Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
Leitsatz (NV)
Eine Organschaft kann bereits mit der Bestellung eines vorläufigen Vergleichsverwalters über das Vermögen der Organgesellschaft enden, wenn das Amtsgericht vorläufige Sicherungsmaßnahmen nach §§ 12, 57, 59 VglO anordnet, durch die der Organträger den maßgeblichen Einfluß auf die Organgesellschaft verliert.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2; VglO §§ 12, 57, 59
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, die mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bekleidung befaßt war. Ihr Komplementär S war an dem Festkapital mit 52,5 v. H. beteiligt; er war der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin.
Anfang 1985 führte die M-GmbH den bisherigen Betrieb der Klägerin im wesentlichen weiter. Zu diesem Zwecke pachtete sie von der Klägerin deren bewegliches und unbewegliches Sachanlagevermögen. Die M- GmbH war Ende 1984 von S als einzigem Gesellschafter errichtet worden. S war der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der M-GmbH; nach den Sachverhaltsdarstellungen des Finanzgerichts -- FG -- gilt dies jedenfalls für die Zeit ab Februar 1986.
Den bereits vorher betriebenen Einzelhandel mit selbst produzierten Erzeugnissen weitete die Klägerin nach der Betriebsverpachtung aus; sie bezog nunmehr ihre Ware teils von der M-GmbH und teils von Dritten.
Die M-GmbH beantragte am 18. November 1986 beim Amtsgericht die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens, nachdem ihre Gläubiger-Bank nicht mehr bereit war, ihr im bisherigen Umfang Kredite einzuräumen.
Die Klägerin kündigte daraufhin den Pachtvertrag mit der M-GmbH.
Mit Beschluß vom 21. November 1986 bestellte das Amtsgericht Rechtsanwalt D zum vorläufigen Vergleichsverwalter. Gleichzeitig erließ das Amtsgericht gegenüber der M-GmbH ein allgemeines Veräußerungs- und Verfügungsverbot und räumte D die in § 57 der Vergleichsordnung (VerglO) bezeichneten Rechte (Kassenführungsbefugnis) ein.
Am 19. Januar 1987 wurde der Anschlußkonkurs eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der bisherige Vergleichsverwalter Rechtsanwalt D, bestellt.
Dieser hatte den Geschäftsführer S bereits ab dem 8. Januar 1987 von der Erbringung von Arbeitsleistungen freigestellt.
Mit Beschluß vom 8. August 1991 wurde das Konkursverfahren gemäß § 204 der Konkursordnung (KO) mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse eingestellt.
Bei der Veranlagung der Klägerin zur Umsatzsteuer für die Streitjahre (1986 und 1987) ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß zwischen der Klägerin und der M-GmbH bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 19. Januar 1987 eine Organschaft bestanden habe.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte überwiegend Erfolg. Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 186 veröffentlicht ist, führte im einzelnen aus, daß die M-GmbH zwar ursprünglich finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert gewesen sei, daß diese Eingliederung aber mit der Bestellung des Vergleichsverwalters am 21. November 1986 beendet worden sei.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA meint, für die Frage der Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger komme es auf die rechtliche Verwaltungs- und Verfügungsmacht an. Diese gehe im Fall des Konkurses vom Gemeinschuldner auf den Konkursverwalter über, bleibe im Fall des Vergleichsverfahrens aber beim Schuldner. Der Vergleichsverwalter habe nur ein Überwachungs- und Antragsrecht. Hieran ändere sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn das Vergleichsgericht Sicherungsmaßnahmen i. S. der §§ 12 und 57 VerglO anordne. Auch dann entspreche die Rechtsstellung des Vergleichsverwalters nicht der des Konkursverwalters.
Bezüglich der Umsatzsteuer für 1987 schränkt das FA seinen Revisionsantrag mit der Begründung ein, der Vorsteuerabzug sei zu Unrecht im Jahre 1987 wegen Zahlungsunfähigkeit nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) berichtigt worden, da die M-GmbH bereits im Jahre 1986 zahlungsunfähig gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980).
1. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, war die M-GmbH bis zur Einleitung des Vergleichsverfahrens eine Organgesellschaft i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980. Sie war eine juristische Person. Ihre finanzielle und organisatorische Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin ergibt sich daraus, daß S aufgrund seiner Beteiligungen an der Klägerin und der M-GmbH in beiden Gesellschaften die Stimmenmehrheit hatte und zumindest seit Februar 1986 auch Geschäftsführer beider Gesellschaften war. Die wirtschaftliche Eingliederung folgt, wie das FG näher ausgeführt hat, bereits aus der Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an die Organgesellschaft.
2. Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß die Eingliederung mit der vorläufigen Bestellung des Vergleichsverwalters durch das Amtsgericht endete. Zu diesem Zeitpunkt und nicht erst mit der Konkurseröffnung endete die Eingliederung der M- GmbH in das Unternehmen der Klägerin.
Dadurch, daß das Amtsgericht gemäß §§ 12, 57, 59 VerglO der M-GmbH allgemein verbot, Gegenstände ihres Vermögens zu veräußern oder sonst über sie zu verfügen und ohne Zustimmung des Vergleichsverwalters Verbindlichkeiten einzugehen, daß es dem Vergleichsverwalter die Befugnis zur Entgegennahme aller eingehenden Gelder und zur Leistung der Zahlungen übertrug, verlor S und damit auch die Klägerin den maßgeblichen Einfluß über die M-GmbH an den Vergleichsverwalter. Dem entspricht es, daß der Vergleichsverwalter S von der Erbringung von Arbeitsleistungen freistellte und die Klägerin den Mietvertrag mit der M-GmbH kündigte.
Der Vergleichsverwalter hatte im Streitfall bereits während des Vergleichsverfahrens eine ähnliche Stellung wie später als Konkursverwalter. Die vom Amtsgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen nach §§ 12, 57, 59 VerglO betreffen die rechtliche Stellung des Vergleichsverwalters. Insoweit stehen die Grundsätze des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 27. September 1991 V B 78/91 (BFH/NV 1992, 346), nach denen die Vermögenslosigkeit der Organgesellschaft die rechtliche Stellung des Organträgers nicht beeinträchtigt und deshalb die Organschaft noch nicht beendet, der Entscheidung des FG nicht entgegen.
Entscheidend ist auch nicht, welche rechtlichen Unterschiede im allgemeinen zwischen der Stellung eines Vergleichsverwalters und eines Konkursverwalters bestehen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Klägerin oder der Vergleichsverwalter im Streitfall den maßgeblichen Einfluß auf die M- GmbH hatte. Wie das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ausgeführt hat, lag dieser Einfluß beim Vergleichsverwalter. Diese Sachverhaltswürdigung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Fundstellen