Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
übernimmt der Grundstückserwerber zusätzlich zum Barkaufpreis eine Hypothek für ein niedrig verzinsliches Wohnungsbaudarlehen aus Wohnungsfürsorgemitteln einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, so ist diese Schuld bei Ermittlung des Wertes der Gegenleistung nicht mit dem Nennwert, sondern - entsprechend der niedrigeren Verzinslichkeit - mit einem unter dem Nennwert liegenden Wert anzusetzen.
In der vom Grundstückserwerber übernommenen Verpflichtung, Wohnungen Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf eine gewisse Zeit mietverbilligt zu überlassen, liegt eine sonstige Leistung, deren Wert unter Würdigung aller Umstände nur mit der gebotenen Vorsicht ermittelt werden kann.
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 14 Abs. 1, § 12 Abs. 1
Tatbestand
Nach den unstreitigen Sachverhaltsfeststellungen erwarb die Klägerin durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom ... September 1958 ein Grundstück zum Kaufpreis von X DM. Außerdem übernahm sie u. a. ohne Anrechnung auf den Kaufpreis eine Hypothek mit dem Nennwert von Y DM und das dingliche Wohnungsbesetzungsrecht zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft i. S. des § 6 des II. WoBauG (im folgenden: ö. r. Körperschaft).
Nach dem vorangegangenen Darlehnsvertrag zwischen der ö. r. Körperschaft und der Verkäuferin, in den die Klägerin eingetreten ist, gewährte die ö. r. Körperschaft auf Grund ihrer Bestimmungen über die Wohnungsfürsorge aus Wohnungsfürsorgemitteln (§ 6 Abs. 2 Buchst. c des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WoBauG -) ein mit 4 v. H. zu verzinsendes und mit jährlich 1 v. H. zuzüglich ersparter Zinsen zu tilgendes Wohnungsbaudarlehen an die Verkäuferin (Bauherr), die sich ihrerseits verpflichtete, von dem nach den Bestimmungen des steuerbegünstigten Wohnungsbaus geschaffenen Wohnraum zehn Wohnungen (von der Klägerin als Einfachstwohnungen bezeichnet) auf mindestens 20 Jahre der ö. r. Körperschaft für Angehörige des öffentlichen Dienstes gegen die Kostenmiete zu überlassen. Die ö. r. Körperschaft behielt sich eine Mietpreisänderung vor, solange der Zinssatz unter 4 v. H. gesenkt war. Ergab die Wirtschaftlichkeitsberechnung, daß die Grundstückserträge bei einer für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes tragbaren Miete zur vollen Verzinsung des Darlehens nicht ausreichten, so war die ö. r. Körperschaft bereit, den Zinssatz außervertraglich und widerruflich zu senken. Bei einer Verbesserung des Ertrags (etwa durch Wegfall von Lasten, Mieterhöhungen usw.) war der Bauherr verpflichtet, diese Beträge zur Zahlung des Zinses bis zur vertraglichen Höhe von 4 v. H. zu verwenden. Der Bauherr konnte das Darlehen mit Sechs-Monatsfrist jährlich kündigen; für die ö. r. Körperschaft war es grundsätzlich - außer bei vertragswidrigem Verhalten des Bauherrn - unkündbar. Auf Grund der Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist der Zinssatz auf 0,4 v. H., 1,5 v. H. und ab 1. Juli 1959 auf 0,53 v. H. festgesetzt worden. Diese Zinssenkung entsprach einer unter der Kostenmiete von der ö. r. Körperschaft festgesetzten Miete.
Gegen den Steuerbescheid, in dem das Finanzamt (FA) die Hypothek mit dem Nennwert als Gegenleistung angesetzt hatte, wandte die Klägerin mit ihrem Einspruch ein, sie habe die Hypothek nicht in Anrechnung auf den Kaufpreis, sondern zusätzlich übernommen; die Hypothekenschuld dürfe nur mit ihrem abgezinsten Wert als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung bewertet werden.
