Entscheidungsstichwort (Thema)
Strukturwandel von landwirtschaftlicher zu gewerblicher Tierzucht bei Errichtung eines Schweinemaststalls; Zurechnung einer im Hinblick auf diese Investitionen gebildete Rücklage gemäß § 3 Abs. 2a ZRFG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine auf einer ausreichenden Futtergrundlage betriebene landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung kann infolge einer nachhaltigen Änderung im Tier- oder Flächenbestand in die Gewerblichkeit hineinwachsen (Strukturwandel).
2. Strukturiert der Landwirt durch auf Dauer angelegte planmäßige Maßnahmen seinen Betrieb so um, dass die Vieheinheitengrenze nachhaltig überschritten wird, führt dies zur sofortigen Entstehung eines Gewerbebetriebs. Dieser tritt neben den weiter bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb und beginnt grundsätzlich mit der ersten Vorbereitungshandlung, die auf die nachhaltige Kapazitätserweiterung gerichtet ist (Fall des sofortigen Strukturwandels).
3. Lässt sich eine auf Dauer angelegte Maßnahme zur nachhaltigen Kapazitätserweiterung nicht feststellen, ist nach einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren, in dem die Vieheinheitengrenze jeweils auch nur geringfügig überschritten wird, ein Gewerbebetrieb anzunehmen (Fall des allmählichen oder schleichenden Strukturwandels).
4. Wird die Vieheinheitengrenze um mehr als 10 % überschritten und wird dadurch zugleich ein zusätzlicher Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen von mehr als 10 % erforderlich, lässt dies den Schluss auf das Vorliegen eines sofortigen Strukturwandels zu.
5. Wirtschaftsgüter des landwirtschaftlichen Betriebs, die nach dem Strukturwandel ausschließlich dem infolge einer Überschreitung der Vieheinheitengrenze gewerblichen Betrieb dienen, sind erst mit der Aufstallung der zusätzlichen Tierbestände in den Gewerbebetrieb zu überführen.
6. Eine Rücklage gemäß § 3 Abs. 2a ZRFG, die für eine Investition gebildet werden darf, die zu einem sofortigen Strukturwandel führt, ist ausschließlich durch den entstehenden Gewerbebetrieb veranlasst.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2, 4, § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 4; BewG § 51 Abs. 2; ZRFG § 3 Abs. 2a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die verheirateten Kläger, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagten (Kläger) werden in den Streitjahren 1992 und 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger unterhält einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche in den Wirtschaftsjahren 1992/93 bis 1995/96 zwischen 50,20 ha und 68,53 ha betrug.
Am 28. Februar 1995 beantragte der Kläger für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die Bildung einer Rücklage nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) zum 30. Juni 1994 in Höhe von 1 Mio. DM für den geplanten Neubau eines Schweinestalls im Jahre 1996 mit voraussichtlichen Herstellungskosten in Höhe von 2 Mio. DM. Die beantragte Rücklage wurde mit Bescheid vom 19. Januar 1996 bewilligt. Der Stall mit 2 080 Stallplätzen wurde im Oktober 1996 fertig gestellt sowie in Nutzung genommen.
Die bewilligte Rücklage berücksichtigte der Kläger erstmals in der Bilanz für den landwirtschaftlichen Betrieb zum 30. Juni 1994. Dies führte zu einer Gewinnminderung im Wirtschaftsjahr 1993/94 in Höhe von 1 Mio. DM.
Mit Vertrag vom 28. Juni 1996 übertrug der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 1996 den landwirtschaftlichen Betrieb, mit Ausnahme des der Schweinemast dienenden Grundstücks und der Rücklage, auf die mit einer Angehörigen neu errichtete Landwirtschafts-GbR. Diese führte die bisherige landwirtschaftliche Produktion fort. Die Schweinemast in dem neuen Maststall wird seitdem von dem Kläger als Gewerbebetrieb geführt.
