Leitsatz (amtlich)
Erwerben mehrere Personen ein Grundstück mit einem älteren Gebäude, das als großes Einfamilienhaus errichtet, aber seit längerem gewerblich genutzt worden ist, in der Absicht, das Gebäude zu einem Zweifamilienhaus umzubauen und an den beiden Wohnungen Sondereigentum zu begründen, so können diese Erwerbsvorgänge nach dem GrEStEigWoG begünstigt sein.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 3. März 1977 kauften die miteinander verheirateten Kläger und zwei weitere Personen ein bebautes Grundstück, und zwar die Kläger jeweils hälftig einen Anteil von 25/38 und die beiden anderen Personen jeweils hälftig einen Anteil von 13/38. Der Kaufpreis betrug 190 000 DM.
In dem Kaufvertrag hieß es, die Käufer beabsichtigten, das Grundstück und das aufstehende Gebäude in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilen, wobei vorgesehen sei, daß die Kläger das erste Obergeschoß und das Dachgeschoß sowie etwa 2/3 der Kellerräume erhielten, während die beiden anderen Personen das Parterre und die übrigen Kellerräume erhalten sollten. Das Nähere sollte durch eine noch abzugebende Teilungserklärung geregelt werden.
Auf dem Grundstück befand sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages ein über 100 Jahre altes Gebäude, das seinerzeit als Einfamilienhaus errichtet worden war, jedoch inzwischen gewerblich genutzt wurde.
Die Kläger und die beiden anderen Miterwerber gaben jeweils Erklärungen ab, wonach das bisher gewerblich genutzte Gebäude zu einem Zweifamilienhaus modernisiert und instandgesetzt und danach in Wohnungseigentum aufgeteilt werden solle. Es sei beabsichtigt, die beiden Wohnungen der Eigennutzung zuzuführen.
Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte es ab, Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Gesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) zu gewähren. Seiner Auffassung nach scheitere die Steuervergünstigung an der gewerblichen Nutzung des aufstehenden Gebäudes im Erwerbszeitpunkt. Das FA setzte demgemäß gegen die Kläger und die anderen Erwerber Grunderwerbsteuer fest.
Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Bereits vor Ergehen der Einspruchsentscheidungen hatten die vier Grundstückserwerber am 17. November 1977 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Einräumung von Sondereigentum geschlossen, wobei sich die jeweiligen Miteigentumsanteile noch etwas verschoben.
Die Kläger haben mit ihren Klagen die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Steuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen beantragt. Zur Begründung haben sie ausgeführt: Das Gebäude sei zwar im Zeitpunkt des Erwerbs gewerblich genutzt gewesen. Es sei jedoch von vornherein Absicht der Erwerber gewesen, das Gebäude zu einem Zweifamilienhaus zu modernisieren, Wohnungseigentum zu bilden und die beiden Wohnungen der Eigennutzung zuzuführen.
Das Finanzgericht (FG) hat die von ihm verbundenen Klagen mit der Begründung abgewiesen, daß eine Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 GrEStEigWoG deshalb nicht in Betracht komme, weil im Erwerbszeitpunkt keine zum dauernden Wohnen geeigneten Räume vorhanden gewesen seien. Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStEigWoG scheitere daran, daß Gegenstand des Kaufvertrages keine Eigentumswohnungen gewesen seien.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Kläger haben Revision eingelegt und ihre Klageanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Ihre Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der angefochtenen Steuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen.
Die Kläger und ihre Miterwerber haben, unabhängig von der von vornherein beabsichtigten, jedoch erst später durchgeführten Aufteilung in Wohnungseigentum, ein Grundstück mit einem Zweifamilienhaus i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG erworben. Denn sie haben Miteigentum an einem Grundstück nebst einem Gebäude erworben, das sie nach ihren erkennbaren Vorstellungen als Zweifamilienhaus (wenn auch unter Bildung von Wohnungseigentum) umgestalten und nutzen wollten und das nach seiner Bausubstanz dazu (nach entsprechendem Umbau) geeignet war. Letzteres folgt bereits daraus, daß das Gebäude seinerzeit als Einfamilienhaus errichtet worden ist. Diese Auffassung des Senats entspricht seiner ständigen Rechtsprechung, wonach es für die Anwendung des GrEStEigWoG nicht auf die Nutzung des erworbenen Hauses im Erwerbszeitpunkt, sondern auf die beabsichtigte Nutzung ankommt (vgl. die Urteile vom 25. Juni 1980 II R 21/79, BFHE 131, 93, BStBl II 1980, 728; vom 18. Februar 1981 II R 107/78, BFHE 132, 492, BStBl II 1981, 331; vom 6. Mai 1981 II R 123/79, BFHE 133, 316, BStBl II 1981, 585; vom 30. September 1981 II R 8/80, BFHE 134, 189, BStBl II 1982, 30).
