Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsrechtliche Sondervorschriften für das Beitrittsgebiet nicht verfassungswidrig; Berücksichtigung von Steuererstattungsansprüchen
Leitsatz (NV)
1. Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern standen, die nicht in die Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer eingingen, waren nach §118 Abs. 2 BewG a.F. nicht abzugsfähig. Diese Nichtabziehbarkeit von Schulden war notwendig und systemgerecht und sollte verhindern, daß Steuerpflichtige ihr Gesamtvermögen durch den Erwerb von steuerfreien Wirtschaftsgütern auf Kredit mindern.
2. Die generelle Nichtberücksichtigung von im Beitrittsgebiet gelegenem Grundbesitz beim Gesamtvermögen, d.h. bei der Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer bis zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1995 war aus Gründen der Steuervereinfachung und der Entlastung der Finanzämter im Beitrittsgebiet ausreichend gerechtfertigt und widersprach deshalb dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht.
3. Steuererstattungsansprüche gehörten als "Kapitalforderungen jeder Art" zum sonstigen Vermögen. Auf die Gründe, die zu den Steuererstattungsansprüchen führten, kam es grundsätzlich nicht an.
Normenkette
GG Art. 3; BewG i.d. bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung § 110 Abs. 1 Nr. 1; BewG i.d. bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung § 118 Abs. 2; BewG i.d. bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung § 136 Nr. 4 Buchst. a
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen mit ihren beiden Kindern zur Vermögensteuer veranlagt wurden. In ihrer Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1994 machten die Kläger u.a. Schulden in Höhe von ... DM geltend, die mit Grundstückserwerben im Beitrittsgebiet in Zusammenhang standen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte durch Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1994, ausgehend von einem steuerpflichtigen Vermögen von ... DM Vermögensteuer in Höhe von ... DM gegen die Kläger fest. Dabei blieben die mit den Grundstücken im Beitrittsgebiet zusammenhängenden Schulden unberücksichtigt. Ferner setzte das FA bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens Steuererstattungsansprüche in Höhe von ... DM an.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Schulden sowie gegen die Berücksichtigung der Steuererstattungsansprüche, die nach ihren Angaben durch die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen gemäß §4 des Fördergebietsgesetzes entstanden waren, wandten, blieben ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1084 veröffentlicht.
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision machen die Kläger fehlerhafte Anwendung des §136 Nr. 4 i.V.m. §118 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung geltend. Die Rechtsanwendung des FG werde den berechtigten Belangen der Kläger nicht gerecht. Die angesprochene gesetzliche Regelung habe u.a. auch die Investitionsbereitschaft erhöhen sollen. Sobald jedoch die beabsichtigte Begünstigung in eine Benachteiligung umschlage, komme es zu systemwidrigen Ergebnissen, die korrigiert werden müßten.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Vermögensteuerbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach §126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß die Kläger durch die Vermögensteuerfestsetzung vom 29. Juni 1995 nicht in ihren Rechten verletzt sind. Weder die Nichtberücksichtigung der mit dem Grundbesitz im Beitrittsgebiet zusammenhängenden Schulden noch die Berücksichtigung der Steuererstattungsansprüche sind rechtlich zu beanstanden.
a) Nach dem für die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1991 bis 1. Januar 1994 geltenden §136 Nr. 4 Buchst. a BewG i.d.F. des Art. 9 Nr. 13 des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) gehörte Grundbesitz in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) nicht zum Gesamtvermögen, d.h. zur Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer (vgl. §4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes; §114 bis §120 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung). Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern standen, die nicht in die Bemessungsgrundlage für die Vermögensteuer eingingen, waren nach §118 Abs. 2 BewG nicht abzugsfähig. Diese Nichtabziehbarkeit von Schulden war notwendig und systemgerecht. Hierdurch sollte verhindert werden, daß Steuerpflichtige ihr Gesamtvermögen durch den Erwerb von steuerfreien Wirtschaftsgütern auf Kredit mindern (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., §118 BewG Rdnr. 52) und so für ohnehin steuerfreie Wirtschaftsgüter eine weitere Begünstigung durch den Schuldenabzug entsteht (Glier in Moench/Glier/Knobel/Viskorf, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuergestz, 3. Aufl., §118 BewG Rdnr. 51).
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Mai 1988 II R 1/85 (BFHE 154, 134, BStBl II 1988, 822), auf das die Kläger hingewiesen haben, führt zu keiner anderen Beurteilung. In dieser Entscheidung hat sich der Senat lediglich mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Schulden und Lasten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer -- nicht zum Betriebsvermögen gehörenden -- Schachtelbeteiligung i.S. von §118 Abs. 2 Satz 1 BewG stehen. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Schulden und der Anschaffung der Grundstücke im Beitrittsgebiet, denn dieser ist unstreitig gegeben.
Entgegen der Auffassung der Kläger vermag auch eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung eine Berücksichtigung der Schulden nicht zu rechtfertigen. Denn anders als in dem Fall des BFH-Urteils vom 21. November 1969 III 68/65 (BFHE 97, 567, BStBl II 1970, 200) handelt es sich bei der hier maßgeblichen Regelung in §136 Nr. 4 Buchst. a BewG nicht bzw. nicht ausschließlich um eine gezielte Steuervergünstigung für einen bestimmten Personenkreis, etwa für sämtliche Investoren im Beitrittsgebiet. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluß vom 11. Juni 1997 II B 93/96 (BFHE 183, 230, BStBl II 1997, 527) ausgeführt, daß für diese Regelung in erster Linie der Gesichtspunkt der Steuervereinfachung und der Entlastung der Finanzämter im Beitrittsgebiet maßgebend war. Denn erst durch den Verzicht auf die Vermögensteuer und auf die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer war es möglich, von einer flächendeckenden Feststellung der Einheitswerte für den Grundbesitz im Beitrittsgebiet abzusehen. Die Sondervorschrift für Grundbesitz im Beitrittsgebiet verstößt deshalb auch nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes, weil die unterschiedliche Behandlung von Grundbesitz im Beitrittsgebiet einerseits und in den alten Bundesländern andererseits durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt war.
b) Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Steuererstattungsansprüche nach §110 Abs. 1 Nr. 1 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung als "Kapitalforderungen jeder Art" zum sonstigen Vermögen gehören. Auf die Gründe, die zu den Steuererstattungsansprüchen geführt haben, kann es grundsätzlich nicht ankommen.
Fundstellen
Haufe-Index 67624 |
BFH/NV 1998, 1333 |
DStRE 1998, 677 |