Leitsatz (amtlich)
1. Krankenversicherungsunternehmen haben die negativen Alterungsrückstellungen eines Tarifs und eines Geschlechts mit den positiven Alterungsrückstellungen anderer Tarife und des anderen Geschlechts zu verrechnen.
2. Schadenrückstellungen der Krankenversicherungsunternehmen sind nur zulässig, soweit die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses vor dem Bilanzstichtag liegt.
2. Rückstellungen für Schadenermittlungskosten sind als Rückstellungen für ungewisse Schulden in Höhe der Einzelkosten und der Gemeinkosten der Schadenermittlung zulässig. Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten sind nicht zulässig.
2. Ein Versicherungsunternehmen darf die Abführungsverpflichtung nach § 22 der 43. UGDV passivieren und die Zinsen aus den zugeteilten Ausgleichsforderungen als Betriebseinnahmen ansetzen, auch wenn die Zuführungen zur Rückstellung für die Abführungsverpflichtung höher liegen als die Zinseinnahmen.
Normenkette
KStG §§ 6, 11 Nr. 2; KStDV § 24; EStG §§ 5-6; AktG § 131 Abs. 1 B IV; 43. UGDV § 22
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist ein Versicherungsverein a. G., der die Krankenversicherung betreibt. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Revisionsbeklagte (das FA) endgültige Körperschaftsteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume II/1948 bis 1956 und einen erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid 1957, denen es die Ergebnisse der Betriebsprüfung zugrunde legte. Der Steuerpflichtige focht diese Bescheide in mehreren Punkten an, von denen in der Revision noch die folgenden streitig sind:
1. Alterungsrückstellungen
2. Schadenrückstellungen
3. Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten
4. Rückstellung für die Abführungsverpflichtung nach § 22 43. UGDV (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission Nr. 21 S. 352).
Zu den einzelnen Streitpunkten ergibt sich folgender Sach- und Streitstand:
1. Alterungsrückstellungen
Der Steuerpflichtige bildete die Alterungsrückstellungen (Rückstellungen für das durch das steigende Alter des Versicherungsnehmers vermehrte Risiko der Krankheit) in der Weise, daß er die Alterungsrückstellungen für Männer und Frauen getrennt berechnete. Innerhalb der Rückstellungen des gleichen Geschlechts und des gleichen Tarifs wurden die "negativen Rückstellungen" (die zukünftigen Prämieneinnahmen sind höher als die zukünftigen Schäden) mit den positiven Rückstellungen (die zukünftigen Prämieneinnahmen sind niedriger als die zukünftigen Schäden) verrechnet. Negative Gesamtrückstellungen, die sich daraus ergaben, setzte der Steuerpflichtige mit Null an. Das FA beanstandete das für die Streitjahre 1955 bis 1957 und verlangte, daß jede negative Rückstellung jeweils von der positiven Rückstellung abgezogen werde. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Berufung hielt das FG (vgl. EFG 1965, 283) teilweise für begründet. Es hat die Auffassung vertreten, negative Alterungsrückstellungsteile eines Tarifs und eines Geschlechts seien mit den positiven Alterungsrückstellungen anderer Tarife zu verrechnen. Nach § 11 Nr. 2 KStG, § 24 KStDV sei es nicht zulässig, negative Rückstellungsteile mit Null anzusetzen. Das FG hat jedoch eine griffweise geschätzte Stornorückstellung in Höhe von 10 v. H. der mit Null angesetzten negativen Rückstellungen zugelassen. Denn negative Rückstellungen entstünden besonders bei Zugängen, weil es sich hier vorwiegend um jüngere Jahrgänge handelte. Andererseits bestehe bei diesen Zugängen auch eine große Neigung, die Versicherung wieder aufzugeben. Würden die negativen Rückstellungen mit den positiven Rückstellungen verrechnet, dann fehlten bei einem verstärkten Abgang von Versicherungsnehmern mit negativen Rückstellungen diese Beträge. Da es der Steuerpflichtige unterlassen habe, geeignete Schätzungsunterlagen für die Stornorückstellung zu erarbeiten, müsse er eine griffweise Schätzung hinnehmen.
Mit der Revision vertritt der Steuerpflichtige die Auffassung, nach den Erlassen und Verfügungen der Finanzverwaltung sei eine Stornorückstellung in Höhe der mit Null angesetzten negativen Rückstellungen zu bilden. Das FA habe außerdem nicht beachtet, daß er, der Steuerpflichtige, für Zillmerungsanteile der negativen Rückstellungen einen Aktivposten gebildet habe.
2. Schadenrückstellungen
Der Steuerpflichtige bildete Schadenrückstellungen für alle Krankheitsfälle, die bis zum 31. Dezember des vergangenen Geschäftsjahres eingetreten waren, ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Leistung des Arztes, der Apotheke und ohne Rücksicht auf den Tag, für den ein Anspruch auf Krankentagegeld bestand. Das FA ließ die Schadenrückstellungen nur insoweit zu, als die Leistung des Arztes oder des Krankenhauses vor dem Bilanzstichtag lag, und - was das Krankentagegeld betrifft - nur für die Tage, die vor dem 1. Januar des nächsten Geschäftsjahres lagen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, Gegenstand der Krankenversicherung sei der dem Versicherten während der Dauer der Krankheit durch ärztliche Behandlung usw. entstehende Vermögensschaden. Schadenrückstellungen seien daher nur für die im abgelaufenen Geschäftsjahr entstandenen Vermögensschäden zulässig. Gegen die Höhe der Schätzung, auf der die Kürzung der Schadenrückstellung durch das FA beruhe, habe der Steuerpflichtige keine Einwendungen erhoben. Es bestehe auch keine Veranlassung, von ihr abzuweichen.
