Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Zuordnung von Gewinnansprüchen einer AG
Leitsatz (NV)
Gewinnansprüche einer AG, die erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluß entstehen, sind steuerlich grundsätzlich den Anteilsinhabern zuzurechnen.
Normenkette
AO 1977 §§ 38, 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; AktG § 58 Abs. 4, § 174; BGB § 101 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Gesellschafter -- als Hauptgesellschafter -- ein Landkreis (L) ist.
Sie erlitt in früheren Jahren Verluste, die durch Zuschüsse von L gedeckt wurden. Die Gesellschafter beschlossen daher am 20. Dezember 1989 die Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin um einen Betrag von höchstens 12 500 000 DM (Ziff. 1 des Beschlusses). Der endgültige Betrag der Erhöhung des Stammkapitals sollte sich aus dem Wert der übernommenen Stammeinlage am Einlagezeitpunkt ergeben. Zur Übernahme der neuen Stammeinlage war lediglich L zugelassen (Ziff. 2 des Beschlusses). Die Stammeinlage sollte dadurch erbracht werden, daß L 27 500 Stammaktien einer Beteiligungsgesellschaft, der X-AG, im Nennbetrag von je 50 DM zum Tageskurs auf die Klägerin übertragen sollte (Ziff. 3 des Beschlusses). Die einzubringenden Stammaktien sollten vom Beginn des Geschäftsjahres 1988/89 (1. Juli 1988 bis 30. Juni 1989) an am Gewinn der X-AG beteiligt sein (Ziff. 4 des Beschlusses). Die Einbringung erfolgte durch notariellen Übernahmevertrag am 22. Januar 1990. Aufgrund des dann geltenden Kurswertes ergab sich ein Betrag von 11 522 500 DM. Im Zusammenhang mit der Übernahmeerklärung wurde zwischen der Klägerin und L ein Treuhandverhältnis vereinbart; die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte sollte bei L verbleiben.
Die Dividende für das Geschäftsjahr 1988/89 zuzüglich Kapitalertragsteuer und anrechenbare Körperschaftsteuer wurde L von dem kontoführenden Bankinstitut am 19. Januar 1990 gutgeschrieben. Als Erträgniskonto wurde ein solches der Klägerin angegeben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) rechnete die Dividende L zu und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1990 unter Änderung der angefochtenen Bescheide unter Erhöhung des Gewinns um ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Gemäß §7, §8 Abs. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. §20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb einer Kapitalgesellschaft u. a. Gewinnanteile (Dividenden) aus Aktien. Von wem die Einkünfte erzielt werden, regelt das Gesetz in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung nicht. Dies folgt vielmehr aus allgemeinen Vorschriften (§38 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Danach erzielt Einkünfte i. S. von §2 Abs. 1 EStG, wer die Tatbestandsmerkmale einer Einkunftsart verwirklicht. Im Streitfall ist dies bezogen auf die in Rede stehende Dividende der X-AG nicht die Klägerin, sondern der L.
a) Die Gesellschafter einer AG haben einen Anspruch auf den Jahresüberschuß, soweit er nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag anderen Zwecken zugeführt werden muß (§58 Abs. 4 des Aktiengesetzes -- AktG --). Der Anspruch, der erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluß (§174 AktG) entsteht (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1986 I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794, zu §29 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --, m. w. N.; vgl. auch Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 27. Juni 1996 Rs. C- 234/94, EuGHE 1996, 3133, Betriebs-Berater -- BB -- 1996, 1492, i. d. F. des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 1997, BB 1997, 1577, Internationales Steuerrecht -- IStR -- 1997, 509; Senatsbeschluß vom 18. September 1996 I B 4/96, BFH/NV 1997, 283, m. w. N.; §20 Abs. 2 a EStG in der für das Streitjahr noch nicht anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt vom 13. September 1993, BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774), ist Ausfluß des Gewinnbezugsrechts, das gemäß §58 Abs. 4 AktG den Gesellschaftern zusteht und als unselbständiger Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts anzusehen ist. Der Umstand, daß der Gewinnanspruch als solcher und auch bereits vor Erwerb der Beteiligung abgetreten werden kann, ändert daran nichts (Senatsurteil in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794). Nach diesen Maßgaben richtet sich auch die steuerliche Zuordnung der Gewinnansprüche. Sie sind den Anteilseignern als Inhaber der Beteiligungsrechte zuzurechnen (vgl. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteile vom 22. August 1990 I R 69/89, BFHE 162, 263, BStBl II 1991, 38; vom 30. April 1991 VIII R 38/87, BFHE 164, 357, BStBl II 1991, 574; vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BFHE 170, 354, BStBl II 1993, 399; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §20 Rdnrn. B 31 ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §20 Rz. 12).
b) Im Streitfall kommt es sonach darauf an, wem bei Entstehen der fraglichen Dividende die Anteilsrechte an der X-AG zustanden. Nach den Feststellungen des FG, die nicht durch Verfahrensrügen angegriffen worden sind und die den erkennenden Senat binden (§118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), war dies noch der L als der bisherige Anteilseigner. Dieser hat die Anteile danach erst am 22. Januar 1990 auf die Klägerin übertragen. Zuvor -- und damit auch in den Zeitpunkten, in denen der Gewinnverteilungsbeschluß und die Dividende dem L gutgeschrieben worden und damit zugeflossen (§11 EStG) ist -- bestand lediglich eine entsprechende Absichtserklärung, die in Ziff. 4 des Beschlusses über die Kapitalerhöhung der Klägerin vom 20. Dezember 1989 zum Ausdruck kam.