Nach einer Betriebsprüfung löste der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Rücklage im Wirtschaftsjahr 1993/94 gewinnerhöhend auf, weil sie wegen der Überschreitung der Vieheinheitengrenze (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) in einem neu eröffneten Betrieb "gewerblicher Tierzucht" zu bilden sei, dort aber nach § 15 Abs. 4 EStG weder zu ausgleichsfähigen noch abziehbaren Verlusten führe. Dadurch verringerte sich die Verlustverrechnung bzw. der Verlustrücktrag für die Streitjahre (1992 und 1993) um jeweils 500 000 DM. Durch den Stallneubau mit 2 080 Mastplätzen hätten sich ausgehend von einem Umtrieb von 2,5/Jahr und einem Umrechnungsschlüssel gemäß Anlage 1 zu § 51 Abs. 4 Satz 1 des Bewertungsgesetzes a.F. (BewG) von 0,12 die Vieheinheiten um 624 erhöht. Unter Berücksichtigung der bisher noch nicht für die Masttierhaltung eingesetzten landwirtschaftlichen Flächen habe sich für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers ein zusätzlicher Flächenbedarf von 355 ha ergeben.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der die Kläger die Anerkennung der Rücklage zum 30. Juni 1994 im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb begehrten, nur insoweit statt, als es die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 um die Gewinne aus der Schweinehaltung minderte sowie diese den Einkünften aus gewerblicher Tierzucht zurechnete und mit den Verlusten aus der Rücklagenbildung verrechnete. Dadurch minderten sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in 1993 um 20 000 DM und es erhöhte sich der auf 1992 rücktragsfähige Verlust um 12 000 DM.
Im Wesentlichen folgte das FG indes der Auffassung des FA. Die Rücklage könne nicht bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gebildet werden. Sie sei für die Errichtung einer Stallanlage mit 2 080 Stallplätzen gebildet worden. Für die Viehhaltung in dieser Größenordnung habe es an der ausreichenden Futtergrundlage gefehlt, weshalb es sich insoweit um eine gewerbliche Tierzucht gehandelt habe. Es sei auch weder hinreichend konkretisiert noch nachgewiesen worden, dass der Kläger die Absicht verfolgt habe, eine ausreichende Futtergrundlage durch Anpachtung oder Ankauf weiterer landwirtschaftlicher Flächen zu schaffen. Die Rücklage sei durch die gewerbliche Schweinemast veranlasst und deshalb bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.
Die Rechtsprechung zu § 7g EStG sei im Streitfall nicht einschlägig.
Die Kläger könnten sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum allmählichen Strukturwandel berufen. Im Streitfall sei bereits mit dem Beschluss der Errichtung des vorliegenden Schweinestalls und der Bildung der Rücklage der Strukturwandel vollzogen, da die für die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs ausreichende Futtergrundlage nicht zur Verfügung gestanden habe. Dem stünde auch Sinn und Zweck des ZRFG nicht entgegen. Die Auslegung sei auch unter Gleichheitsaspekten geboten. Soweit ein Nicht-Landwirt einen vergleichbaren Stall geplant hätte, wären die Einkünfte ebenfalls von vornherein als gewerblich einzustufen gewesen.
Die Klage habe aber insoweit Erfolg, als die Einkünfte aus der Schweinemast bereits zum 30. Juni 1994 als gewerblich anzusehen und deshalb die diesbezüglichen Gewinne der Wirtschaftsjahre 1993/94 und 1994/95 den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision. In der Revisionsbegründung, die dem FA am 5. Mai 2006 zugestellt worden ist, führen sie im Wesentlichen aus, dass das FG zu Unrecht die Bildung der Rücklage als Maßnahme betrachtet habe, die zu einer Umstrukturierung des Betriebs hin zu einem gewerblichen Mastbetrieb geführt habe. Die Rücklage sei lediglich ein Buchungssatz, eine bloße bilanzielle Maßnahme. Zu diesem Zeitpunkt sei noch offen gewesen, ob die mit der Bildung der Rücklage vorbereitete Investition tatsächlich durchgeführt werden würde. Nach der Rechtsprechung und ebenso nach den einschlägigen Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) könnten nur tatsächlich durchgeführte Maßnahmen (Investitionen, Eingehen vertraglicher Verpflichtungen, Anschaffungen) einen Strukturwandel begründen. Das FG stelle demgegenüber die Bildung einer Rücklage rechtlich mit der Durchführung der Investition gleich.
Diese Rechtsansicht widerstreite auch der Rechtsprechung zum § 7g EStG. Der BFH setze für die Bildung einer § 7g-Rücklage voraus, dass objektiv erkennbar auf eine gewerbliche Tätigkeit gerichtete Vorbereitungshandlungen vorlägen. Im Hinblick auf einen zu eröffnenden Gewerbebetrieb verlange die Rechtsprechung zudem, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen verbindlich bestellt worden seien. Die Bildung der Rücklage selbst sei danach kein Kriterium, auf das die Aufnahme eines Gewerbebetriebs gestützt werden könnte.
