahre 1963 an den bei ihr beschäftigten Betriebsleiter A anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlt hat.
Am 27. November 1962 wurde zwischen der Klägerin und dem Betriebsleiter ein Vergleich abgeschlossen, der u. a. folgendes bestimmt: (1) Die Parteien sind sich darüber einig, daß der zwischen ihnen bestehende Dienstvertrag im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. März 1963 beendet ist. Sie sind sich weiter darüber einig, daß Herr A berechtigt ist, seine Tätigkeit für die Molkereigenossenschaft am 30. November 1962 zu beenden. Hierdurch wird sein Anspruch auf Gehalt bis zur vorgesehenen Auflösung des Dienstvertrages (31. März 1963) nicht berührt. (2) Die Molkereigenossenschaft zahlt Herrn A auf der Grundlage der §§ 7 und 8 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) einen einmaligen Betrag von 17 440 DM netto. Dieser Betrag ist bei Beendigung des Dienstvertrages (31. März 1963) zur Zahlung fällig.
Das FA ging davon aus, daß der Betriebsleiter den Bestimmungen des KSchG unterlag, da er nach dem Anstellungsvertrag in Verbindung mit dem Genossenschaftsstatut zwar für die Einstellung und Entlassung von Personal verantwortlich war, seine Befugnisse jedoch im Einvernehmen mit dem Vorstand der Genossenschaft auszuüben hatte, also nicht selbständig im Sinne des § 12 Buchstabe c KSchG Arbeitnehmer einstellen oder entlassen konnte. Es beurteilte die Entschädigung jedoch deswegen nicht nach § 3 Nr. 9 EStG als steuerfrei, weil eine Kündigung nicht ausgesprochen worden sei. Es berichtigte mit dem Einspruchsbescheid zwar die in dem Haftungsbescheid auch aus anderen Gründen angeforderte Lohnsteuer, wies den Einspruch hinsichtlich der begehrten Steuerfreiheit der Entschädigung jedoch zurück.
Auf die Berufung der Klägerin änderte das FG Einspruchsentscheidung und Lohnsteuer-Haftungsbescheid, indem es den Nachforderungsbetrag um die auf die Abfindung entfallenden Steuerabzugsbeträge ermäßigte. Zu der Frage, ob eine Kündigung erfolgt ist, erhob das FG Beweis durch Vernehmung des Rechtsanwalts B, der als Vertreter der Genossenschaft die entscheidenden Verhandlungen mit A geführt hatte, und des Betriebsleiters A. Auf Grund der Beweisaufnahme sah das FG es als erwiesen an, daß das Arbeitsverhältnis des Betriebsleiters A fristlos gekündigt und somit eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 11 Abs. 1 KSchG ausgesprochen wurde. Es führte unter Berufung auf Hartz-Over (ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Entschädigungen" Ziff. 3 Abs. 2) und Oeftering-Görbing (Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 6 Anm. 8 Abs. 4 - Bl. 7, 1) aus, daß nach § 3 Nr. 9 EStG (§ 6 Nr. 7 LStDV) eine auf Grund des § 11 Abs. 1 Satz 3 KSchG gezahlte Abfindung in gleicher Weise steuerfrei sei wie eine auf §§ 7 und 8 KSchG beruhende Abfindung. Die Befreiung gelte auch, wenn die Entschädigung auf Grund einer außergerichtlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt werde und wenn anzunehmen sei, daß das Arbeitsgericht eine entsprechende Abfindung auf Grund des KSchG festgesetzt hätte (Urteil des BFH VI 54/62 U vom 27. September 1963, BFH 77, 532, BStBl III 1963, 514). Die ausgesprochene Kündigung sei nicht schon wegen Fehlens der vereinbarten Schriftform unwirksam. Eine solche Abrede diene lediglich der Sicherung des Zugehens einer Kündigungserklärung. In einem solchen Falle solle im Zweifel auch eine in anderer, hier in mündlicher Form erfolgte Kündigung nach dem Willen der Parteien wirksam sein, sofern sie zur Kenntnis des Gegners komme. Das ergebe sich auch daraus, daß keiner von ihnen die Wirksamkeit der nur mündlich abgegebenen Kündigungserklärung in Frage gestellt habe. Die fristlose Kündigung sei vielmehr allein deshalb unwirksam gewesen, weil kein wichtiger Grund, der zur fristlosen Kündigung berechtigte, vorgelegen habe. Ein solcher sei nur bei ganz groben Verstößen gegen das auf Grund des Arbeitsvertrages bestehende Vertrauensverhältnis gegeben. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung jedoch glaubhaft versichert, daß die Tatsachen, die zu der Lösung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, nicht von dieser Art gewesen seien. Für die Entlassung seien vielmehr letztlich Spannungen zwischen Vorstand und Betriebsleiter, die im Bereich des Persönlichen gelegen hätten, maßgebend gewesen. Der Abfindungsbetrag, der fast 11 Monatsgehälter ausmache, sei in Anbetracht der 16jährigen bei der Klägerin verbrachten Dienstzeit der Höhe nach auch angemessen gewesen. Dabei handele es sich nicht - auch nicht zum Teil - um bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zu zahlendes Gehalt, sondern um eine Abfindung auf Grund des KSchG.