Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Vorträgen an einer Familienbildungsstätte
Leitsatz (NV)
Steuerbare sonstige Leistungen, die ein Unternehmer durch das Halten von Vorträgen an einer Familienbildungsstätte erbringt, sind weder nach §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 noch nach §4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1980/1991 noch nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Eine Auslegung des §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 in dem Sinn, daß auch die Leistungen externer Dozenten gegenüber der begünstigten Einrichtung steuerfrei sein sollen, ist von der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage der Vorschrift nicht gedeckt.
Normenkette
UStG 1980/1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1980/1991 § 4 Nr. 21 Buchst. b; UStG 1980/1991 § 4 Nr. 22 Buchst. a; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i, j
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielt mit dem Einzelhandel von Stoffen steuerbare und steuerpflichtige Umsätze, die der Regelbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten unterliegen. Außerdem hat sie in den Streitjahren (1989 bis 1992) für Vortragstätigkeiten an der Familienbildungsstätte in B Honorare in folgender Höhe vereinnahmt:
1989 1990 1991 1992 3 762 DM 4 334 DM 2 640 DM 3 825 DM Sie hat diese Honorare nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin um die sich aus den vereinnahmten Honorarbeträgen ergebenden Nettoentgelte. Zusätzliche Vorsteuern wurden nicht berücksichtigt. Die Einsprüche der Klägerin gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es führte aus, §4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980/1991 komme nicht zur Anwendung. Die Klägerin habe keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorgelegt, daß sie durch ihre Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite. Sie habe auch nicht den Nachweis erbracht, daß die Familienbildungsstätte zu den Einrichtungen gehöre, bei denen auf die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung zu verzichten sei. Auch die Voraussetzungen des §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 lägen nicht vor. Die Vorschrift betreffe nur die Umsätze der in ihr aufgezählten Einrichtungen. Dagegen unterlägen Vergütungen, die von den Einrichtungen beauftragte, freiberuflich tätige Dozenten vereinnahmten, der normalen Umsatzbesteuerung. Denn die Dozenten erbrächten gegenüber den in §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 genannten Einrichtungen ihrerseits steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen. Eine Ausdehnung der Befreiungsvorschrift des §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 auf die Honorare externer Dozenten sei nicht möglich. Nach dem Wortlaut der Norm würden nur die Leistungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, der Volkshochschulen sowie von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienten, erfaßt, nicht jedoch die Leistungen der von diesen Einrichtungen für die Vortragstätigkeit eingesetzten externen Dozenten. Durch die Anwendung der Befreiungsvorschrift auf das Honorar der von den begünstigten Einrichtungen beauftragten externen Dozenten würde ein im Gesetz nicht vorgesehener Begünstigungstatbestand geschaffen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 151 veröffentlicht.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision Verletzung materiellen Rechts. Sie führt zur Begründung aus, das FG habe §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 fehlerhaft ausgelegt. Dem Zweck der Befreiungsvorschrift, der Erwachsenenbildung dienende Einrichtungen zur Förderung der allgemeinen Bildungsarbeit steuerlich zu entlasten, werde es nicht gerecht, wenn zwar die Leistungen der Bildungseinrichtung selbst, nicht aber die Tätigkeit der für sie tätigen Dozenten steuerbefreit sei. Dies habe das FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 16. März 1994 1 K 2193/91 (EFG 1994, 808) entschieden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer der Klägerin für die Streitjahre festzusetzen, indem die Nettoentgelte für die Dozententätigkeit steuerfrei belassen werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Vortragshonorare der Klägerin nicht steuerfrei sind.
Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980/1991). Die Klägerin hat durch ihre Vortragstätigkeit gegenüber der Familienbildungsstätte in B steuerbare sonstige Leistungen erbracht.
Die Leistungen der Klägerin sind steuerpflichtig. Ein Befreiungstatbestand ist im Streitfall nicht gegeben.