Daß eine Nutzung des erworbenen Grundstücks als Zweifamilienhaus erst nach entsprechenden Umbauarbeiten möglich war, steht einer materiell vorläufigen Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG nicht entgegen. Beim Erwerb von Altbauten, die von der Vergünstigungsvorschrift erfaßt werden, wird immer mit mehr oder weniger umfangreichen Umbauarbeiten gerechnet werden müssen. Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. Denn er hat mit erheblichen Impulsen für die Stadterneuerung und die Erhaltung älterer Wohngebäude gerechnet (vgl. BT-Drucks. 8/286 S. 11, rechte Spalte). Der Zweckbestimmung der Vergünstigungsvorschrift entspricht es, insbesondere auch dann die Steuervergünstigung zu gewähren, wenn dadurch eine in der Zwischenzeit eingetretene Zweckentfremdung wieder rückgängig gemacht wird.
Ob etwas anderes dann gilt, wenn die noch vorhandene Bausubstanz nicht einmal einem Rohbau vergleichbar sein sollte (vgl. zu diesem Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., Anhang Tz. 1639 am Ende), kann unerörtert bleiben. Da das Gebäude im Erwerbszeitpunkt noch genutzt wurde, muß es der Bausubstanz nach zumindest einem Rohbau vergleichbar gewesen sein.
Daß die Erwerber beabsichtigten, Wohnungseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes zu bilden, steht der Gewährung einer Steuervergünstigung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG nicht entgegen. Der Senat hat bereits entschieden, daß die Umwandlung eines steuerbegünstigt erworbenen Zweifamilienhauses in Wohnungseigentum eine Nachversteuerung nicht auslöst (vgl. das Urteil vom 8. Dezember 1982 II R 202/81, BFHE 137, 195, BStBl II 1983, 145). Somit steht auch die beabsichtigte Bildung von Wohnungseigentum der (materiell) vorläufigen Gewährung der Steuervergünstigung nicht entgegen.
Ob die im Rahmen der Bildung von Wohnungseigentum eingetretene Verschiebung der Miteigentumsanteile Anlaß für eine (teilweise) Nachversteuerung gibt, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Keiner ausdrücklichen Entscheidung bedarf es, ob etwa der Erwerb ggf. auch im Sinne des Urteils vom 23. März 1983 II R 213/81 (BFHE 138, 471, BStBl II 1983, 604) als Erwerb von Wohnungseigentum beurteilt werden konnte. Da das Grundstück für insgesamt 190 000 DM erworben worden ist, ist der Erwerb in jedem Fall voll von der Grunderwerbsteuer befreit.
Der Erwerb des Grundstücks ist danach gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG (materiell vorläufig) von der Grunderwerbsteuer befreit, da die Erfüllung der für die endgültige Steuerbefreiung geforderten eigenwohnlichen Nutzung nach Sachlage möglich ist (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., 11. Aufl., Anhang Tz. 1556). Beide Wohnungen sollen durch die Erwerber bewohnt werden, eine Wohnung durch die Kläger, die andere Wohnung durch die beiden anderen Erwerber (vgl. Hierzu Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., 11. Aufl. Anhang Tz. 1850, 1853, 1854; vgl. zum früheren Recht auch das Urteil des Senats vom 7. August 1980 II R 82/78, BFHE 131, 409, BStBl II 1980, 757).
Fundstellen
Haufe-Index 74984 |
BStBl II 1984, 452 |
BFHE 1984, 477 |