Mit der Revision macht der Steuerpflichtige geltend, bei der Krankheit handle es sich um einen "gedehnten Versicherungsfall", der als Einheit zu betrachten sei und wirtschaftlich das Jahr belaste, in dem die Krankheit entstanden sei.
Der Senat hat zu dieser Frage eine Auskunft des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) eingeholt. Das BAV kommt nach Darlegung der Rechtsquellen zu dem Ergebnis, die Frage der Schadenrückstellung sei nach den Grundsätzen über schwebende Verträge zu beurteilen.
3. Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten
Das FA kürzte die Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten im entsprechenden Umfang wie die Schadenrückstellungen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das FG hat die Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten dem Grunde nach bejaht, der Höhe nach aber die Kürzung durch das FA aus den Gründen wie zu Nr. 2 für berechtigt erklärt.
Zu den Punkten 2. und 3. geht der Steuerpflichtige nunmehr auch auf die Frage ein, ob und wieweit Rückstellungen für Schadenermittlungskosten und Schadenbearbeitungskosten zulässig sind. Unter Vorlage von drei Rechtsgutachten (Gutachten G., Gutachten H. und Gutachten B.) vertritt er die Auffassung, daß diese Rückstellungen in Höhe der Einzelkosten und Gemeinkosten der Schadenermittlung und Schadenbearbeitung geboten seien.
Der BdF, der dem Verfahren nach § 122 Nr. 2 FGO beigetreten ist, hält dagegen in Anlehnung an das Urteil des BFH III 95/64 vom 28. November 1969 (BFH 98, 50, BStBl II 1970, 236) Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten überhaupt nicht und Rückstellungen für Schadenermittlungskosten nur in Höhe der unmittelbaren Kosten (Einzelkosten) für zulässig.
4. Rückstellung für die Abführungsverpflichtung nach § 22 der 43. UGDV
Der Steuerpflichtige bildete eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Abführung eines Teils des durch die Zuteilung von Ausgleichsforderungen aufgefüllten Eigenkapitals nach § 22 der 43. UGDV. Er führte dieser Rückstellung jährlich 1/20 des Abführungsbetrags zu. Die Zinsen aus den zugeteilten Ausgleichsforderungen behandelte er als Erträge. Da die Zuführungen zur Rückstellung höher waren als die Zinsen, wurde bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen der Unterschiedsbetrag dem Einkommen hinzugerechnet. Der Antrag des Steuerpflichtigen geht dahin, von dieser Hinzurechnung abzusehen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, die Sachbehandlung des Steuerpflichtigen in seiner Bilanz decke sich nicht mit der Rechtslage. Denn sie trage der Unverzinslichkeit der Abführungsverpflichtung nicht Rechnung. Obwohl, wie der BFH im Urteil I 169/58 U vom 2. Mai 1961 (BFH 73, 433, BStBl III 1961, 424) festgestellt habe, die Verwaltungsanordnung betreffend die steuerliche Behandlung der Abführungspflicht der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen nach dem Umstellungsgesetz vom 31. März 1951 (BStBl I 1951, 111) dem Gesetz nicht entspreche, sehe sie die Kammer - mit dem BFH - als Vereinfachungsmaßnahme an, die im Ergebnis zur richtigen Besteuerung führe. Da bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen von dieser Verwaltungsanordnung ausgegangen worden sei, verbleibe es dabei.
Mit der Revision beruft sich der Steuerpflichtige darauf, daß seine Behandlung der Abführungsverpflichtung und der Zinsen in der Bilanz dem BFH-Urteil I 169/58 U (a. a. O.) entspreche und daß er nach dem Beschluß der obersten Finanzbehörden der Länder die für ihn vorteilhaftere Methode der Bilanzierung wählen dürfe.
Zusammenfassend stellt der Steuerpflichtige folgende Anträge:
1. Hinsichtlich der Ausnullung der negativen Dekkungsrückstellungen in den Veranlagungszeiträumen II/1948 bis 1957 die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz entsprechend dem Erlaß des BdF vom 2. März 1963 in Verbindung mit der Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 27. März 1963 und der Verfügung der OFD Nürnberg vom 8. April 1963 anzuerkennen.
2. Die Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten in voller Höhe des Handelsbilanzansatzes der Besteuerung zugrunde zu legen.
3. Die außerbilanzmäßige Hinzurechnung des Teils der Zuführung zur Rückstellung für Abführungsverpflichtung, der die Zinseinnahmen auf die dem abführungspflichtigen Betrag entsprechenden Ausgleichsforderungen übersteigt, zu annullieren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Alterungsrückstellungen
In diesem Punkt ist die Revision begründet.
Zutreffend hat allerdings das FG entschieden, daß die negativen Alterungsrückstellungen eines Tarifs und eines Geschlechts mit den positiven Alterungsrückstellungen anderer Tarife und des anderen Geschlechts zu verrechnen sind, daß aber eine Stornorückstellung notwendig ist.