Im Streitfall komme daher für die Annahme eines Strukturwandels nur der Zeitpunkt in Betracht, zu dem mit den Investitionen tatsächlich begonnen worden sei. Im Zeitpunkt der Rücklagenbildung sei die Vieheinheitengrenze nicht überschritten worden. Ein Strukturwandel habe deshalb in den Streitjahren nicht vorgelegen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Klage abgewiesen hat, und der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2001 die Einkommensteuerbescheide 1992 vom 22. März 1999 und 1993 vom 11. Januar 1999 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1992 um 488 000 DM und für 1993 um 480 000 DM gemindert werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Vorentscheidung verletze, soweit sie die Klage abgewiesen habe, kein Bundesrecht. Abweichend von der Vorinstanz gehe das FA jedoch davon aus, dass nicht von einem Strukturwandel des landwirtschaftlichen Betriebs zu einem Gewerbebetrieb, sondern von der Neugründung eines Gewerbebetriebs auszugehen sei. Letztere sei mit der Bildung der Rücklage eingeleitet worden. Da die Vieheinheitengrenze auf Grund der geplanten Größe des Stalls nachhaltig überschritten worden sei, sei ohne zeitlichen Übergang sofort von einem Gewerbebetrieb auszugehen.
Ausgehend von der Neugründung des Gewerbebetriebs in 1994 habe das FG die in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 erzielten Einkünfte aus der Schweinemast zu Unrecht als solche aus Gewerbebetrieb beurteilt. Die Klage hätte daher insgesamt abgewiesen werden müssen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Anschlussrevision des FA ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
A. Revision der Kläger
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rücklage nach § 3 Abs. 2a ZRFG für die Errichtung des Schweinestalls nicht im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, sondern im Gewerbebetrieb des Klägers (gewerbliche Tierzucht) zu bilden war. Die in dem Gewerbebetrieb durch die Rücklagenbildung entstandenen Verluste können gemäß § 15 Abs. 4 EStG weder mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten des Jahres 1993 verrechnet noch auf solche des Jahres 1992 zurückgetragen werden.
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch die Einkünfte aus der Tierzucht und Tierhaltung, wenn der Betrieb über eine ausreichende Futtergrundlage in Gestalt von landwirtschaftlichen Flächen verfügt. Steht eine ausreichende Futtergrundlage nicht zur Verfügung, weil die Anzahl der Vieheinheiten die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Grenzen übersteigt, erfolgt die Tierhaltung und Tierzucht im Rahmen eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 EStG. Die Annahme der Gewerblichkeit setzt jedoch voraus, dass die Grenzen in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nachhaltig überschritten werden. Dies folgt sowohl aus der Verweisung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG auf § 51 Abs. 2 Satz 1 BewG als auch aus der Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG. Soweit die maßgeblichen Vieheinheiten nachhaltig überschritten sind, ist bei Vorhandensein nur eines Tierbestandszweigs die gesamte Tierzucht/-haltung gewerblich, anderenfalls gehören nur die über die Vieheinheitengrenze hinausgehenden nicht aufteilbaren Tierbestandszweige zur gewerblichen Tierzucht/-haltung (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 51 Abs. 2 BewG).
2. Eine auf einer ausreichenden Futtergrundlage betriebene landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung kann in Folge einer nachhaltigen Änderung im Tier- oder Flächenbestand in die Gewerblichkeit hineinwachsen. Ab welchem Zeitpunkt eine betriebliche Strukturänderung eines landwirtschaftlichen Betriebs hin zu einer gewerblichen Tierzucht und Tierhaltung vorliegt, hängt entscheidend von der Art und Weise der durchgeführten Änderung ab.