Nach ablehnender Einspruchsentscheidung hatte die Berufung der Klägerin Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit ihrer Zustimmung durch Zwischenurteil, daß die Hypothek bei Errechnung der Gegenleistung nur mit dem abgezinsten Betrag anzusetzen sei.
Seine Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - stützt das FA darauf, daß der niedrige Zinssatz als besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG nicht in Betracht komme, da dieser Vorteil durch die Nachteile des Wohnungsbesetzungs- und Mietfestsetzungsrechtes der ö. r. Körperschaft aufgewogen werde. Zumindest müßten diese Rechte als bewertungsfähige, von der Klägerin übernommene Lasten der Gegenleistung hinzugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die rechtliche Würdigung des FG, daß die Klägerin im Rahmen der Vertragsgestaltung die Hypothek nicht in Anrechnung auf einen (fest bestimmten) Kaufpreis, sondern zusätzlich zur vereinbarten Leistung übernommen hat, ist möglich und mit der Revision nicht angegriffen. Die Hypothek ist also als unmittelbare Gegenleistung mit ihrem Wert (§ 10 Abs. 1 GrEStG) der Besteuerung zugrunde zu legen.
Für die Bewertung dieser Hypothek gelten (vorbehaltlich der einzelnen Steuergesetze) die allgemeinen Bewertungsvorschriften der §§ 2 bis 17 BewG (gegebenenfalls § 17 a; = §§ 2 bis 16 BewG 1965; vgl. § 1 BewG; Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., § 10 Tz. 30). Als Wert kommt gemäß § 14 Abs. 1 BewG (§ 12 Abs. 1 BewG 1965) regelmäßig der Nennwert in Betracht, wenn nicht "besondere Umstände" einen höheren oder geringeren Wert begründen. § 14 Abs. 3 BewG (§ 12 Abs. 3 BewG 1965) scheidet für den Streitfall aus, da er nur für unverzinsliche Schulden gilt.
Ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze konnte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß die vertraglichen Abreden über Hypothekenbestellung und Zinssenkung als Einheit sich derart wechselseitig bedingen, daß nicht eine mit 4. H., sondern eine nur gering verzinsliche Hypothekenschuld mit längerer Laufzeit zu bewerten ist. Das FG hat sich mit der Frage, ob der Vorteil der niedrigen Verzinslichkeit durch andere Nachteile - besonders hinsichtlich des Wohnungsbesetzungs- und des Mietfestsetzungsrechtes des Darlehnsgläubigers - aufgewogen wird, nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Es ist jedoch insoweit zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, daß die Hypothek im Streitfall nur erheblich unter ihrem Nennwert anzusetzen ist.
Die niedrige Verzinslichkeit einer Schuld (hier 0,4 v. H., 1,5 v. H., bzw. ab 1. Juli 1959 0,53 v. H.) in Verbindung mit einem niedrigen Tilgungssatz (1. v. H. zuzüglich ersparter Zinsen) bei entsprechend langer Laufzeit (rd. 80 Jahre) und mit der Unkündbarkeit rechtfertigt als besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG eine erheblich unter dem Nennwert liegende Bewertung. Der Umfang der Minderbewertung richtet sich nach der tatsächlichen (wirtschaftlichen) Wertminderung im Einzelfall und ist naturgemäß insofern begrenzt, als der Abschlag nicht zu einem niedrigeren Wertansatz als bei Unverzinslichkeit führen darf (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - III 11/42 vom 31. März 1942, RStBl 1943, 435; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - III 109/54 U vom 2. Dezember 1955, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 62 S. 130 - BFH 62, 130 -, BStBl III 1956, 49; III 153/59 vom 26. August 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bewertungsgesetz § 14 Abs. 1, 2, Rechtsspruch 12; vgl. auch Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 14 BewG, Tzn. 39 bis 41; Rössler-Troll, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 14 BewG, Tzn. 4, 6).