Die Alterungsrückstellungen in der Krankenversicherung sind versicherungstechnische Rückstellungen, die das Einkommen des Versicherungsunternehmens mindern (§ 11 Nr. 2 KStG, § 24 Abs. 1 KStDV). Denn sie sind erforderlich, um die Erfüllung der Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens aus den Versicherungsverträgen zu gewährleisten (Urteil des OFH I 174/43 vom 22. Juni 1949, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs Bd. 54 S. 347). Die in diesem Urteil geforderte Voraussetzung, daß eine Erhöhung der Beiträge oder eine Minderung der Leistung des Versicherers wegen des durch das Altern des Versicherten vermehrten Wagnisses für die Zukunft ausgeschlossen ist, hat der Steuerpflichtige nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), im Streitfall erfüllt. Nach den weiteren Feststellungen des FG hat der Steuerpflichtige - wie allgemein üblich - die Berechnung der Prämien und die darauf aufbauende Berechnung der Alterungsrückstellungen nicht für jeden Versicherungsvertrag getrennt vorgenommen. Daher ist auch bei der Bewertung der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen, für die die Alterungsrückstellungen gebildet werden, nicht vom einzelnen Versicherungsvertrag, sondern von der Gesamtheit der Versicherungsverträge auszugehen. Das bedeutet, daß negative Alterungsrückstellungen, die sich bei einer Gruppe ergeben, mit positiven Alterungsrückstellungen einer anderen Gruppe zu verrechnen sind. Sie dürfen nicht mit Null angesetzt werden.
Diese Auffassung, die der BdF in einem Schreiben vom 2. März 1963 an den Verband der privaten Krankenversicherungen e. V. vertreten hatte, wurde daraufhin auch vom BAV übernommen (Schreiben vom 26. Juni 1964 an das FG). Das Versicherungsunternehmen darf aber nach der Äußerung des BdF und muß nach der Erklärung des BAV eine angemessene Stornorückstellung bilden. Das BAV erklärte, eine Stornorückstellung in Höhe von 10 bis 15 v. H. der Summe aller negativen Alterungsrückstellungen werde bei der Genehmigung der geschäftsplanmäßigen Erklärungen über die Bildung einer solchen Rückstellung nicht beanstandet werden. Mit Recht hat daher auch das FG eine Stornorückstellung zugelassen. Ihre Höhe richtet sich nach den Ausführungen des FG danach, in welchem Umfang Neuzugänge jüngerer Jahrgänge die Versicherung wieder aufgeben werden. Das Verlangen des Steuerpflichtigen, die Stornorückstellung in voller Höhe der negativen Alterungsrückstellungen zu bilden, ist nicht begründet. Die Berufung auf die Anordnung der Finanzverwaltung, den Ansatz der negativen Rückstellungen mit Null bis zu dem Wirtschaftsjahr, in das der 31. Dezember 1962 fällt, unter dem Gesichtspunkt, daß sonst eine entsprechende Stornorückstellung gebildet werden müsse, nicht zu beanstanden, geht fahl. Denn diese Anordnung bindet die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit nicht. Es handelt sich um keine Übergangsregelung nach Änderung der Rechtsprechung, die auch von den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten wäre (BFH-Urteile I 252/64 vom 17. Dezember 1969, BFH 98, 152, BStBl II 1970, 257; I 39/57 U vom 14. August 1958, BFH 67, 354, BStBl III 1958, 409).
Das Urteil des FG enthält indes keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, wie der Steuerpflichtige die negativen Rückstellungen, die aus der Zillmerung herrühren, behandelt hat, insbesondere ob er, wie er behauptet, dafür einen Aktivposten gebildet hat. Die Frage wird zwar im Urteil des FG angeschnitten, aber in tatsächlicher Hinsicht nicht genügend aufgeklärt. Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Der Steuerpflichtige kann dann auch seinen Sachvortrag zur Frage der Höhe der Stornorückstellung ergänzen.
2. Schadenrückstellungen
Unbegründet sind die Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Begrenzung der Schadenrückstellungen auf die Fälle, in denen der Arzt die Apotheke oder das Krankenhaus bis zum Bilanzstichtag in Anspruch genommen wurde (unten a). Gleichwohl kann der Senat in diesem Punkt nicht abschließend entscheiden, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Denn es fehlt an tatsächlichen Feststellungen darüber, in welchem Umfang in die Schadenrückstellungen die Kosten der Schadenermittlung einbezogen wurden (unten b).
a) Die Schadenrückstellungen enthalten die Verpflichtungen des Versicherers aus den bis zum Bilanzstichtag eingetretenen und noch nicht erledigten Versicherungsfällen, BFH-Urteil I 278/63 vom 12. Juni 1968, BFH 93, 154, BStBl II 1968, 715). Sie sind auch von den Krankenversicherungsunternehmen zu bilden (Schmaltz-Sandig-Forster, Formblätter für den Jahresabschluß, S. 93).
Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer den dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken (§ 1 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes - VVG -). Die Schadenrückstellung erweist sich damit als eine Rückstellung für ungewisse Schulden (§ 131 Abs. 1 B IV AktG 1937, § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG 1965, §§ 5, 6 EStG, § 6 KStG). Für diese gilt, daß sie geboten sind, wenn die Verbindlichkeit rechtlich vor dem Bilanzstichtag entstanden oder wenigstens im vergangenen Geschäftsjahr wirtschaftlich verursacht ist. Wirtschaftliche Verursachung ist nach der Rechtsprechung des Senats anzunehmen, wenn der Tatbestand, dessen Rechtsfolge die Verbindlichkeit ist, im wesentlichen vor dem Bilanzstichtag verwirklicht worden ist (BFH-Urteil I R 15/68 vom 24. Juni 1969, BFH 96, 101, BStBl II 1969, 581). Zum Tatbestand der Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz des durch die Krankheit eingetretenen Schadens und zur Zahlung von Krankenhaustagegeld gehört neben dem Eintritt der Krankheit auch die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses. Die Ersatzpflicht des Versicherers setzt in der Regel weiter voraus, daß das Versicherungsverhältnis fortbesteht. Denn sie erlischt nach den Darlegungen des BAV in dem Schreiben vom 7. Dezember 1970 im allgemeinen mit dem Ende des Versicherungsvertrags. Die vom BAV zum Beleg dafür angeführten Bestimmungen beschränken die Ersatzpflicht des Versicherers durchweg auf die Aufwendungen, die bis zum Ende des Versicherungsvertrags oder innerhalb einer kurz bemessenen Frist nach der Beendigung des Versicherungsvertrags entstanden sind. Hier wird offenbar der Schwerpunkt des Tatbestands der Leistungspflicht des Versicherers in der Entstehung der Aufwendungen durch die Inanspruchnahme des Arztes, der Apotheke oder des Krankenhauses gesehen. Dieser Wertung folgt auch das Bilanzrecht. Soweit daher der Arzt, die Apotheke oder das Krankenhaus nach dem Bilanzstichtag in Anspruch genommen werden, ist der Tatbestand der Ersatzpflicht des Versicherers nicht "im wesentlichen" vor dem Bilanzstichtag verwirklicht.
Die Ansicht des Steuerpflichtigen, der Versicherungsfall in der Krankenversicherung sei ein sogenannter "gedehnter Versicherungsfall", wird im Schreiben des BAV vom 7. Dezember 1970 bestätigt. Aus dieser Beurteilung folgt aber nicht das von dem Steuerpflichtigen gewünschte Ergebnis, daß der Ersatz aller Kosten der im vergangenen Geschäftsjahr eingetretenen Krankheit, auch soweit sie erst nach dem Bilanzstichtag anfallen werden, rückstellungsfähig sei. Einmal ist darauf hinzuweisen, daß der Versicherungsfall nach den im Schreiben des BAV vom 7. Dezember 1970 angeführten Bestimmungen nicht mit dem Eintritt der Krankheit, sondern mit dem Eintritt in die Heilbehandlung beginnt und mit deren Abschluß endet. Hier wird wiederum deutlich, daß nicht die Krankheit als solche, sondern erst die Entstehung von Aufwendungen durch die Heilbehandlung die Ersatzpflicht des Versicherers auslöst. Außerdem zeigt der Ausdruck "gedehnter Versicherungsfall", daß der Versicherungsfall, soweit die Heilbehandlung am Bilanzstichtag noch nicht abgeschlossen ist, im vergangenen Geschäftsjahr noch nicht vollständig eingetreten ist. Das wirkt sich in der angegebenen Weise auch auf die Schadenrückstellung aus.
b) Die Schadenrückstellung umfaßt nach den Vorschriften für den Jahresabschluß der Krankenversicherungsunternehmen auch die Aufwendungen für die Schadenermittlung (Schmaltz-Sandig-Forster, a. a. O., S. 94). Das FG hat nicht geprüft, ob und in welchem Umfang Schadenermittlungskosten bei der Bemessung der Schadenrückstellung eingerechnet werden dürfen und im Streitfall tatsächlich eingerechnet wurden. Da diese Frage im Rahmen des Streitgegenstands zu untersuchen ist (BFH-Beschluß Gr.S. 1/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Urteile VI R 52/67 vom 22. November 1968, BFH 94, 310, BStBl II 1969, 169; I R 169/69 vom 27. Januar 1971, BFH 101, 498, BStBl II 1971, 424), wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG hat seiner erneuten Entscheidung die folgende Rechtsauffassung zugrunde zu legen (§ 126 Abs. 5 FGO).
Der III. Senat des BFH hat durch Urteil III 95/64 (a. a. O.) zum BewG entschieden, daß Rückstellungen für die Schadenermittlungskosten nur in Höhe der unmittelbaren Kosten (Einzelkosten) zulässig sind. Dieser Auffassung kann der Senat jedenfalls für das KStG nicht folgen. Nach § 11 Nr. 2 KStG sind bei der Ermittlung des Einkommens Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen unter gewissen Voraussetzungen abzuziehen, "soweit sie nicht bereits nach den Vorschriften des EStG abzugsfähige Ausgaben sind". Aus diesen Eingangsworten des § 11 KStG folgt, daß der Ansatz von Rückstellungen, auch von versicherungstechnischen Rückstellungen, die schon nach §§ 5, 6 EStG zulässig oder geboten sind, durch § 11 Nr. 2 KStG nicht eingeschränkt wird.
Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung sind, wie in dem Gutachten G. näher ausgeführt ist, für ungewisse Schulden Rückstellungen zu bilden (§ 131 Abs. 1 B IV AktG 1937, § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG 1965). Das gilt nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz auch im Steuerrecht (§ 5 EStG). Wie in dem Gutachten G. dargelegt wird, besteht nach den Vorschriften des VVG eine Verpflichtung des Versicherers zur Ermittlung des Schadens. Bei der allgemeinen Schadenersatzpflicht nach §§ 249 ff. BGB ist der Schuldner nicht zur Ermittlung des Schadens verpflichtet, er kann sich vielmehr untätig verhalten und die Ermittlung des Schadens dem Ersatzberechtigten überlassen. Anders bei der Schadenversicherung. Nach § 66 VVG hat der Versicherer die Kosten, die durch die Ermittlung und Feststellung des ihm zur Last fallenden Schadens entstehen, dem Versicherungsnehmer zu erstatten, soweit ihre Aufwendungen den Umständen nach geboten war. Nach § 64 VVG erfolgt unter gewissen Voraussetzungen die Feststellung einzelner Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder der Höhe des Schadens durch das Gericht. Der Versicherer kann zwar nach dem Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (§ 34 Abs. 1 VVG), er kann zu diesem Zweck auch Belege fordern (§ 34 Abs. 2 VVG). Die Kosten, die durch die Erfüllung dieser Auskunftspflicht entstehen, hat aber wiederum der Versicherer dem Versicherungsnehmer zu erstatten (§ 66 VVG; Prölss-Martin-Versicherungsvertragsgesetz, § 66 Anm. 1).
Aus diesen Vorschriften zieht der Senat mit dem Gutachten G. den Schluß, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber zur Schadenermittlung verpflichtet ist. Der Senat sieht sich in dieser Ansicht dadurch bestärkt, daß nach § 11 VVG Geldleistungen des Versicherers - dazu gehört auch die Leistung des Schadenersatzes bei der Schadenversicherung (§ 49 VVG) - erst mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig sind. Diese Erhebungen sind, wie allgemein angenommen wird (Prölss-Martin, a. a. O., § 11 Anm. 3), vom Versicherer anzustellen. Da die Geldleistung des Versicherers erst mit ihrem Abschluß fällig wird, hat der Versicherungsnehmer ein rechtliches Interesse daran, daß die Erhebungen überhaupt und daß sie zügig durchgeführt werden.
Der Senat bezweifelt, ob die Pflicht des Versicherers zur Ermittlung des Schadens in jedem Fall durch Klage und Zwangsvollstreckung erzwungen werden kann (§§ 256, 887, 888 ZPO). Es wird Fälle geben, in denen bereits die Klage auf Leistung des Geldbetrags (§§ 1, 49 VVG) möglich ist und aus diesem Grund ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Schadenermittlung fehlt. Die Verpflichtung des Versicherers zur Ermittlung des Schadens wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Da Rückstellungen nicht nur für Geldschulden, sondern auch für Verpflichtungen zur Sachleistung oder zur Dienstleistung zu bilden sind (Gutachten G.; vgl. BFH-Urteil I R 184/67 vom 16. September 1970, BFH 100, 443, BStBl II 1971, 85), ist auch für die Verpflichtung des Versicherers zur Ermittlung des Schadens eine Rückstellung anzusetzen. Für deren Bewertung gelten die Grundsätze über die Bewertung von Verbindlichkeiten. Denn die Rückstellungen für ungewisse Schulden unterscheiden sich von den Verbindlichkeiten nur dadurch, daß ungewiß ist, ob die Verbindlichkeit besteht oder in welcher Höhe sie besteht (BFH-Urteil I R 15/68, a. a. O.). Sie sind daher, wie im Gutachten G. zutreffend ausgeführt wird, nichts anderes als dem Grunde oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten.
Verbindlichkeiten sind handelsrechtlich, wie § 156 Abs. 2 AktG 1965 klargestellt hat, mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten. Das ist bei Sach- und Dienstleistungen der Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der Sachleistung oder Dienstleistung erforderlich sind (Gutachten G.). Dieser umfaßt bei der gebotenen entsprechenden Anwendung des § 133 Nr. 1 Abs. 3 AktG 1937, § 153 Abs. 2 AktG 1965 auch angemessene Teile der Betriebs- und Verwaltungskosten.
Diese handelsrechtliche Beurteilung gilt mit gewissen Einschränkungen auch im Steuerrecht. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Bewertung der nichtabnutzbaren Wirtschaftsgüter) anzusetzen. Es kann auf sich beruhen, ob damit eine Bewertung mit den "Anschaffungskosten" der Verbindlichkeit vorgeschrieben wird, wie der BFH - namentlich für Darlehnsschulden - angenommen hat (BFH-Urteil IV 131/63 vom 29. Juni 1967, BFH 89, 377, BStBl III 1967, 670). Denn in der Rechtsprechung des RFH und des BFH ist andererseits auch anerkannt, daß Verbindlichkeiten, die nicht in Geld zu erfüllen sind, grundsätzlich mit den gesamten Kosten (Einzelkosten und Gemeinkosten) zu bewerten sind (RFH-Urteil VI A 197/36 vom 1. April 1936, RStBl 1936, 446; BFH-Urteil IV 470/60 vom 10. Juli 1963, DB 1963, 1273). Ähnlich wie das Gutachten G. verweist der RFH in dem angeführten Urteil darauf, daß bei der Bewertung hergestellter Wirtschaftsgüter auf der Aktivseite der Bilanz die Herstellungskosten auch die Gemeinkosten umfassen und daß diese Frage bei der Passivierung in gleicher Weise zu behandeln sein werde.