Die Strukturänderung eines landwirtschaftlichen Betriebs kann sich in zwei Formen vollziehen:
a) In der Regel stellen sich Handlungen, die eine solche Änderung zur Folge haben, als ein Bündel von Einzelmaßnahmen dar, deren erste vor und deren letzte nach der Wandlung des Betriebs liegen können (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168). Erst in ihrem Zusammenhang lassen die Einzelmaßnahmen erkennen, ob und von welchem Zeitpunkt an sie zu einer neuen selbständigen Erwerbsquelle führen. Im Falle eines solchen allmählichen Strukturwandels lässt sich bei Beginn der Entwicklung noch nicht erkennen, ob sie zu einer nachhaltigen Änderung des Betriebs führen wird (BFH-Urteile vom 4. Februar 1976 I R 113/74, BFHE 118, 205, BStBl II 1976, 423, und vom 9. Mai 1996 V R 118/92, BFHE 181, 184, BStBl II 1996, 550). Der allmähliche Strukturwandel ist vielmehr gerade dadurch gekennzeichnet, dass strukturelle, auf Dauer angelegte Maßnahmen fehlen, die zu einer wiederholten Überschreitung der Vieheinheitengrenze geführt haben. In diesen Fällen wird es regelmäßig zumindest in den ersten Jahren an einem Willen des Landwirts zum nachhaltigen Strukturwandel fehlen. Für die Überschreitung der Vieheinheitengrenze werden vielmehr häufig Gründe der laufenden Wirtschaftsführung ursächlich sein (z.B. Ablauf der Pachtverträge, kurzfristige Absatzschwankungen). In diesem Fall muss, ähnlich wie beim überbetrieblichen Maschineneinsatz (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. Dezember 2006 IV R 10/05, BFHE 216, 241, BStBl II 2007, 516, und vom 20. September 2007 IV R 32/06, BFH/NV 2008, 569), für die Entscheidung der Frage, ob die maßgebliche Vieheinheitengrenze nachhaltig überschritten wurde, mit der Folge, dass ein Gewerbebetrieb anzunehmen ist, ein Beobachtungszeitraum von drei Wirtschaftsjahren zugrunde gelegt werden. Wird die Vieheinheitengrenze in diesem Zeitraum regelmäßig auch nur geringfügig überschritten, ist ab dem vierten Wirtschaftsjahr ein Gewerbebetrieb anzunehmen (ebenso Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kap. 6, Rz 57; Schmidt/Seeger, EStG, 27. Aufl., § 13 Rz 85; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 58; R 13.2 Abs. 2 und R 15.5 Abs. 2 EStR; a.A. Blümich/Selder, § 13 EStG Rz 98; Kube in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 13 Rz 10).
b) Von dem Fall des allmählichen oder schleichenden Strukturwandels ist der Fall des sofortigen Strukturwandels zu unterscheiden, in dem der Landwirt durch auf Dauer angelegte planmäßige Maßnahmen seinen Betrieb bewusst so umstrukturiert, dass die Vieheinheitengrenze nachhaltig überschritten wird. Der notwendige klare Zusammenhang mit der neuen Erwerbsquelle ergibt sich in diesen Fällen regelmäßig aus Art und Umfang der geplanten und durchgeführten Maßnahmen (BFH-Urteil in BFHE 118, 205, BStBl II 1976, 423). Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere Investitionen in die Kapazitätsausweitung der Tierzucht und Tierhaltung, soweit diese ohne flankierende Maßnahmen zur Ausweitung der als Futtergrundlage zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen stattfinden.
Wird die Vieheinheitengrenze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG um mehr als 10 % überschritten und wird dadurch zugleich ein zusätzlicher Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen von mehr als 10 % erforderlich, lässt dies regelmäßig die Schlussfolgerung zu, dass dem Maßnahmen im Hinblick auf einen sofortigen Strukturwandel zu Grunde liegen.
c) Der Gewerbebetrieb infolge des sofortigen Strukturwandels beginnt grundsätzlich mit den ersten Vorbereitungshandlungen, die erkennbar auf die nachhaltige Kapazitätserweiterung ohne entsprechende Flächenzuwächse gerichtet sind. Die Investitionen im Rahmen einer Kapazitätserweiterung, die zu einem sofortigen Strukturwandel führen, sind daher nicht mehr dem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern dem Gewerbebetrieb zuzuordnen. Die Maßnahmen, die den Beginn der gewerblichen Tierzucht und Tierhaltung vorbereiten, können insoweit nicht anders beurteilt werden, als die Maßnahmen, die der Vorbereitung einer erstmals aufzunehmenden anderen werbenden Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbebetriebs dienen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. April 1992 VIII R 34/91, BFH/NV 1992, 797, und vom 19. April 2007 IV R 28/05, BFHE 218, 75, BStBl II 2007, 704).
