Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers
Leitsatz (NV)
1. Äußere Umstände als Beweisanzeichen für die beinahe ausschließlich berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers.
2. In die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist auch die Unterbringung nicht der Arbeitsausübung dienender Gegenstände in diesem Raum einzubeziehen.
3. Für die Anerkennung als häusliches Arbeitszimmer kann es unter Berücksichtigung von Umständen zu 2. schädlich sein, wenn dieser Raum als Durchgang zu Terrasse und Garten von der Familie genutzt wird und ein anderer Zugang hierfür nicht besteht.
Normenkette
EStG 1980 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog im Streitjahr 1981 als angestellter Kundendienst-Ingenieur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 5 180 DM bei diesen Einkünften als Werbungskosten geltend. Er gab an, die Wohnfläche des ihm und seiner Frau gehörenden Hauses betrage 140 qm und das Büro sei 39 qm groß. Daher seien 28 v. H. der Gebäudeaufwendungen einschließlich Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b und § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1980 von 18 500 DM, mithin ein Betrag von 5 180 DM steuerlich zu berücksichtigen.
Nach den Feststellungen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) im Einspruchsverfahren ist das Arbeitszimmer mit zwei Glasvitrinen ausgestattet, die private und schöngeistige Literatur enthalten. In einem weiteren Glasschrank befinden sich Gläser, Kaffeetassen und ebenfalls private Bücher. In dem Raum stehen ferner ein Schreibsekretär, ein Schreibtisch, ein kleiner Aktenschrank und eine Sitzgruppe mit drei großen Clubsesseln sowie eine Lautsprecherbox. An den Wänden des Raumes hängen Jagdwaffen und Jagdtrophäen. Das Zimmer enthält einen Kaminofen und ist vom Flur durch einen schweren Vorhang abgetrennt. Eine Fenstertür führt auf die Terrasse und in den Garten des Hauses.
Das FA ließ die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Der Kläger brachte im Klageverfahren vor, das Arbeitszimmer sei etwa 30 qm groß und befinde sich im Untergeschoß des Einfamilienhauses. Das Haus verfüge über sieben Räume mit insgesamt ca. 170 qm Wohnfläche, die zu ca. 45 qm auf das Untergeschoß und zu ca. 125 qm auf das Obergeschoß entfielen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage auf Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 4 616 DM statt. Es führte u. a. aus:
Die streitigen Aufwendungen seien zum Abzug zuzulassen, da der Raum im Untergeschoß des Einfamilienhauses als Arbeitszimmer anzuerkennen sei. Der Kläger benutze das Zimmer im wesentlichen zur Abfassung von Berichten über Schadens- und Garantiefälle, die er im Außendienst überprüft habe. Das werde vom FA nicht bestritten. Dem Kläger stehe in den Betriebsräumen seines Arbeitgebers kein Büro zur Verfügung. Von der Lage und der Einrichtung her sei der Raum beruflichen Zwecken zu dienen geeignet und bestimmt. Nach den eingereichten Fotografien bestehe das Mobiliar aus älteren Stücken, die bequem, aber nicht unbedingt luxuriös seien. Die Ausstattung beeinträchtige nicht die Funktion des Arbeitszimmers; sie sei ihr vielmehr förderlich. Das Arbeitszimmer liege im Untergeschoß des Hauses, getrennt von den Räumen der Familie. Es sei deshalb nicht schädlich, daß das Arbeitszimmer keine Tür habe, sondern durch einen Vorhang von den übrigen Räumlichkeiten des Untergeschosses abgetrennt sei. Im Untergeschoß befänden sich noch ein Gästezimmer, eine Garage und zwei kleinere Abstell- bzw. Vorratsräume.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sei eine private Mitveranlassung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht feststellbar. Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, daß er kein Jäger sei. Die Geweihe und Waffen an den Wänden seien keine eigenen Jagdtrophäen, sondern Erbstücke seines verstorbenen Großvaters, die lediglich als Zimmerschmuck dienten. Die Aufbewahrung schöngeistiger Literatur in den Vitrinenschränken sei unschädlich, da es bürgerlicher Konvention entspreche, Bücher dekorativ in Schränken aufzustellen. Sollte der Kläger diese Bücher in seinem Arbeitszimmer gelesen haben, so spreche dies nur für eine geringfügige private Mitveranlassung. Der im Zimmer aufgestellte Lautsprecher gehöre nicht zu einer Stereoanlage im gleichen Raum, sondern sei mit einem Empfänger außerhalb verbunden. Er diene zum Empfang von Verkehrsnachrichten, die der Kläger wegen seiner Reisetätigkeit verfolgt habe. Sollte er beim Abfassen dienstlicher Berichte Radiomusik gehört haben, so würde dies die berufliche Betätigung im Arbeitszimmer nicht beeinträchtigen. Daß der Kläger ausschließlich Radio höre, etwa zur Entspannung nach der Arbeit, habe sich nicht feststellen lassen. Das Kaffeegeschirr in einem der Schränke diene entsprechend dem Vorbringen des Klägers der Bewirtung von Geschäftsfreunden. Das Gericht halte es für unwahrscheinlich, daß die Ehefrau das im Obergeschoß benutzte Kaffeegeschirr im Untergeschoß aufbewahre.
