Leitsatz (amtlich)
Die Tatsache, daß bei der Auszahlung von Tantiemeforderungen Lohnsteuer und Kirchensteuer einbehalten wird, ist kein besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F., der eine Bewertung der Forderung unter dem Nennwert rechtfertigt.
Normenkette
BewG a.F. §§ 14, 67 Abs. 1 Nr. 1; StAnpG § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Vermögensteuerveranlagung eine Tantiemeforderung mit ihrem Nennwert oder mit dem um die Lohnsteuer und Kirchensteuer verminderten Wert anzusetzen ist.
Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) begehrten bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1963 eine dem Grunde und der Höhe nach unstreitige Tantiemeforderung des Ehemannes für das Jahr 1962, vermindert um die nach dem 1. Januar 1963 einbehaltenen Steuerabzugsbeträge an Lohnsteuer und Kirchensteuer anzusetzen. Das FA - Revisionsbeklagter - lehnte dies jedoch ab und erfaßte die Tantiemeforderung mit dem Nennwert.
Die Sprungberufung wurde durch das in DStZ, Ausgabe B, 1964 S. 417 veröffentlichte Urteil des FG mit folgender Begründung zurückgewiesen: Kapitalforderungen seien nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigten. Wie die in Abs. 2 und 3 des § 14 BewG a. F. behandelten Sonderfälle zeigten, könnten in der Person des Schuldners, im Inhalt und in den Eigenschaften des Schuldverhältnisses liegende Umstände eine solche abweichende Bewertung erfordern. Allgemeine Umstände, mit denen sich jeder Gläubiger abzufinden habe, berechtigten aber nicht zu einer unter dem Nennwert liegenden Bewertung, ebensowenig persönliche Verhältnisse des Gläubigers. Nach diesen Grundsätzen seien Tantiemeforderungen regelmäßig mit dem Nennwert zu bewerten. Der Lohnsteuerabzug bei Auszahlung der Tantieme stelle keinen besonderen Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG dar. Sowohl die Entstehung als auch die Höhe der Steuerschuld seien von den persönlichen Verhältnissen des Gläugers abhängig. Der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher vertretenen Auffassung, die Lohnsteuer sei unmittelbar an die Forderung gebunden und dieser so immanent, daß sie bewertungsrechtlich nur im Zusammenhang mit der Forderung betrachtet werden könne, sei nicht zu folgen. Das Steuerschuldverhältnis sei kein Bestandteil des privatrechtlichen Schuldverhältnisses. Die Tantiemeforderung und der Steueranspruch seien zwei verschiedene Rechtstatbestände, von denen der eine kein besonderer Umstand des anderen sein könne. Die unterschiedliche Behandlung der Einkommensteuer und der Lohnsteuer bei der Bewertung könne auch deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil die Lohnsteuer ihren objektsteuerartigen Charakter durch die Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs verloren habe. Der Ansatz der Tantiemeforderung mit dem Nennwert verstoße schließlich auch nicht gegen Art. 3 GG. Der Lohnsteuerpflichtige werde dadurch nicht schlechter gestellt als der Einkommensteuerpflichtige. Auch die zukünftige Belastung mit einer Einkommensteuerschuld stelle keinen besonderen Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG dar.
Mit der Rb., die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zuließ, berufen sich die Steuerpflichtigen auf die Urteile des RFH III 57/41 vom 11. Juni 1941 (RStBl 1941, 701) und des BFH III 273/60 U vom 10. Mai 1963 (BFH 77, 88, BStBl III 1963, 349), die dem FG-Urteil entgegenstünden. Die Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs rechtfertige kein Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Schließlich habe die Finanzverwaltung selbst bis zum Jahre 1962 den Lohnsteuerabzug zugelassen. Wegen des gesetzlich verankerten Lohnsteuerabzugs habe der Steuerpflichtige nur einen Anspruch auf den Nettobetrag der Tantieme; nur dieser Betrag dürfe der Vermögensteuer unterliegen. Die Nichtzulassung des Lohnsteuerabzugs verstoße gegen Art. 3 GG; denn vergleichbare Kapitalforderungen, wie beispielsweise bei einem Gewerbebetrieb aktivierungspflichtige Warenrückvergütungen, erhöhten den Gewinn und damit auch die Einkommensteuer. Diese Einkommensteuerschuld sei abzugsfähig. Hierin liege eine ungleiche Behandlung zwischen Lohnsteuer- und Einkommensteuerpflichtigen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, ist nicht begründet.