Der Gewerbebetrieb tritt daher mit der Aufnahme der ersten Vorbereitungshandlungen, die eindeutig auf eine Kapazitätsausweitung gerichtet sind, neben den weiterhin bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb. Denn die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen vollzieht sich, unabhängig davon, ob sie der Futtergewinnung für den nunmehr gewerblichen Tierbestand dienen, weiterhin im landwirtschaftlichen Betrieb (Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 13 EStG Rz 262; Leingärtner/ Stalbold, a.a.O., Kap. 6, Rz 68).
d) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ab wann die Tierbestände sowie die Wirtschaftsgüter des landwirtschaftlichen Betriebs, soweit sie nunmehr ausschließlich dem gewerblichen Betrieb dienen, in den Gewerbebetrieb zu überführen sind. Der Wirtschaftsguttransfer ist regelmäßig erst mit der Aufstallung der zusätzlichen Tierbestände zu vollziehen. Denn erst ab diesem Zeitpunkt liegt eine tatsächliche Überschreitung der Vieheinheitengrenzen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vor (Leingärtner/Stalbold, a.a.O., Kap. 6, Rz 65). Dem Landwirt bleibt es jedoch unbenommen, Tierbestände und Wirtschaftsgüter des landwirtschaftlichen Betriebs bereits in dem Zeitraum zwischen erster Vorbereitungshandlung und Aufstallung des zusätzlichen Viehbestandes dem Gewerbebetrieb ausdrücklich zuzuordnen. Daraus folgt zugleich, dass die mit den zu überführenden Wirtschaftsgütern zusammenhängenden Einkünfte bis zum Zeitpunkt der Überführung dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen sind.
3. Davon ausgehend hat das FG zu Recht entschieden, dass die Rücklage für die Errichtung des Schweinestalls in Höhe von 1 Mio. DM zum 30. Juni 1994 im Gewerbebetrieb (gewerbliche Tierzucht) des Klägers gebildet werden musste.
a) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die Bildung einer Rücklage für den Neubau eines Schweinemaststalls mit 2 080 Mastplätzen beantragt. Der Maststall wurde im Oktober 1996 fertig gestellt und in Nutzung genommen. Dies führte zu einer Kapazitätsausweitung von 624 Vieheinheiten gegenüber den bisher erzeugten bzw. gehaltenen Vieheinheiten zwischen 201 und 276 in den Wirtschaftsjahren 1992/93 bis 1995/96. Um über eine ausreichende Futtergrundlage i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu verfügen, hätten vom Kläger unter Berücksichtigung der vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen, die in den Wirtschaftsjahren 1992/93 bis 1995/96 zwischen 50,20 ha und 68,53 ha betrugen, zusätzliche Flächen von 355 ha angeschafft bzw. angepachtet werden müssen. Der Neubau des Schweinemaststalls hat damit zu einer Kapazitätsausweitung geführt, die einen sofortigen Strukturwandel hin zum Gewerbetrieb begründet hat.
b) Die Errichtung des Stallgebäudes ist daher nicht mehr durch den landwirtschaftlichen Betrieb, sondern durch den Gewerbebetrieb veranlasst gewesen. Davon, dass der Schweinemastbetrieb durch die Kapazitätsausweitung zum Gewerbebetrieb umstrukturiert wurde, ist ersichtlich auch der Kläger ausgegangen. Denn der Kläger hat den bisherigen landwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Juli 1996, noch vor der Fertigstellung und Inbetriebnahme des neuen Maststalls, auf die mit einer Angehörigen errichtete GbR übertragen und die Schweinemast in dem neuen Schweinemaststall als Gewerbebetrieb fortgeführt.
c) Ist die Errichtung des Schweinestalls dem Gewerbebetrieb zuzurechnen, muss dies gleichermaßen für die Rücklage gemäß § 3 Abs. 2a ZRFG gelten, die im Hinblick auf diese Investitionen gebildet worden ist.
aa) Die Rücklage nach § 3 Abs. 2a ZRFG dient ausschließlich dazu, den Aufwand für eine bestimmte Investition in einen früheren Veranlagungszeitraum zu verlagern, um damit dem Steuerpflichtigen Liquiditätsvorteile zu verschaffen. Anknüpfungspunkt für die betriebliche Zurechnung dieses vorgezogenen Aufwands ist damit allein die tatsächlich durchgeführte Investition. Der durch die Rücklage vorgezogene Aufwand ist daher ebenfalls durch den Betrieb veranlasst, für den das Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt worden ist. Die Aufwendungen stellen damit vorweggenommene Betriebsausgaben des Gewerbebetriebs dar.