Eine private Nutzung des Raumens könne sich zwar daraus ergeben, daß die Terrasse des Hauses durch das Arbeitszimmer erreicht werde. Denn es sei nicht auszuschließen, daß der Kläger aus privaten Gründen die Terrasse und den Garten aufsuche oder daß Familienmitglieder das Arbeitszimmer als Zugang zur Terrasse oder Garten gebraucht hätten. Diese private Nutzung sei jedoch nur als geringfügig anzusehen, weil sie sich nur auf die Sommerzeit beschränken würde.
Das FA legte gegen das Urteil Revision ein. Es rügt die Verletzung von § 9 Abs. 1 und § 12 Nr. 1 EStG. Es führt hierzu aus:
Es sei glaubhaft, daß der Kläger sein Arbeitszimmer aus den vom FG angegebenen Gründen beruflich nutze. Der Umfang der beruflichen Nutzung stehe jedoch nicht fest. Der Gesamteindruck des Arbeitsraumes entspreche nach Lage, Größe und Ausstattung eher einem repräsentativen Herren- oder Kaminzimmer als einem Arbeitszimmer. Denn die Einrichtung des Raumes gehe weit über das hinaus, was zur Erledigung von anfallenden beruflichen Arbeiten erforderlich sei. Die innenarchitektonische Gestaltung des Raumes sei auf die Bedürfnisse der privaten Lebensführung ausgerichtet und befriedige im beträchtlichen Maße die Bedürfnisse einer gehobenen Wohnkultur, die der Familie des Klägers zugute komme.
Im übrigen habe die Vorinstanz die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallenden Aufwendungen nicht zutreffend aufgeteilt. Die gesamten Grundstückskosten von 18 500 DM seien im Verhältnis der Wohnflächen aufzuteilen. Im Hinblick darauf, daß die Wohnfläche unstreitig 170 qm betrage, wovon 30 qm auf das Arbeitszimmer entfielen, seien 18 v. H. von 18 500 DM = 3 300 DM dem Arbeitszimmer zuzurechnen. Die Vorinstanz habe jedoch anteilige Kosten von 5 180 DM zum Abzug zugelassen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, weil die vom FG getroffenen Feststellungen nicht dazu ausreichen, den im Untergeschoß des Einfamilienhauses liegenden Raum als steuerlich anzuerkennendes Arbeitszimmer zu würdigen.
Aufwendungen für die eigene Wohnung können bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil es sich bei diesen Ausgaben regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handelt, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aufwendungen ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG und Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Aufwendungen für ein Arbeitszimmer sind daher als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur zu berücksichtigen, wenn dieser Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich benutzt wird. Eine private Mitbenutzung ist lediglich dann unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Ist letzteres nicht der Fall, steht die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit der gesamten Aufwendungen entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, und die dort angegebene Rechtsprechung).
Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Benutzung eines Raumes meist nicht mehr unmittelbar festgestellt werden kann, besteht in der Regel keine andere Möglichkeit, als aus den gesamten Umständen des Falls auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 28. Oktober 1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16; in BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, und vom 26. April 1985 VI R 68/82, BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467) ist hierbei insbesondere zu untersuchen:
a) ob die Art und der Umfang der Tätigkeit einen besonderen Raum erfordern und in welchem Maße die Benutzung eines solchen Raumes notwendig ist,
b) ob die Wohnung so groß ist, daß der Familie für das Wohnbedürfnis genügend Raum zur Verfügung bleibt und deshalb eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß der Arbeitsraum privat nicht benutzt wird,
c) ob der Arbeitsraum von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb die private Benutzung nicht wahrscheinlich ist,
d) ob der Arbeitsraum wie ein Wohnraum eingerichtet ist und damit offenbar auch eine private Benutzung ermöglicht und gefördert werden soll und
e) ob die soziale und wirtschaftliche Stellung und die Größe der Familie für die Benutzung des Arbeitsraums spricht.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie hierzu keine ausreichenden Feststellungen enthält.