Dieser Schluß aus der Bewertung der Wirtschaftsgüter auf der Aktivseite der Bilanz auf die Bewertung von Verpflichtungen zur Dienst- oder Sachleistung legt es nahe, in beiden Fällen bei der Ermittlung der Kosten die gleichen Grundsätze anzuwenden. Abschn. 33 EStR, der im wesentlichen eine dem Gesetz entsprechende Umschreibung der Herstellungskosten enthält, rechnet die Verwaltungskosten nicht zu den Herstellungskosten. Danach ist auch bei der Bewertung von Sach- und Dienstleistungen auf der Passivseite der Bilanz für den Ansatz von Verwaltungskosten - im Gegensatz zum Handelsrecht - kein Raum.
3. Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten
Auch in diesem Punkt reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG zu einer abschließenden Entscheidung des Senats nicht aus. Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Das FG hat die Rückstellungen für Schadenbearbeitungskosten dem Grunde nach anerkannt. Der III. Senat des BFH hat in dem Urteil III 95/64 (a. a. O.) solche Rückstellungen nach dem BewG nicht für zulässig erklärt. Der Senat folgt dieser Auffassung im Ergebnis auch für das KStG.
a) Im Gutachten G. ist allerdings dargelegt, daß eine selbständige Verpflichtung des Versicherers nicht nur zur Schadenermittlung, sondern auch zur Schadenbearbeitung bestehe. Dieser Auffassung kann der Senat für die Schadenbearbeitung nicht folgen. Im Gegensatz zur Frage der Schadenermittlung enthält das VVG nach Ansicht des Senats keine Vorschrift, aus der sich eine Verpflichtung des Versicherers zur Schadenbearbeitung ergibt, die gegenüber der Verpflichtung zur Schadenermittlung und zur Leistung des Schadenersatzes in Geld mit einer hinreichenden Selbständigkeit ausgestattet ist. Nach Höring (Versicherungswirtschaft 1957 S. 143, 144) handelt es sich bei den Schadenbearbeitungskosten, die weder in den allgemeinen Vorschriften über den Versicherungsvertrag noch in den einzelnen Versicherungsverträgen erwähnt oder gar erläutert würden, um interne Aufwendungen des Versicherers, die zwar im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung im Schadenfall stünden, jedoch rechtlich vom einzelnen Vertrag unabhängig und unmittelbar aus der Struktur der gewerblichen Schadenregulierung der Versicherer erwüchsen. In seinen weiteren Ausführungen umschreibt Höring (a. a. O., S. 145) die Schadenbearbeitungskosten auch als die Aufwendungen für die Schadenregulierung, die sich aus der spezifisch versicherungstechnischen Bearbeitung einer Menge von Schadenfällen zahlreicher Versicherungsnehmer in den gewerblichen Formen eines Versicherungsunternehmens ergäben.
Mit dieser Begriffsbestimmung für Schadenbearbeitungskosten, der der Senat folgt, ist zugleich gesagt, daß die rechtliche und wirtschaftliche Ursache dieser Kosten nicht im einzelnen Versicherungsvertrag und damit auch nicht im einzelnen Versicherungsfall liegt, sondern in der Tatsache, daß ein Unternehmen besteht und die Schadenversicherung betreibt. Aus dieser Tatsache folgt ohne weiteres die Pflicht des Versicherers, durch geeignete Einrichtungen dafür zu sorgen, daß die Versicherungsfälle bearbeitet werden.
Wenn in dem Gutachten G. in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft erwähnt wird, unbegründete Ansprüche abzuwehren, so mag diese Verpflichtung "im Interesse ihrer vertragstreuen Versicherungsnehmer und im Interesse der Volksgesamtheit" bestehen (Urteil des OLG Düsseldorf 6 U 158/37 vom 31. Januar 1938, Juristische Rundschau für die Privatversicherung 1938 S. 89 ff.; ähnlich Urteil des OLG Kiel 3 U 7/33 vom 22. April 1933, Juristische Rundschau für die Privatversicherung 1933 S. 286 ff.). Damit wird aber kein Anspruch des einzelnen Versicherungsnehmers aus seinem Versicherungsvertrag auf Bearbeitung des Schadens begründet. Vielmehr bedeutet die Verpflichtung zur Abwehr unbegründeter Ansprüche - jedenfalls nach den angeführten Urteilen - nur, daß der Versicherer seine Ersatzleistung nicht gesetzwidrig verzögert, wenn er die Anspruchsberechtigung prüft. Sie besagt damit nur etwas über Zeit und Inhalt der Hauptleistung des Versicherers, ohne damit die Schadenbearbeitung in den Rang einer eigenen schuldrechtlichen Leistung des Versicherers zu erheben.
Eine Rückstellung für die Schadenbearbeitungskosten als Rückstellung für ungewisse Schulden kommt daher nach §§ 5, 6 EStG, § 131 Abs. 1 B IV AktG 1937, § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG 1965 nicht in Betracht. Der Senat kann nicht der Auffassung des Gutachtens H. folgen, daß die Rückstellungen keine Schuld im bürgerlich-rechtlichen Sinne voraussetzten, daß es vielmehr genüge, wenn betriebswirtschaftlich zur Schadenregulierung neben der Schadenzahlung als Hauptleistung auch die Schadenbearbeitung als unselbständige Nebenleistung gehöre. Der Verzicht auf eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten führte zur Bildung einer "Aufwandrückstellung", einer Rückstellung für eine betriebswirtschaftliche Verpflichtung gegen sich selbst, die - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - dem geltenden Recht widerspricht. Bereits das AktG 1937, das in den Streitjahren noch galt, hat dadurch, daß es dem Begriff "Rückstellungen" die Worte "für ungewisse Schulden" hinzufügte (§ 131 Abs. 1 B IV AktG 1937), den Schuldcharakter der Rückstellungen betont (Gutachten G.; Hefermehl, JW 1937, 503; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Bd. I, § 152 AktG Tz. 99). Auch das AktG 1965 läßt, wie im Gutachten G. näher ausgeführt ist, Aufwandrückstellungen mit Ausnahme gesetzlich bestimmter Ausnahmefälle nicht zu.