bb) Dieser Rechtsauffassung steht die Rechtsprechung zur Bildung einer Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG bei der Herstellung von Wirtschaftsgütern vor Vollendung der Eröffnung eines landwirtschaftlichen Betriebs nicht entgegen (BFH-Urteile in BFHE 218, 75, BStBl II 2007, 704, und vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182). Dort ging es um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG gebildet werden kann. Um in den Fällen, in denen die Betriebseröffnung noch nicht vollendet ist, eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Förderung zu vermeiden, hat der BFH verlangt, dass die Investitionsentscheidung ausreichend konkretisiert sein muss. Über die Bewilligung der Rücklagenbildung nach § 3 Abs. 2a ZRFG ist jedoch vorliegend bereits mit Bescheid vom 19. Januar 1996 bestandskräftig entschieden worden. Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung. Im vorliegenden Fall ist daher nicht über die Zulässigkeit der Bildung der Rücklage, sondern nur darüber zu entscheiden, durch welchen Betrieb der rücklagenbedingte vorgezogene Aufwand veranlasst worden ist.
Zutreffend hat das FG auch darauf hingewiesen, dass der Bewilligungsbescheid keine Regelung dahin trifft, welchem Betriebsvermögen die Rücklage zuzuordnen ist. Diese Entscheidung bleibt vielmehr dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten.
4. Ist die Rücklage zum 30. Juni 1994 daher in dem Gewerbebetrieb zu bilden gewesen, können die dadurch im Wirtschaftsjahr 1993/94 entstandenen Verluste gemäß § 15 Abs. 4 EStG weder mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten des Streitjahres 1993 verrechnet noch auf solche des Jahres 1992 zurückgetragen werden.
5. Zu Unrecht hat das FG die Einkünfte aus der Schweinemast, die in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 erzielt worden sind, als solche aus gewerblicher Tierzucht behandelt. Wie oben unter II.A.2.d ausgeführt, wären die bisher dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnenden Tiere erst mit der Aufstallung der zusätzlichen Tierbestände in den Gewerbebetrieb zu überführen gewesen. Dazu kam es im Streitfall jedoch nicht, da der landwirtschaftliche Betrieb schon vor diesem Zeitpunkt aber nach den Streitjahren in ein anderes Unternehmen eingebracht worden ist. Die Einkünfte aus der Schweinemast der Wirtschaftsjahre 1993/94 und 1994/95 sind danach weiterhin als Einkünfte aus Landwirtschaft zu erfassen. An einer diesbezüglichen Änderung der Vorentscheidung sieht sich der Senat allerdings durch das auch im Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot gehindert.
B. Anschlussrevision des FA
Der Senat legt die Revisionserwiderung des FA dahin aus, dass damit eine Anschlussrevision (§ 155 FGO i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung --ZPO--) eingelegt werden sollte. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Bezeichnung des Begehrens als Anschlussrevision; darauf kommt es aber nicht an, da der Wille des FA eindeutig erkennbar geworden ist, dass es ebenfalls eine Abänderung der Vorentscheidung erreichen will. So hat sich das FA in der Revisionserwiderung nicht darauf beschränkt, die Zurückweisung der Revision zu beantragen. Vielmehr hat es die Abweisung der Klage auch insoweit beantragt, als die Vorentscheidung dem Begehren der Kläger entsprochen hat.
Die so auszulegende Anschlussrevision des FA war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
Die Anschlussrevision muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. März 2007 IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813). Daran fehlt es vorliegend. Die Revisionsbegründung der Kläger wurde dem FA, ausweislich dessen Posteingangsstempel auf dem Empfangsbekenntnis, am 5. Mai 2006 zugestellt. Die Anschlussrevision wurde jedoch erst am 21. Juni 2006 eingelegt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) wegen der Versäumung dieser Frist kommt nicht in Betracht. Das FA hat insoweit keinen Antrag gestellt. Auch nach Aktenlage sind Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich.
Zwar ist eine unzulässige Revision nach § 126 Abs. 1 FGO grundsätzlich durch Beschluss zu verwerfen. Haben aber beide Beteiligte Revision eingelegt, und ist davon die eine unbegründet, die andere unzulässig, kann der Senat insgesamt über beide Revisionen durch Urteil entscheiden (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1813). Dies gilt gleichermaßen für die Entscheidung über eine unzulässige Anschlussrevision, die neben einer zulässigen Revision eingelegt worden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 126 Rz 4).
Fundstellen
Haufe-Index 2156158 |
BFH/NV 2009, 1017 |
BFH/PR 2009, 252 |
BStBl II 2009, 654 |
BFHE 2009, 330 |
BFHE 224, 330 |
DB 2009, 1162 |
DStRE 2009, 652 |
HFR 2009, 664 |