Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalnutzungsvorteil von weniger als einem Jahr als sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Leitsatz (NV)
1. Verpflichtet sich der Grundstückskäufer zu einer Vorleistung des Kaufpreises, liegt darin in Gestalt der Überlassung der Kapitalnutzungsmöglichkeit eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
2. Auch ein Kapitalnutzungsvorteil, dessen Zeitdauer weniger als ein Jahr beträgt, ist nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 BewG zu bewerten.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 12 Abs. 3, § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. Dezember 1996 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von X ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 650 000 DM. In derselben Urkunde schloss die Klägerin mit der X-GmbH, deren Geschäftsführer X war, einen Bauerrichtungsvertrag über die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf diesem Grundstück zu einem Preis von 1 740 000 DM zuzüglich des Entgelts für später vereinbarte Sonderwünsche in Höhe von 45 080 DM.
Der Grundstückskaufpreis war am 20. Dezember 1996 fällig. Besitz und Nutzungen sollten am Tag der Übergabe, die nach Fertigstellung der auf dem Grundstück zu errichtenden Baulichkeiten erfolgen sollte, auf die Klägerin übergehen. Die Vergütung für die Bauerrichtung war ebenfalls am 20. Dezember 1996 fällig.
Durch Bescheid vom 15. Mai 1997 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 50 392 DM fest und berücksichtigte als Bemessungsgrundlage neben dem Grundstückskaufpreis und den Bauerrichtungskosten als sonstige Leistung den der Veräußererseite gewährten Kapitalnutzungsvorteil für den vorzeitigen Erhalt der vollständigen Vergütung. Mit ihrem Einspruch trat die Klägerin dem entgegen. Das FA berücksichtigte mit Einspruchsbescheid vom 2. April 2004 den Kapitalnutzungsvorteil entsprechend einer Berechnung der Klägerin mit 76 004,80 DM und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA hinsichtlich des Ansatzes der sonstigen Leistung. Es setzte die Grunderwerbsteuer aus anderen Gründen auf 25 575,69 € herab und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 556 abgedruckt.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) und macht geltend, ein Kapitalnutzungsvorteil dürfe in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG nur bei einem mindestens einjährigen Nutzungszeitraum angesetzt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 15. Mai 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. April 2004 die Grunderwerbsteuer auf 24 798,17 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Berücksichtigung eines Kapitalnutzungsvorteils als grunderwerbsteuerliche Gegenleistung nicht etwa deshalb ausscheidet, weil dessen Zeitdauer weniger als ein Jahr beträgt.
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu besteuernden Grundstückskaufvertrag bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Als sonstige Leistungen sind alle Verpflichtungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. April 2002 II R 57/00, BFH/NV 2002, 1612; vom 27. Oktober 2004 II R 22/03, BFHE 208, 55, BStBl II 2005, 301).
a) Eine als sonstige Leistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) zu qualifizierende Gewährung eines geldwerten Vorteils liegt vor, wenn sich der Grundstückskäufer zu einer Vorleistung des Kaufpreises verpflichtet. "Verzichtet" der Grundstückskäufer im Kaufvertrag auf das ihm durch §§ 320, 322 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gewährte Recht, den Kaufpreis erst im Zuge der Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung (Übereignung und Übergabe des Grundstücks) erbringen zu müssen, indem er sich einer Vorleistungspflicht unterwirft, so erbringt er eine sonstige Leistung. Der geldwerte Vorteil besteht in der vorzeitigen Kapitalnutzungsmöglichkeit (BFH-Urteile vom 12. Oktober 1994 II R 4/91, BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69; in BFH/NV 2002, 1612).
b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn --wie im Streitfall-- Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist und für den Grundstückskäufer hinsichtlich der Vergütung für die Gebäudeerrichtung eine Vorleistungspflicht besteht. Beim Erwerb eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude kommt allerdings hinsichtlich der Teilzahlungsbeträge, die bei Werkverträgen als Abschlagszahlungen nach der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) vereinbart werden, der Ansatz einer sonstigen Leistung in Gestalt der Überlassung der Kapitalnutzungsmöglichkeit an den Unternehmer nicht in Betracht (BFH in BFH/NV 2002, 1612).
2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin durch die Vorausleistung des Grundstückskaufpreises sowie der Vergütung für die Bauerrichtung eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch Kapitalüberlassung erbracht hat. Die Bewertung des Kapitalnutzungsvorteils hat auch dann nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 BewG zu erfolgen, wenn die Zeitdauer des Nutzungsvorteils weniger als ein Jahr beträgt.
a) Entgegen der Auffassung der Revision kann § 15 Abs. 1 BewG schon nach seinem Wortlaut nicht entnommen werden, dass ein Kapitalnutzungsvorteil nur bei einer mindestens einjährigen Nutzungszeit zu berücksichtigen ist. Der "einjährige Betrag" im Sinne dieser Vorschrift bezeichnet ausschließlich den Wertansatz für die Nutzung einer Geldsumme in Höhe von 5,5 v.H., nicht aber eine zeitliche Mindestvoraussetzung für den gewährten Nutzungsvorteil.
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG. Das von dieser Vorschrift aufgestellte Erfordernis der Laufzeit unverzinslicher Forderungen oder Schulden von mehr als einem Jahr gilt --entgegen der Meinung der Revision-- im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 BewG weder aus "Vereinfachungsgründen" noch aus Gründen der "Einheitlichkeit der Rechtsanwendung". Die Regelungsanordnung des § 12 Abs. 3 BewG betrifft ausschließlich die Bewertung unverzinslicher Forderungen oder Schulden, nicht hingegen die Bewertung der Nutzung einer Geldsumme (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 2001 II B 171/99, BFH/NV 2001, 1122). Schon wegen der unterschiedlichen Bewertungsgegenstände beider Vorschriften verbietet sich deshalb die Annahme, § 15 Abs. 1 BewG enthalte im Hinblick auf die in dieser Vorschrift fehlende zeitliche Mindestgrenze des Nutzungsvorteils eine durch entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG zu schließende Regelungslücke.
b) Anhaltungspunkte für eine unzutreffende Berechnung des Kapitalnutzungsvorteils, den die Klägerin selbst mit 76 004,80 DM ermittelt hat und der zwischen den Beteiligten unstreitig ist, bestehen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1575668 |
BFH/NV 2006, 2126 |
DStRE 2006, 1414 |