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision macht das FA geltend, daß nach § 11 KSchG gezahlte Abfindungen nicht unter die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG fielen. Die in den Fällen der §§ 7 und 8 KSchG maßgebenden sozialen Gesichtspunkte seien bei der außerordentlichen Kündigung nicht gegeben; bei einer solchen Kündigung komme es nur darauf an, ob ein wichtiger Grund für die Entlassung vorliege. Eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine bis zum 31. März 1963 befristete Kündigung sei nach § 11 Abs. 2 KSchG nicht möglich, so daß auch hiernach die §§ 7, 8 KSchG nicht unmittelbar anzuwenden seien. Zudem sei die fristlose Kündigung durch den Vergleich zurückgenommen worden. Dafür spreche die Formulierung in Nr. 1 des Vergleichs, daß die Parteien den Dienstvertrag im gegenseitigen Einvernehmen beenden wollten. Die Vorinstanz nehme eine außerordentliche Kündigung an, ohne den Grund der Entlassung näher anzugeben. Infolge ungenügender Aufklärung des Sachverhalts stehe nicht fest, welchen Grund die Entlassung hatte. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die bestehenden Meinungsverschiedenheiten im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden seien. Gehe man davon aus, daß die Steuerfreiheit nicht nur bei einer ordentlichen, frühestens mit sechsmonatiger Frist zum Jahresschluß möglichen Kündigung, sondern auch bei einer außerordentlichen Kündigung gegeben sei und daß der Vergleich die fristlose Kündigung nicht beseitigt habe, dann hätte auf Antrag des Betriebsleiters die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur zum 27. November 1962 erfolgen können. Das bedeute, daß das Gehalt, das vom 1. Dezember 1962 bis zum 31. März 1963 ohne Dienstleistung gezahlt worden sei, bereits Teil der Abfindung sei. Die Gehaltsbezüge für diese Zeit müßten also dem Abfindungsbetrag von 17 440 DM hinzugerechnet werden, wodurch die 12-Monatsgrenze des § 8 KSchG überschritten werde. Das gelte auch, wenn der Betriebsleiter auf Grund des Vergleichs berechtigt gewesen sei, seine Tätigkeit zum 30. November 1962 zu beenden.
Die Klägerin hält die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG für anwendbar und meint, daß eine unwirksame fristlose Kündigung zumindest als Kündigung für den nächst zulässigen Kündigungszeitpunkt anzusehen sei, auf die dann §§ 7 und 8 KSchG unmittelbar anzuwenden seien. Das vom FG festgestellte Beweisergebnis könne in der Revisionsinstanz nicht angegriffen werden (§ 118 Abs. 2 FGO). A sei auf Grund der fristlosen Kündigung und nicht "freiwillig" aus dem Dienst ausgeschieden. Die Zahlungen für die Zeit vom 1. Dezember 1962 bis 31. März 1963 seien Gehaltszahlungen, die nicht als Abfindung gewertet werden könnten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zulässig und begründet.
1. Die Frage, ob nach der Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteil VI R 117/66 vom 12. Januar 1968, BFH 91, 306, BStBl II 1968, 324) überhaupt der Arbeitgeber im Lohnsteuer-Haftungsverfahren in Anspruch zu nehmen war oder ob nicht von vornherein der Betriebsleiter A als Steuerschuldner hätte in Anspruch genommen werden müssen, ist weder vom FA noch vom FG erörtert und auch von den Parteien nicht angesprochen worden. Nach der Rechtsprechung des Senats darf der Arbeitgeber in der Regel als Haftender nicht herangezogen werden, wenn die Lohnsteuer bei dem Arbeitnehmer genauso schnell hereingeholt werden kann, besonders wenn der Arbeitnehmer ohnehin zu veranlagen ist. Die Frage, ob der Betriebsleiter A für 1963, das Zahlungsjahr, zu veranlagen ist, ist nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig zu beantworten. Sie kann auch dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Falle besteht ein Interesse der Beteiligten daran, daß das Verfahren gegenüber dem Arbeitgeber durchgeführt wird, weil hinsichtlich der Abfindung eine Nettovereinbarung getroffen worden ist. Wäre die Abfindung steuerpflichtig, so müßte der zu zahlende Steuerbetrag im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragen werden. Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, das vorinstanzliche Urteil wegen dieser Frage zu beanstanden, zumal die Klägerin selbst die Frage nicht aufgegriffen hat.
