Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleichspflicht unter zusammenveranlagten Eheleuten gem. § 426 Abs. 1 BGB als Nachlassverbindlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Aus einer jahrelangen Übung zusammenveranlagter Eheleute, wonach die von beiden geschuldeten Einkommensteuern stets allein von demselben Ehegatten gezahlt wurden, ist auf den beiderseitigen Willen zu schließen (konkludentes Verhalten), von einem Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB abzusehen.
2. Wer diesem Schluss nach dem Tod eines oder beider Ehegatten widerspricht, hat die zur Begründung seiner Einwendungen vorgetragenen Tatsachen zu beweisen.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1, § 1360b; AO 1977 § 44 Abs. 1 S. 1; ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist testamentarischer Alleinerbe seiner 1987 verstorbenen Ehefrau. Die Eheleute, die beide als Rechtsanwälte tätig waren, lebten in Gütertrennung, ließen sich aber zusammen zur Einkommensteuer veranlagen. Die geschuldeten Einkommensteuern wurden jeweils allein vom Kläger gezahlt. Mit seiner Erbschaftsteuererklärung machte er daraus gegen die Erblasserin Ausgleichsansprüche als Nachlassverbindlichkeiten geltend, die er auf die Einkommensteuern der Jahre 1978 bis 1986 beschränkte. Bei einer Aufteilung der für diese Jahre insgesamt gezahlten Steuern im Verhältnis der von beiden Eheleuten erzielten Einkünfte wäre auf die Ehefrau der nunmehr geltend gemachte Betrag entfallen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte abziehbare Verbindlichkeiten nicht an und setzte mit geändertem Bescheid vom 17. April 1997 die Erbschaftsteuer auf 118 492 DM fest. Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos. Mit der Klage hatte der Kläger den bei einer Aufteilung auf die Ehefrau entfallenden Betrag neu berechnet und war dabei auf eine Summe von 504 400 DM gelangt.
Auch das Finanzgericht (FG) erkannte die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten nicht an. Zwar könne bei einer Zusammenveranlagung der Eheleute dem Ehegatten ein Ausgleichsanpruch daraus erwachsen, dass er im Außenverhältnis zu den Steuerbehörden einen höheren Steuerbetrag aufbringe, als im Innenverhältnis zum anderen Ehegatten auf ihn entfiele; solle sich daraus jedoch ein Ausgleichsanspruch ergeben, erforderte dies den Abschluss eines entsprechenden Vertrages zwischen den Ehegatten. Der Vertragsabschluss sei zudem nachzuweisen. Ein solcher Nachweis sei deshalb erforderlich, weil die Steuerzahlung des einen Ehegatten für den anderen grundsätzlich den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) erfülle und die Zuwendung nur dann nicht unentgeltlich erfolge, wenn sie mit einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung zusammenhänge. Der Nachweis sei im Streitfall nicht geführt worden.
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sowie der §§ 88 und 90 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FG habe dem § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu Unrecht die Wirkung einer gesetzlichen Vermutung dahin gehend beigemessen, dass Leistungen des einen Ehegatten für den anderen stets solange als freigebige Zuwendungen zu gelten hätten, wie nicht durch schriftliche Vereinbarungen Gegenleistungen oder Ausgleichsansprüche begründet werden. Daraus ergebe sich entgegen den §§ 88 und 90 AO 1977 eine Beweislastumkehr zuungunsten des Steuerpflichtigen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Erbschaftsteuerbescheide vom 27. November 1992 und 17. April 1997 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 1997 die Erbschaftsteuer auf 45 824 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Aus der jahrelangen Übung der Eheleute, wonach der Kläger die von beiden geschuldeten Einkommensteuern allein getragen hat, ist auf den beiderseitigen Willen zu schließen, von einem Ausgleich nach § 426 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abzusehen. Wer diesem Schluss aus einem solchermaßen konkludenten Verhalten nach dem Tod eines oder beider Ehegatten widerspricht, hat die zur Begründung seiner Einwendungen vorgetragenen Tatsachen zu beweisen. Dieser Nachweis ist im Streitfall nicht erbracht.
1. Der Abzug einer vom Erblasser herrührenden Schuld gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt deren rechtliches Bestehen voraus. Kommt es als Folge des Erbganges zur Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person des Erben, wie vom Kläger geltend gemacht, so gilt das Schuldverhältnis entgegen § 429 Abs. 3 i.V.m. § 425 Abs. 2 BGB gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen.
Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, sind gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 Gesamtschuldner der dabei festgesetzten Steuern. Als Gesamtschuldner schuldet jeder Ehegatte gemäß Satz 2 der Vorschrift die gesamte Leistung. Erfüllt ein Ehegatte die Schuld vollen Umfangs, hat er gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den anderen einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des Schuldbetrages, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
Eine solche abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, aus einer Vereinbarung, aus Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache ergeben (so Urteile des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 13. April 2000 IX ZR 372/98, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2000, 1944, unter II. 2. b aa, sowie vom 20. März 2002 XII ZR 176/00, NJW 2002, 1570).
Zu einer abweichenden Bestimmung kann es auch auf Grund konkludenten Verhaltens kommen (vgl. dazu Kramer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, Vor § 116 Anm. 21, 22). Nach der Rechtsprechung des BGH ist aus der ständigen Übung der Eheleute, wonach stets der eine Ehegatte die im Wege der Zusammenveranlagung festgesetzte Steuer zahlt, der Schluss zu ziehen, dass er die Steuer auch im Innenverhältnis allein tragen soll (so BGH in NJW 2002, 1570). Dem schließt sich der Senat unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 1360b BGB an. Diese Grundsätze sind nicht auf Eheleute, von denen nur einer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, beschränkt. Zwar entspricht es dann, wenn beide Ehegatten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielen, den ehelichen Lebensverhältnissen mehr, dass beide im Verhältnis ihrer jeweiligen Einkommen die Gesamtschulden tragen (so BGH in NJW 2000, 1944); verfahren sie aber gleichwohl anders, lässt diese Handhabung auch unter selbständig tätigen Eheleuten den Schluss zu, dass sie auf einen internen Ausgleich verzichten (vgl. BGH in NJW 2002, 1570).
2. Dieser Schluss aus der jahrelangen Übung der Eheleute wäre im Streitfall nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger eine anderslautende Vereinbarung mit der Ehefrau nachgewiesen hätte, wonach bezüglich der gemeinsam geschuldeten, aber von ihm gezahlten Steuern ein interner Ausgleich habe erfolgen sollen. Dies ist jedoch nach den für das Revisionsgericht bindenden und insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) nicht geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 902039 |
BFH/NV 2003, 566 |
BStBl II 2003, 267 |
BFHE 2003, 413 |
BFHE 200, 413 |
BB 2003, 622 |
DB 2003, 644 |
DStRE 2003, 483 |
HFR 2003, 480 |