Die von dieser geltend gemachten Anhaltspunkte dafür, daß sie bereits vor der eigentlichen Übertragung am 22. Januar 1990 wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen sei, werden von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen. Nach der gesetzlichen Definition in §39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 setzt die Begründung wirtschaftlichen Eigentums voraus, daß der Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer des betreffenden Wirtschaftsgutes von der Einwirkung auf dieses wirtschaftlich von einem anderen ausgeschlossen werden kann. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich. L war durch den Kapitalerhöhungsbeschluß vom 20. Dezember 1989 nicht gehindert, die Eigentumsrechte über die ihm rechtlich zustehenden Anteile an der X-AG auszüben. Daß der endgültige Betrag der Erhöhung des Stammkapitals sich ausweislich des Beschlusses aus dem Wert der übernommenen Stammeinlage am Einlagezeitpunkt ergeben sollte, bedingt nichts anderes. Dadurch ist lediglich gesagt, daß der Umfang der Kapitalerhöhung und damit auch der Umfang der -- künftigen -- Kapitalbeteiligung des L sich nach dem Tageskurs der Aktien bestimmen sollte. Das Kursrisiko verblieb dessen ungeachtet vollen Umfanges beim L. Es ist nicht auf die Klägerin übergegangen.
c) Die Streitfrage darüber, ob die -- künftigen -- Gewinnansprüche aus der Kapitalbeteiligung (auch) steuerrechtlich gleichwohl bereits dem -- künftigen -- Erwerber zugerechnet werden können, weil sie infolge einer Vorabzession auf diesen übertragen worden sind (und auch werden konnten, §398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --; vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 16. April 1920 II 396/19, RGZ 98, 318; Senatsurteil in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794), braucht -- ebenfalls aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen des FG -- nicht beantwortet zu werden. Denn danach kann nicht zweifelhaft sein, daß keine Vorabzession erfolgt ist. In Ziff. 4 des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 20. Dezember 1989 wurde zwar bestimmt, daß die einzubringenden Stammaktien vom Beginn des Geschäftsjahres 1988/89 am Gewinn der X- AG beteiligt sein sollten. Gegen die Annahme, damit seien bereits künftige Gewinnansprüche abgetreten worden, sprechen allerdings die vom FA angeführten Umstände: Die Klägerin hatte für die im Kurswert der Aktien bis dahin noch enthaltenen Gewinnansprüche keine besondere (Vorab-)Vergütung zu leisten. Es widerspräche kaufmännischen Gepflogenheiten, die künftigen Gewinnansprüche, die zum damaligen Zeitpunkt noch dem L zustanden, preiszugeben, ohne hierfür ein Entgelt zu verlangen. Außerdem sollte nach Ziff. 2 des späteren Übernahmevertrages vom 22. Januar 1990 die Klägerin "mit den übertragenen ... -Aktien vom Beginn des Geschäftsjahres 1988/89 an dem Gewinn der ... beteiligt" sein. Dieses ausdrücklichen Passus hätte es nicht bedurft, wenn die Übertragung bereits zuvor erfolgt wäre. Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt, daß Gegenstand des Beschlusses vom 22. Dezember 1989 die Kapitalaufstockung und die Art ihrer -- zunächst nur beabsichtigten -- Durchführung sowie Aufbringung war, nicht aber bereits die Durchführung und Einbringung der Beteiligung an der X-AG als solche.
Auf die Überlegungen, die das FG für den Fall der -- unterstellten -- Annahme einer Vorabzession im Hinblick auf den (zivilrechtlichen) Theorienstreit über den sog. Direkterwerb beim Zessionar oder dem Durchgangserwerb beim Zedenten des vorab abgetretenen künftigen Gewinnanspruchs (vgl. dazu z. B. Urteil in RGZ 98, 318, 320; Goerdeler/W. Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., §29 Rz. 91; Emmerich in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar, 8. Aufl., §29 Rz. 46; Hueck in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., §29 Rz. 58, m. w. N.) und die sich daraus ggf. ergebenden steuerlichen Konsequenzen (vgl. dazu Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnrn. B 11 ff., insbesondere B 21 und 23, m. w. N.; R. D. Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §20 Rz. 28 und 120) angestellt hat, braucht also nicht eingegangen zu werden.
d) Schließlich kommt es nicht auf die Regelungen in §101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB an; sie sind unbeachtlich. §101 BGB regelt lediglich, wem die Früchte (hier also die Erträge) einer Sache oder eines Rechts (hier der Anteile an der X-AG) insoweit zuzurechnen sind, als sie auf die Dauer der Berechtigung entfallen. Um einen derartigen Sachverhalt geht es im Streitfall jedoch schon deshalb nicht, weil das Stammrecht der Beteiligung an der X-AG erst am 22. Januar 1990 vom L auf die Klägerin übertragen worden ist. §101 BGB findet also keine Anwendung (vgl. auch Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., §20 EStG Rz. 29; R. D. Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a.a.O., §20 Rz. 369, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 67553 |
BFH/NV 1998, 1093 |
DStZ 1998, 735 |
HFR 1998, 830 |