Der Auffassung des FA, daß Wohnungsbesetzungsrecht und Mietfestsetzungsrecht des Darlehensgläubigers als besondere nachteilige Umstände den Vorteil des niedrigen Zinsfußes aufhöben und zum Ansatz der Hypothekenschuld mit dem Nennwert zwängen, kann der Senat jedenfalls für das Gebiet der Grunderwerbsteuer nicht folgen. Insbesondere bei der Ermittlung des Wertes der Gegenleistung ist grundsätzlich auf das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abzustellen. Den Beziehungen zwischen Veräußerer und Darlehnsgeber kommt eine mittelbare Bedeutung nur insoweit zu, als der Erwerber in die Vermögensbeziehungen zwischen ersteren eintritt (vgl. hierzu noch unten zu 3) und einen Teil der Gegenleistung im Ergebnis langfristig tilgen kann. Der Erwerber wird bei den überlegungen, welchen Betrag er für den Erwerb eines steuerbegünstigt finanzierten Gebäudes als Gegenleistung aufzuwenden bereit ist, nicht außer Betracht lassen, daß er - jedenfalls auf Zeit - mit niedrigeren Mieterträgen rechnen muß als bei frei finanzierten Gebäuden. Dann aber erscheint es nicht angebracht, den Wert der Gegenleistung wegen oder gerade trotz dieser "Nachteile" durch Ansatz des vollen Nennwertes der Hypothekenschuld noch zu erhöhen. In der Verpflichtung, den neu geschaffenen Wohnraum auf eine gewisse Zeit Angehörigen des öffentlichen Dienstes überlassen zu müssen, wird in der Regel ein geldwerter, bewertungsfähiger Nachteil ohnehin nicht erblickt werden können, da demgegenüber der Hauseigentümer auf längere Sicht ständig mit "sicheren" Mietern für seine entsprechend ausgestatteten Wohnungen rechnen kann. Aber auch zwischen Mietverbilligung für Angehörige des öffentlichen Dienstes einerseits und Geringverzinslichkeit der Hypothekenschuld für den Grundstückserwerber andererseits vermag der Senat aus den bereits oben dargelegten Erwägungen einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die Schuld mit dem Nennwert ansetzen zu müssen, nicht anzuerkennen, jedenfalls nicht für Grunderwerbsteuerzwecke. Abgesehen davon, daß auch sonstige bisherige Mietpreisbindungen (etwa für den Althausbesitz) - soweit dem Senat bekannt - nicht zu derartigen grunderwerbsteuerrechtlichen Folgerungen geführt haben, wird in den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR), die das FA anführt, für die Bewertung eines Darlehens nach § 7 c oder § 7 d EStG - wenn auch beim Gläubiger - der Ansatz mit dem abgezinsten Betrag gestattet (vgl. VStR 1963 Abschn. 45 Abs. 1 - noch mit der ausdrücklichen Begründung, daß man im allgemeinen davon ausgehen könne, der Unverzinslichkeit solcher Darlehen stünden unmittelbare oder mittelbare Vorteile, die eine Bewertung unter dem Nennwert ausschlössen, nicht entgegen - und ohne Begründung VStR 1966 Abschn. 45 Abs. 1; ferner Krekeler, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 6. Aufl., § 14 zu Abs. 3 Anm. III S. 116, und Rössler-Troll, a. a. O., 7. Aufl., § 66 Tz. 19 S. 770). Die abweichende Regelung für den Schuldner in den VStR 1963 und 1966 Abschn. 56 Abs. 5, die Rössler-Troll, a. a. O., zu § 74 BewG, Tz. 10 S. 958, sachlich nicht für überzeugend halten und die mehr unter dem Gesichtspunkt einer vermögensteuerrechtlichen Begünstigung des Wohnungsbaus betrachtet werden müsse, kann jedenfalls nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen für die Grunderwerbsteuer übernommen werden, zumal - wie dargelegt - hier der Wert der Gegenleistung in Würdigung der Umstände dieses Steuerrechtsgebietes zu ermitteln ist. Aus diesen Erwägungen vermag der Senat auch aus dem zur Einheitsbewertung (Vermögensbesteuerung) ergangenen Urteil des III. Senats des BFH 22/59 U vom 2. Dezember 1960 (BFH 72, 157, BStBl III 1961, 59) für die Grunderwerbsteuer keine Folgerungen zu ziehen, zumal dort ohne weitere Begründung, nur unter Bezugnahme auf Abschnitt 58 Abs. 7 VStR 1953 bemerkt ist, der Unverzinslichkeit des Darlehens nach § 7 d EStG stünden keine wirtschaftlichen Nachteile gegenüber, die "etwa" die Abzinsung (nach § 14 Abs. 3 BewG) aufhöben.