1. Von den unter §1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1980/1991 fallenden Umsätzen sind nach §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden.
Die Vorschrift befreit ausschließlich die im Gesetz aufgeführten Unternehmer. Natürliche Personen werden durch sie nicht begünstigt.
Diese Auslegung des §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 nach dem Wortlaut entspricht dem Gemeinschaftsrecht. Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um. Nach der genannten gemeinschaftsrechtlichen Regelung befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer: Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit Urteil vom 11. August 1995 Rs. C-453/93 -- Bulthuis- Griffioen -- (Slg. 1995, I-2341, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1995, 476, Rdnr. 20) entschieden, daß der in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG verwendete Begriff der "Einrichtung" auf juristische Personen beschränkt ist.
Die von der Klägerin unter Berufung auf das rechtskräftige Urteil des FG Rheinland- Pfalz in EFG 1994, 808 für zutreffend gehaltene Auslegung des §4 Nr. 22 Buchst. a UStG 1980/1991 in dem Sinn, daß auch die Leistungen externer Dozenten gegenüber der begünstigten Einrichtung steuerfrei sein sollen, ist von der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage der Vorschrift nicht gedeckt.
2. Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht nach §4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1980/1991 begünstigt.
Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, daß sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind nur die Leistungen der genannten Einrichtungen steuerbefreit.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob Abschn. 112a der Umsatzsteuer-Richtlinien, wonach §4 Nr. 21 UStG 1980/1991 auch auf die Leistungen einzelner Personen anzuwenden ist, eine zutreffende Auslegung des Gesetzes enthält oder als Billigkeitsregelung zu werten ist. Die Klägerin kann sich auf diese Verwaltungsanweisung schon deshalb nicht berufen, weil sie weder eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorgelegt hat, daß sie durch ihre Unterrichtsleistung auf einen Beruf oder auf eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet, noch den Nachweis erbracht hat, daß die Familienbildungsstätte zu den Einrichtungen gehört, bei denen auf die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung verzichtet werden kann.
3. Eine unmittelbare Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG führt ebenfalls nicht zur Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin. Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht.
Zwar kann sich ein Steuerpflichtiger für die von ihm begehrte Steuerbefreiung vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf die Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG berufen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 11. August 1994 XI R 99/92, BFHE 170, 70, BStBl II 1995, 346, und EuGH- Urteil vom 6. Juli 1995 Rs. C-62/93 -- Soupergaz --, Slg. 1995, I-1883, UR 1995, 404, jeweils m.w.N.). Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG ist im Streitfall jedoch nicht einschlägig.
Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, stellen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz dar, daß jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt. Sie sind daher eng auszulegen (ständige Rechtsprechung, EuGH-Urteile vom 15. Juni 1989 Rs. 348/87 -- Stichting Uitvoering Financièle Akties --, Slg. 1989, 1737, Rdnr. 11, 13; vom 5. Juni 1997 Rs. C- 2/95 -- Sparekassernes Datacenter --, Slg. 1997, I-3017, Recht der Internationalen Wirtschaft 1997, 705, Rdnr. 20).
Bei der gebotenen engen Auslegung läßt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG die Umsatzsteuerbefreiung des von Privatlehrern gehaltenen Unterrichts nur zu, wenn dieser Unterricht an einer Schule (vgl. zum Begriff Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 7 Rz. 9) oder an einer Hochschule (Universität) erteilt wird, bzw. wenn er, gemessen an seinen Anforderungen, dem Unterricht entspricht, der üblicherweise an einer Schule oder an einer Hochschule erteilt wird.
Die von der Klägerin gehaltenen Vorträge erfüllen diese Voraussetzungen nicht; denn die Familienbildungsstätte ist keine Schule oder Hochschule.
Fundstellen
BFH/NV 1999, 81 |
DStRE 1998, 893 |
HFR 1999, 33 |
UR 1999, 162 |