Das FG konnte zwar ohne Rechtsverstoß zu der Auffassung gelangen, der Kläger habe den Raum im Untergeschoß des Hauses im Streitjahr beruflich genutzt. Dies wird vom FA nicht bestritten. Das FG konnte auch ohne Rechtsverstoß (als Beweisanzeichen) den Umstand mit heranziehen, daß dem Kläger in den Betriebsräumen seines Arbeitgebers kein Büro zur Verfügung steht, so daß die Nutzung des Arbeitszimmers im Einfamilienhaus beruflich erforderlich war. Es hat auch rechtsirrtumsfrei darauf abgestellt, daß das Arbeitszimmer im Untergeschoß des Hauses getrennt von den Wohnräumen der Familie im Erd- und Obergeschoß liegt und daß dort genügend Raum für das Wohnbedürfnis der Familie zur Verfügung steht.
Entgegen der Ansicht des FG liegt eine private Mitbenutzung des Raumes jedoch darin, daß der Kläger dort teilweise Gegenstände, wie insbesondere Geweihe, Jagdwaffen und schöngeistige Literatur aufbewahrt, die mit der beruflichen Nutzung des Raumes nicht in Zusammenhang stehen. Dem FA ist darin beizutreten, daß für eine private Mitbenutzung des Raumes auch deren Einrichtung mit Kamin und Sitzgruppe mit drei großen Clubsesseln spricht, da nicht erkennbar ist, inwieweit diese Gegenstände beruflichen Zwecken dienen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang vor allem der Umstand, daß man von dem Raum auf die Terrasse und in den Garten des Hauses gelangen kann. Der Raum ist insoweit also ein Durchgangszimmer für die private Nutzung der Terrasse und des Gartens durch den Kläger, seine Ehefrau und die beiden Kinder. Sollte dieser Raum den alleinigen Zugang zur Terrasse und Garten bilden, so würde dies unter Einbeziehung der vorgenannten weiteren privaten Umstände der Annahme einer beinahe ausschließlichen beruflichen Nutzung des Raumes und seiner Anerkennung als Arbeitszimmer entgegenstehen. Ob es sich um einen alleinigen Zugang handelt, hat das FG nicht festgestellt. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit es entsprechende Feststellungen nachholt.
Sollte das Arbeitszimmer steuerlich anzuerkennen sein, so wird das FG beachten müssen, daß es in der Vorentscheidung von einer unzutreffenden Aufteilung der Grundstückskosten auf das Arbeitszimmer ausgegangen ist. Das FG hat mit der Zuerkennung von 4 616 DM Werbungskosten dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag entsprochen. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen, die vom Kläger nicht bestritten werden, betrug die gesamte Wohnfläche einschließlich des Arbeitszimmers 170 qm und die Größe des Arbeitszimmers 30 qm. Entsprechend diesem Verhältnis wären daher die gesamten Gebäudekosten auf das Arbeitszimmer so aufzuteilen, wie sich dies aus dem Schriftsatz des FA vom 15. November 1983 ergibt (vgl. Urteile des Senats vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83, BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112, und vom 10. April 1987 VI R 94/86, BFHE 149, 476, BStBl II 1987, 500). Rechtlich nicht zu beanstanden ist es, daß das FG in der Vorentscheidung die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallenden AfA nach § 7 b, § 7 Abs. 4 EStG ohne Rücksicht darauf angesetzt hat, daß der das Arbeitszimmer allein nutzende Kläger zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des Einfamilienhauses zu je 1/2 sind. Denn wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 entschieden hat, ist in Fällen dieser Art die auf den Arbeitsraum anteilig entfallende AfA nach § 7 b, § 7 Abs. 4 EStG grundsätzlich ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil der Ehefrau als Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 62381 |
BFH/NV 1988, 556 |