Im übrigen kann bei Beurteilung des Zusammenhangs besonderer Umstände bei der Grunderwerbsteuer, bei der grundsätzlich die Verhältnisse an einem bestimmten Stichtag (Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld) maßgebend sind, nicht außer Betracht bleiben, daß Wohnungsbesetzungs- und Mietfestsetzungsrechte hinsichtlich solcher Art Wohnungen sich nur auf einen relativ kürzeren Zeitraum von oft 10, im Streitfall 20 Jahren beschränken, während demgegenüber die Laufzeit solcher Darlehen sich infolge der niedrigen Tilgungsraten bis zu 100 Jahren, im Streitfall auf rd. 80 Jahre erstreckt.
Andererseits darf nicht übersehen werden, daß als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung jede Leistung in Betracht kommt, die der Erwerber für den Erwerb des Grundstücks erbringt. Eine solche sonstige Leistung (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) ist auch die Verpflichtung des Erwerbers, den Veräußerer von einer Schuld oder einer sonstigen geldwerten Verpflichtung zu befreien (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tzn. 7, 8, 9, 11) bzw. in eine solche Verpflichtung einzutreten. Als eine solche zusätzliche Leistung muß aber - insofern enthält das Vorbringen des FA, es handle sich hierbei um eine bewertungsfähige Last, eine zutreffende Erwägung die von der Klägerin in Verbindung mit dem dinglichen Wohnungsbesetzungsrecht übernommene Verpflichtung angesehen werden, Wohnungen Angehörigen des öffentlichen Dienstes mietverbilligt zur Verfügung zu stellen.
Das FG, das diese Rechtsfrage nicht erörtert hat, wird bei Ermittlung des Wertes der Vermietungsverpflichtung folgendes zu erwägen haben.
Der Wert dieser Verpflichtung kann nicht - wie das FA meint - dem Unterschiedsbetrag zwischen der abgezinsten Hypothekenschuld und deren Nennwert gleichgesetzt werden. Die Vertragsparteien sind zwar nicht in der Bewertung einer Gegenleistung, aber doch darin frei, welche Gegenleistung überhaupt für den Erwerb eines Grundstücks erbracht werden soll. Anders als in dem von der Klägerin angeführten Fall, in dem der Darlehnsschuldner sich zur Unterlassung einer Bodenausbeute verpflichtet, aber gleichwohl seine Vermögenswerte behalten hatte (RFH-Urteil III 337/37 vom 12. Mai 1938, RStBl 1938, 604), wird im Streitfall ein geldwerter Vermögensverlust insoweit erblickt werden müssen, als eine unter der Marktmiete liegende Miete festgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang wird das FG sich jedoch mit der Behauptung der Klägerin auseinandersetzen müssen, daß für die Einfachstwohnungen des Streitfalles keine wesentlich günstigere Marktmiete erzielbar gewesen wäre. Möglicherweise wird auch zu berücksichtigen sein, daß für die Darlehensnehmerin bzw. später für die Klägerin die niedrigeren Mieten - jedenfalls auf Zeit - einen gewissen Ausgleich durch den ständigen, sicheren Mieterkreis gefunden haben. Letztlich wird es darauf ankommen, wie sich die Vermietungsbelastung (der zeitweise verbilligten Miete) unter Berücksichtigung des erheblich unter dem Nennwert liegenden Wertes der Hypothekenschuld auf die Bemessung des (Bar-) Kaufpreises ausgewirkt hat. Unter Würdigung aller Umstände erscheint eher ein vorsichtiger Ansatz des Wertes dieser Verpflichtung angebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 412467 |
BStBl III 1967, 203 |
BFHE 1967, 547 |
BFHE 87, 547 |