2. Zutreffend geht das FG davon aus, daß im Rahmen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG in der Fassung vom 15. August 1961 (BGBl I 1961, 1253, BStBl I 1961, 509) den Abfindungen, die nach §§ 7 und 8 KSchG gezahlt werden, nicht nur die in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht festgesetzten Abfindungen, sondern auch die in außergerichtlichen Vergleichen vereinbarten Abfindungen gleichstehen, sofern auch hier die weiteren dort genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Senat hat schon im Urteil VI R 11/66 vom 14. April 1967 (BFH 88, 516, BStBl III 1967, 482) ausgesprochen, daß er keine Bedenken habe, die entsprechende, in Abschn. 12 LStR 1962 enthaltene Verwaltungsanweisung als eine zutreffende Auslegung des Gesetzes anzusehen, zumal in Art. 1 Nr. 1 StÄndG vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217) die außergerichtlichen und die gerichtlichen Vergleiche hinsichtlich der Entlassungsentschädigungen bei der Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG inzwischen ausdrücklich einander gleichgestellt wurden. Die Tatsache, daß hier die Abfindung in einem außergerichtlichen Vergleich vereinbart worden ist, steht also ihrer Steuerfreiheit nicht entgegen.
3. FA und FG gehen auch zutreffend davon aus, daß der Betriebsleiter A nicht zu den in § 12 Buchstabe c KSchG aufgeführten Personen gehört, auf die der erste Abschnitt des KSchG keine Anwendung findet. Da der Betriebsleiter A bei der Einstellung oder Entlassung der Arbeitnehmer an das Einvernehmen mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Klägerin gebunden war, konnte er insoweit nicht selbständig im Sinne der bezeichneten Vorschrift tätig werden.
4. Die Kündigung - unterstellt, daß eine solche ausgesprochen worden ist - war eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 11 KSchG und keine ordentliche Kündigung im Sinne des § 1 KSchG. Eine ordentliche Kündigung wäre mit sechsmonatiger Frist frühestens zum 31. Dezember 1963 möglich gewesen. Es ist demnach die grundsätzliche Frage zu entscheiden, ob die Vorschrift des § 3 Nr. 9 EStG nur im Falle einer sozial ungerechtfertigten ordentlichen Kündigung oder ob sie auch im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung anwendbar ist.
Während die ordentliche Kündigung regelmäßig nur unter Einhaltung einer gesetzlich oder vertraglich festgelegten Frist möglich ist, führt die außerordentliche Kündigung regelmäßig zu einer vorzeitigen, oft fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist dafür aber von dem Vorliegen eines gesetzlich oder vertraglich bestimmten wichtigen Grundes abhängig. Das KSchG trifft in seinen §§ 1 bis 10 zunächst Regelungen für den Fall, daß eine ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Es schreibt dann in § 11 Abs. 1 Satz 2 für außerordentliche Kündigungen vor, daß ihre Rechtsunwirksamkeit nur nach Maßgabe des § 3 Satz 1 (Anrufung des Arbeitsgerichts) und der §§ 4 bis 6 geltend gemacht werden kann. Damit wird die Feststellung, ob eine außerordentliche Kündigung wegen Fehlens eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam ist, ebenfalls den Modalitäten des KSchG unterworfen. Die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit kann auch in diesem Fall nur innerhalb von drei Wochen durch Klage beim Arbeitsgericht erfolgen. Liegt ein anerkannter Kündigungsgrund vor, so ist die Kündigung rechtswirksam. Die Frage, ob eine solche Kündigung sozialwidrig ist, kann nicht auftauchen (ebenso Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 6. Aufl. 1968, § 1 Anm. 27; Nikisch, Arbeitsrecht, 1. Band, 3. Aufl. 1961 S. 795). Wie bei einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KSchG) wird aber in § 11 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch für die außerordentliche Kündigung vorgeschrieben, daß, wenn das Gericht feststellt, daß die außerordentliche Kündigung rechtsunwirksam, dem Arbeitnehmer jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen hat. Die Vorschriften des § 7 Abs. 2 KSchG (Festsetzung eines Zeitpunktes für die Auflösung) und der §§ 8 bis 10 KSchG (in § 8 insbesondere Höhe der Abfindung) gelten entsprechend.