Die Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten ist auch als Rechnungsabgrenzungsposten nach den allgemeinen Vorschriften nicht zu halten. Rechnungsabgrenzungsposten (§ 131 Abs. 1 A IV, B VI AktG 1937, § 152 Abs. 9 AktG 1965, § 5 EStG) dienen dazu, gebuchte Einnahmen oder Ausgaben dem Wirtschaftsjahr zuzuteilen, als dessen Ertrag oder Aufwand sie anzusehen sind. Die Zurechnung bemißt sich bei Rechnungsabgrenzungsposten für Vorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag nach dem Verhältnis der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Gegenleistung, nicht nach dem Anfall der Kosten, die durch die Gegenleistung verursacht sind und die durch die Einnahmen gedeckt werden sollen (BFH-Urteile I 208/63 vom 31. Mai 1967, BFH 89, 191, BStBl III 1967, 607; IV 285/65 vom 17. August 1967, BFH 90, 322, BStBl II 1968, 80). Auch hier wird darauf abgestellt, was die nach dem Vertrag geschuldete Leistung ist, und nicht darauf, welche Kosten aufzuwenden sind, um diese Leistung zu bewirken. Die Schadenbearbeitung ist, wie ausgeführt, nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Anspruchs des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag. Sie steht daher den bereits vereinnahmten Prämien (§ 1 Abs. 2 VVG) nicht als Gegenleistung des Versicherers gegenüber. Daher können die künftigen Schadenbearbeitungskosten, auch soweit der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, nicht als Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen werden.
Schließlich kommt auch eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, wie sie das Gutachten G. im Falle der Nichtpassivierung der Schadenbearbeitungskosten für erforderlich hält, nicht in Betracht. Denn dies ist keine Rückstellung für einzelne Kosten, sondern eine Rückstellung in Höhe des Betrags, um den die Leistung des Versicherers die Gegenleistung des Versicherungsnehmers voraussichtlich übersteigt. Im Streitfall fehlen Anhaltspunkte dafür, daß dem Steuerpflichtigen aus den bestehenden Versicherungsverträgen Verluste drohen.
b) Ist somit eine Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten nach allgemeinen Vorschriften des EStG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig, so bleibt zu prüfen, ob diese Rückstellung nach § 11 Nr. 2 KStG, § 24 KStDV als "versicherungstechnische Rücklage" bei der Ermittlung des Einkommens des Steuerpflichtigen abzuziehen ist. Der Senat verneint auch diese Frage. Im § 24 Abs. 1 Satz 1 KStDV ist vorgeschrieben, daß Zuführungen zu versicherungstechnischen Rücklagen insoweit abzugsfähig sind, als es sich um echte Schuldposten oder um Posten der Rechnungsabgrenzung handelt. Das bedeutet nach Ansicht des Senats nicht, daß in jeder Beziehung die Voraussetzungen einer Schuld oder eines Rechnungsabgrenzungspostens nach den allgemeinen Vorschriften erfüllt sein müssen. Denn in diesem Fall wäre die Rückstellung bereits nach den allgemeinen Vorschriften des EStG eine abzugsfähige Ausgabe (vgl. die Eingangsworte in § 11 KStG). Die Vorschrift ist vielmehr in Anlehnung an die Ausführungen im Gutachten B. so auszulegen, daß es sich um Tatbestände handeln muß, die unter Berücksichtigung der Eigenart des Versicherungsgeschäfts wie Schulden oder Rechnungsabgrenzungsposten wirken. Durch den Versicherungsvertrag verpflichtet sich der Versicherer, nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer den dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken (§ 1 Abs. 1 VVG). Es kann auf sich beruhen, ob - rechflich gesehen - darin die Leistung des Versicherers liegt oder ob diese nicht bereits in der Übernahme des Risikos, in der Gefahrtragung, zu finden ist (vgl. Prölss-Martin, a. a. O., § 1 Anm. 2 B). Wirtschaftlich gesehen übernimmt jedenfalls der Versicherer durch den Versicherungsvertrag das versicherte Risiko. Daher ist es gerechtfertigt, bei der Prüfung, ob eine Schuld oder ein Rechnungsabgrenzungsposten vorliegt, in gewissem Umfang das übernommene Risiko schon vor seiner Konkretisierung im einzelnen Versicherungsfall zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil I 278/63, a. a. O., zur Schwankungsrückstellung). Immer aber muß es sich um einen Ausdruck der - wenn auch noch latenten - Verpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsvertrag handeln. Diese Voraussetzung ist, wie bereits ausgeführt, bei den Schadenbearbeitungskosten nicht erfüllt.