Der Anspruch auf eine Tantieme ist eine Kapitalforderung im Sinne von § 67 Abs. 1 Nr. 1 BewG a. F. (vgl. u. a. BFH-Urteil III 273/60 U vom 10. Mai 1963, a. a. O.). Dementsprechend richtet sich die Bewertung von Tantieme-Ansprüchen nach den Vorschriften über die Bewertung von Kapitalforderungen. Diese sind nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Die Frage, ob bei der Vermögensbesteuerung die Tantiemeforderung mit ihrem Nennwert oder mit dem um die Lohnsteuer verminderten Wert zu erfassen ist, hat der RFH durch Urteil III 57/41 vom 11. Juni 1941 (a. a. O.) dahin entschieden, daß der Betrag anzusetzen ist, der nach Abzug des in Betracht kommenden Steuerabzugsbetrags verbleibt. An dieser Rechtsprechung hat der BFH in der Entscheidung III 273/60 U vom 10. Mai 1963 (a. a. O.), die die Veranlagung der Vermögensabgabe auf den Stichtag vom 21. Juni 1948 zum Gegenstand hatte, festgehalten. Diese Entscheidungen betrafen Stichtage, an denen es noch keinen Lohnsteuer-Jahresausgleich für zurückliegende Lohnzahlungszeiträume gab. Durch die Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist gegenüber vorher eine neue Rechtslage entstanden, so daß die Streitfrage unabhängig von der früheren Rechtsprechung zu prüfen und zu entscheiden ist.
Das BewG bestimmt nicht, was unter einem "besonderen Umstand" im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. zu verstehen ist. Aus den Absätzen 2 und 3 des § 14 BewG a. F., in denen Beispiele hierfür aufgeführt sind (Uneinbringlichkeit und Unverzinslichkeit der Forderung), läßt sich jedoch ersehen, daß "besondere Umstände" der Forderung selbst innewohnen, ihr also immanent sein müssen (vgl. auch BFH-Urteil III 273/60 U, a. a. O.). Die im Streitfall geltend gemachten Steuerabzugsbeträge sind der Tantiemeforderung jedoch nicht immanent.
Der RFH hat im Urteil III 57/41 (a. a. O.) entschieden, die für die Tantieme zu zahlende Einkommensteuer könne nicht als besonderer Umstand anerkannt werden. Auch der erkennende Senat hat im Urteil III 273/60 U vom 10. Mai 1963 (a. a. O.) ausgeführt, die Einkommensteuerschuld sei nicht unmittelbar an die Tantiemeforderung gebunden. Sie sei eine der Höhe nach unbestimmte Schuld, die sich aus dem gesamten Einkommen des Steuerpflichtigen errechne. Solche möglichen künftigen Belastungen des Vermögens minderten nicht den Wert der einzelnen Tantiemeforderung am Stichtag. Ebenso entschied der Senat durch Urteil III 208/61 U vom 13. März 1964 (BFH 79, 179, BStBl III 1964, 297), die künftige Belastung einer Honorarforderung (Kapitalforderung) mit Einkommensteuer sei kein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG.
Die Lohnsteuerbelastung einer Tantiemeforderung kann ebenfalls nicht als besonderer Umstand anerkannt werden. Seit der Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch § 35 LStDB in der Fassung der Änderungsverordnung vom 16. Oktober 1948 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948, 125 in Verbindung mit der Verwaltungsanordnung vom 3. Januar 1949, Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, 45) und durch die nachfolgende Ausgestaltung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs hat die Lohnsteuer ihren objektsteuerartigen Charakter verloren. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich ist seinem Wesen nach eine eingeschränkte Einkommensteuerveranlagung, bei der das FA an seine früheren Entscheidungen im Lohnsteuer-Eintragungsverfahren nicht gebunden ist (BFH-Urteil IV 69/55 U vom 12. Mai 1955, BFH 61, 39, BStBl III 1955, 213). Der Lohnsteuerabzug bei Zufluß eines Geldbetrages ist deshalb im Ergebnis nur eine in einem besonderen Verfahren erhobene Einkommensteuervorauszahlung. Er ist damit, wie die Einkommensteuer selbst, der Tantiemeforderung nicht immanent. Das ergibt sich auch daraus, daß im Einzelfall - wegen hoher, in der Lohnsteuerkarte eingetragener persönlicher Freibeträge des Tantiemegläubigers, z. B. Kinderfreibeträge, Altersfreibeträge oder Freibeträge für Werbungskosten, Sonderausgaben oder für Absetzungen nach §§ 7 b, 54 EStG, die alle auch beim Lohnsteuerabzug von sonstigen Bezügen (u. a. Tantiemen) berücksichtigt werden (§ 42a Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 35 LStDV, Abschn. 