Hiernach sind Geltendmachung und Folgen bei rechtsunwirksamen sozialwidrigen ordentlichen Kündigungen und rechtsunwirksamen außerordentlichen Kündigungen, bei denen kein wichtiger Grund vorliegt, im Ergebnis gleichartig geregelt. Hinzu kommt, daß das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers im Falle einer außerordentlichen Kündigung kein geringeres als das im Falle einer ordentlichen Kündigung ist. In beiden Fällen würde die Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen vom Arbeitnehmer nicht verursachten einschneidenden Einschnitt bedeuten. Es entspricht dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 9 EStG, dem Arbeitnehmer die sich aus solchen einschneidenden Veränderungen ergebenden Belastungen zu erleichtern. Der Senat sieht daher keine Bedenken, den § 3 Nr. 9 EStG auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung (§ 11 Abs. 1 KSchG), die wegen Fehlens eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam ist, anzuwenden.
Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, daß in § 11 KSchG nur die entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 2 und der §§ 8 bis 10 KSchG vorgeschrieben wird. Die Verweisung auf die Vorschrift des § 7 Abs. 1 KSchG, die die Befugnis des Arbeitsgerichts zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung enthält, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, wäre überflüssig gewesen, da dieselben Rechtsfolgen für die außerordentliche Kündigung in § 11 Abs. 1 Satz 3 KSchG ausdrücklich in gleichartiger Weise geregelt werden. Die weiteren in § 7 Abs. 1 KSchG enthaltenen Vorschriften über eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommen für eine entsprechende Anwendung im Falle einer außerordentlichen Kündigung ohnehin nicht in Betracht. Die Verweisung in § 11 Abs. 1 letzter Satz KSchG, insbesondere auf die Vorschriften des § 8 KSchG über die Höhe der Abfindung, zeigen darüber hinaus, daß auch der Gesetzgeber von der Gleichartigkeit der Interessenlage bei sozialwidrigen ordentlichen Kündigungen und außerordentlichen Kündigungen, die wegen Fehlens eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam sind, ausgegangen ist.
5. In seinem Urteil VI R 304/66 vom 14. April 1967 (BFH 88, 459, BStBl III 1967, 431) hat der Senat festgestellt, daß durch die Regelung in § 3 Nr. 9 EStG, nach der auch in Vergleichen festgesetzte Entschädigungen unter die Steuerbefreiungsvorschrift fallen, vermieden werden soll, daß die Beteiligten gezwungen sind, wegen der Steuerfreiheit einer Abfindung bei einer sozial nicht gerechtfertigten Kündigung des Arbeitgebers die Entscheidung der Arbeitsgerichte herbeizuführen. Aus der Gleichstellung der vergleichsweise vereinbarten Abfindungen mit den von den Arbeitsgerichten festgesetzten ergebe sich, daß eine Freistellung von der Lohnsteuer auch nur unter den gleichen Voraussetzungen und in dem gleichen Ausmaße erfolgen kann wie bei den gerichtlich festgesetzten Entlassungsentschädigungen.
Diese Grundsätze sind bei Entschädigungen wegen rechtsunwirksamer außerordentlicher Kündigungen nach § 11 Abs. 1 KSchG entsprechend anzuwenden. Danach ergibt sich das Folgende:
a) FA und FG haben zutreffend zunächst geprüft, ob überhaupt eine Kündigung des Arbeitgebers vorliegt. Das FG hat aus der durchgeführten Beweisaufnahme den Schluß gezogen, daß eine solche Kündigung ausgesprochen worden ist. An diese im Rahmen einer möglichen Beweiswürdigung getroffene Feststellung, die auch vom Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen wird, ist der BFH gebunden.
b) Es muß sich um eine rechtsunwirksame Kündigung handeln, für die es an einem wichtigen Grunde fehlt. Das FG hat hierzu festgestellt, daß ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nicht vorlag. Es hat diese Feststellung auf die nach seiner Auffassung glaubhafte Versicherung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestützt, daß die Tatsachen, die zu der Lösung des Arbeitsverhältnisses führten, keinen groben Verstoß gegen das auf Grund des Arbeitsvertrages bestehende Vertrauensverhältnis bedeutet und damit keinen wichtigen Grund dargestellt hätten. Für die Entlassung seien vielmehr Spannungen zwischen Vorstand und Betriebsleiter, die im Bereich des Persönlichen lagen, maßgebend gewesen. Einzelne Tatsachen oder Vorgänge, auf die diese Feststellungen gestützt werden könnten, sind in dem Urteil des FG nicht enthalten. Hierzu rügt das FA mit Recht, daß infolge ungenügender Aufklärung des Sachverhalts nicht feststehe, welchen Grund die Entlassung hatte.