Das schließt nicht aus, daß das Versicherungsunternehmen die Schadenbearbeitungskosten passiviert, um die Deckung dieser Kosten sicherzustellen (vgl. Sasse, Festschrift für Erich R. Prölss, S. 301). Der Sache nach handelt es sich dabei aber um eine Maßnahme der Finanzierung künftigen Aufwands und damit um eine Rücklage.
c) Eine andere Frage ist es, ob in der Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten Beträge ausgewiesen werden, die bei richtiger Beurteilung zu den Schadenermittlungskosten zählen. Die Grenze zwischen beiden Kostenarten wird fließend verlaufen. Der Senat sieht beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens keine Veranlassung, auf diese Frage näher einzugehen, zumal sie zum Teil auf dem Gebiet der tatsächlichen Feststellungen liegt, die dem FG vorbehalten sind. Zur Vermeidung eines Mißverständnisses wird bemerkt, daß dem Senat die Aufzählung der Schadenbearbeitungskosten bei Höring (a. a. O., S. 146) im wesentlichen richtig zu sein scheint, wenn auch die erste Gruppe "Prüfung des Versicherungsverhältnisses" den Eindruck erwecken könnte, daß hier auch Aufwendungen "zur Feststellung des Versicherungsfalls" im Sinne der §§ 11, 34 VVG enthalten sind, die nach den Ausführungen des Senats zu 3b eher unter die Schadenermittlungskosten fallen dürften.
d) Das FG wird die Frage der Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten unter Beachtung der vorstehenden rechtlichen Ausführungen im Rahmen des Streitgegenstandes erneut prüfen.
4. Rückstellung für die Abführungsverpflichtung nach § 22 der 43. UGDV
In diesem Punkt ist die Revision begründet. Dem Steuerpflichtigen kann nicht verwehrt werden, für die Abführungsverpflichtung nach § 22 Abs. 1 der 43. UGDV eine Rückstellung zu bilden.
Der Steuerpflichtige hatte nach § 22 Abs. 1 der 43. UGDV einen Teil des durch die Zuteilung von Ausgleichsforderungen aufgefüllten Eigenkapitals an das Land abzuführen. Er war nach § 22 Abs. 2 der 43. UGDV verpflichtet, für die Abführungsverpflichtung eine Rückstellung zu bilden und dieser im Lauf der auf den 20. Juni 1948 folgenden 20 Geschäftsjahre angemessene Beträge zuzuführen. Der Senat hat im Urteil I 169/58 U (a. a. O.) diese Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung auch steuerrechtlich anerkannt und erklärt, die in der Verwaltungsanordnung der Bundesregierung vom 31. März 1951 (a. a. O.) getroffene Anordnung, daß die Rückstellung steuerlich wie eine Rücklage zu behandeln und zu Lasten des Eigenkapitals zu bilden sei, weiche ohne gesetzliche Grundlage von § 22 Abs. 2 der 43. UGDV ab. Andererseits werde auch die in dieser Verwaltungsanordnung gewährte Steuerfreiheit der Zinseinnahmen auf den Betrag der zugeteilten Ausgleichsforderungen durch keine Rechtsvorschrift gedeckt. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Er hat allerdings in dem damaligen Urteil I 169/58 U (a. a. O.) erklärt, bei der Bemessung der Rückstellung nach § 22 Abs. 2 der 43. UGDV müsse die Unverzinslichkeit der Abführungsverpflichtung berücksichtigt werden. Es kann offenbleiben, ob diese Auffassung aufrechtzuerhalten ist und ob allgemein unverzinsliche Verbindlichkeiten abzuzinsen sind (vgl. BFH-Urteile IV 456/61 U vom 12. März 1964, BFH 80, 138, BStBl III 1964, 525; I 162/64 vom 27. November 1968, BFH 94, 383, BStBl II 1969, 247). Denn die Tatsache der Unverzinslichkeit der nach Ablauf von 20 Jahren zu erfüllenden Abführungsverpflichtung ist im Streitfall bereits dadurch ausreichend berücksichtigt, daß der Steuerpflichtige in seine Bilanz nicht auf einmal den Betrag der Abführungsverpflichtung aufgenommen, sondern in die Rückstellung jährlich 1/20 des Erfüllungsbetrags eingestellt hat.
Der Senat hat in dem Urteil I 169/58 U (a. a. O.) die erwähnte Verwaltungsanordnung der Bundesregierung vom 31. März 1951 trotz ihres Widerspruchs zum Gesetz als "technische Vereinfachungsmaßnahme", die im Ergebnis zur richtigen Besteuerung führe, gelten lassen. Das kann aber nicht so verstanden werden, daß der Senat den Steuerpflichtigen die Verwaltungsanordnung habe aufzwingen wollen. Offen blieb die Frage, ob der Steuerpflichtige die dem Gesetz entsprechende steuerrechtliche Behandlung der Abführungsverpflichtung als Rückstellung und der Zinsen aus den Ausgleichsforderungen als Erträge wählen kann, wenn für ihn diese Behandlung günstiger ist. Diese Frage hat die Finanzverwaltung im Sinne eines Wahlrechts beantwortet und dabei klargestellt, daß bei Bildung einer Rückstellung für die Abführungsverpflichtung keine Abzinsung wegen Zinslosigkeit zu fordern sei (Bescheid des BdF vom 8. Juni 1962 - IV B/1 - S 2116 - 7/62 -, BB 1962, 707). Nach Ansicht des Senats kann der Steuerpflichtige jedenfalls nicht gehindert werden, dem Gesetz entsprechend zu bilanzieren.
Fundstellen
Haufe-Index 413107 |
BStBl II 1972, 392 |
BFHE 1972, 422 |