52 LStR 1966) - die Tantieme unter Umständen von vornherein ohne Lohnsteuerabzug auszuzahlen ist. Andererseits ist es denkbar, daß bei Auszahlung der Tantieme Lohnsteuer zu erheben ist, die jedoch nach Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs voll erstattet werden muß, weil der Steuerpflichtige erst jetzt Aufwendungen oder persönliche Umstände geltend macht, die die Steuerbelastung wegfallen lassen oder sie vermindern. Über diese beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu berücksichtigenden Umstände hinaus kann bei der Einkommensteuerveranlagung z. B. ein Verlustabzug (§ 10d EStG) oder ein Verlustausgleich (§ 2 EStG) dazu führen, daß die ursprünglich bei Auszahlung der Tantieme erhobene Lohnsteuer ganz oder teilweise erstattet werden muß. Im Ergebnis wird der Tantiemegläubiger nach allem nur durch die Einkommensteuer, die nicht als besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG anzuerkennen ist, betroffen. Die Lohnsteuer ist damit nicht immanent an die Tantiemeforderung gebunden. Dem steht nicht entgegen, daß der Tantiemeschuldner die Lohnsteuer auch abziehen und an das FA abführen muß, wenn der Steuerpflichtige die Tantiemeforderung abtritt, und der Abtretungsempfänger die Forderung gegen den Tantiemeschuldner geltend macht. Auch in diesem Fall ist die Lohnsteuer nach den Verhältnissen (Eintragungen in der Lohnsteuerkarte) des ursprünglichen Tantiemegläubigers zu bemessen, und der Lohnsteuerabzug ist bei der Einkommensteuerveranlagung auf seine Einkommensteuerschuld anzurechnen.
Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, es sei unbefriedigend, daß die Tantiemeforderung voll angesetzt werden müsse, die Steuerschuld dagegen nicht abgezogen werden dürfe (so Friedlaender, Steuer und Wirtschaft 1963 Sp. 603 ff.; FG Bremen, rechtskräftiges Urteil II 135/64 vom 25. November 1965, EFG 1966, 205). Gegen diese Auffassung spricht bereits, daß das Bewertungsrecht auf dem Stichtagsprinzip beruht. Die Tantiemeforderung ist zwar am Stichtag unbedingt entstanden, die Lohnsteuerschuld entsteht aber erst beim Zufluß der Tantieme (§ 3 Abs. 5 Nr. 1a des Steueranpassungsgesetzes, § 38 Abs. 1 EStG). Die Tantieme ist am Stichtag noch nicht zugeflossen, weil der Gläubiger über sie noch nicht verfügen kann. Das Fehlen des Zuflusses schließt daher bereits einen Abzug der Lohnsteuer als Schuldposten aus. Im übrigen verkennt diese Beurteilung, daß - wie oben ausgeführt wurde - die Lohnsteuer seit der Währungsumstellung nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer ist und daß sie als persönliche Schuld des Tantiemegläubigers der Tantiemeforderung nicht immanent ist.
Der Einwand schließlich, es widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen, daß ein Gewerbetreibender die auf einer zu aktivierenden Forderung lastende Einkommensteuer abziehen könne, ein Lohnsteuerpflichtiger dagegen nicht die einer Tantiemeforderung anhaftende Lohnsteuer, liegt neben der Sache; denn Personensteuern, zu denen die Einkommensteuer rechnet, scheiden auch für den Abzug als Betriebsschuld aus (vgl. BFH-Urteil III 273/60 vom 10. Mai 1963, a. a. O.; Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 1. bis 4. Auflage, Bd. 2, § 62b BewG Anm. 4).
Der Kirchensteuerabzug ist ebensowenig ein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG a. F. Die Kirchensteuer ist wie die Einkommensteuer eine persönliche Steuer des Tantiemeberechtigten. Als solche ist sie seiner Tantiemeforderung nicht immanent. Ein Abzug bei der Vermögensteuer kommt daher ebensowenig in Betracht wie bei der Einkommensteuer (Lohnsteuer).
Fundstellen
Haufe-Index 412899 |
BStBl II 1968, 338 |
BFHE 1968, 423 |