Hätte der Betriebsleiter tatsächlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben, so käme eine Steuerfreiheit der Entlassungsentschädigung nicht in Betracht. Die Nachholung dieser Feststellungen ist jedoch nicht mehr erforderlich, weil die Klage schon aus einem anderen Grunde (unten c und d) abzuweisen ist.
c) Bei rechtsunwirksamer außerordentlicher Kündigung wird das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Es kann nach § 11 Abs. 1 Satz 3 KSchG nur auf Antrag des Arbeitnehmers vom Arbeitsgericht aufgelöst werden, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dementsprechend muß ein Vergleich, wie er vorliegendenfalls gegeben ist und an die Stelle des Urteils tritt, eine Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses enthalten.
Hinsichtlich des Zeitpunktes der Auflösung finden nach § 11 Abs. 1 letzter Satz KSchG die Vorschriften des § 7 Abs. 2 KSchG entsprechende Anwendung. Nach diesen Vorschriften hat das Arbeitsgericht bei einer sozialwidrigen, ordentlichen Kündigung für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem das Verhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Das Gesetz schreibt also vor, daß hinsichtlich des Auflösungszeitpunktes die Rechtswirksamkeit der Kündigung zu unterstellen ist. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Falle einer außerordentlichen Kündigung bedeutet, daß das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt aufzulösen ist, zu dem die außerordentliche Kündigung, wenn sie nicht unwirksam gewesen wäre, wirksam geworden wäre. Die gleiche Auffassung vertritt das Bundesarbeitsgericht (Urteile 2 AZR 71/56 vom 23. Januar 1958, Hueck-Nipperdey-Dietz, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsgerichtliche Praxis - AP - Nr. 11 zu § 13 KSchG, und 5 AZR 278/67 vom 22. Februar 1968, AP Nr. 22 zu § 7 KSchG) und überwiegend die arbeitsrechtliche Literatur (Hueck, a. a. O., § 11 Anm. 6; Herschel-Steinmann, Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 5. Aufl. 1961 § 11 Anm. 6b, und die dort aufgeführten weiteren Autoren). Dieser Zeitpunkt wäre im vorliegenden Falle der 27. November 1962 gewesen.
d) Als Abfindung ist nach § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 letzter Satz KSchG höchstens ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Nach den Feststellungen des FG entspricht der Abfindungsbetrag von 17 440 DM fast 11 Monatsgehältern. Diesem Betrage müssen jedoch die Bezüge hinzugerechnet werden, die der Betriebsleiter nach dem Vergleich für die Zeit vom 28. November 1962 bis 31. März 1963 erhalten hat. Da das Arbeitsgericht nach den Vorschriften des KSchG nur den 27. November 1962 als Zeitpunkt für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hätte bestimmen können, muß dieser Zeitpunkt auch dann zugrunde gelegt werden, wenn Vereinbarungen in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich getroffen werden. Es erscheint nicht vertretbar, Abfindungen auf Grund derartiger Vereinbarungen bei Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG anders und großzügiger zu behandeln, als es bei Abfindungen, die in Urteilen der Arbeitsgerichte festgesetzt werden, möglich wäre. Die Bezüge des Betriebsleiters für die fragliche Zeit müssen daher für die Beurteilung, ob die Abfindung den Betrag von 12 Monatsverdiensten nicht übersteigt, mitberücksichtigt werden. Rechnet man aber die für die Zeit vom 27. November 1962 bis 31. März 1963 weiter gezahlten laufenden etwa vier vollen Monatsgehälter dem fast 11 Monatsgehälter umfassenden ursprünglichen Abfindungsbetrag von 17 440 DM hinzu, so wird der Betrag von 12 Monatsverdiensten erheblich überschritten. Abfindungen, die diese Grenze übersteigen, fallen jedoch nicht mehr unter die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 9 EStG. Das ist in der für den vorliegenden Fall geltenden Fassung dieser Vorschrift für Vergleiche vor dem Arbeitsgericht ausdrücklich ausgesprochen, muß entsprechend aber auch für Vereinbarungen gelten, die in außergerichtlichen Vergleichen enthalten sind.
Der Einspruchsbescheid war hiernach unter Abweisung der Klage wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 68801 |
BStBl II 1970, 4 |
BFHE 1970, 2 |