Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrere Sportveranstaltungen eines nicht von der KSt befreiten Vereins als einheitlicher Betrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Mehrere Motorsportveranstaltungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Vereins sind als ein einheitlicher Betrieb zu beurteilen, wenn sie gleichartig sind und der Verein für sie keine voneinander getrennten Organisationen unterhält.
2. Die Tatsache, dass der Verein durch einige der Veranstaltungen Gewinne und durch andere Veranstaltungen Verluste erzielt, schließt die Beurteilung der Veranstaltungen als einen einheitlichen und ohne Gewinnerzielungsabsicht unterhaltenen Betrieb nicht aus.
Normenkette
KStG § 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1-2; EStG § 2 Abs. 2, § 15 Abs. 1-2; AO 1977 § 14; KStG § 47 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter eingetragener Verein― will nach seiner Satzung die Interessen des Kraftfahrwesens fördern. Dazu gehört satzungsgemäß u.a. auch die Pflege und Förderung des Motorsports durch motorsportliche Veranstaltungen. Dementsprechend führt der Kläger jährlich zahlreiche Motorsportveranstaltungen durch. Eine davon war in den Jahren 1988 bis 1992 (Streitjahre) die Veranstaltung in A. Sie bestand aus Motocross-Rennen, an denen Berufs- und Amateursportler teilnahmen, und dauerte jeweils mehrere Tage. Durch die Veranstaltungen in A erzielte der Kläger in jedem der Streitjahre Gewinne. Diese glichen jedoch nicht die Verluste aus, die der Kläger in den Streitjahren durch seine anderen Motorsportveranstaltungen erlitt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beurteilte die Veranstaltungen in A als einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, dessen Gewinne das zu versteuernde Einkommen des Klägers erhöhen. Die anderen Motorsportveranstaltungen ordnete das FA einem steuerlich nicht relevanten Mitgliederbereich des Klägers zu. Es erließ für die Streitjahre Körperschaftsteuerbescheide, denen diese Rechtsauffassung zugrunde liegt. Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1001 veröffentlicht.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend angewandt.
Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide vom 3. Juli 1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 1998, soweit sie die Streitjahre betreffen, dahin gehend zu ändern, dass die Gewinne aus den Veranstaltungen in A dem nicht steuerbaren Mitgliederbereich zugeordnet werden, hilfsweise die Bescheide dahin gehend zu ändern, dass gemäß § 10d EStG die Verluste aus den anderen Motorsportveranstaltungen von den Gewinnen auf Grund der Veranstaltungen in A abgezogen werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil war aufzuheben und die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide waren entsprechend dem Hauptantrag des Klägers zu ändern (Entscheidung gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Veranstaltungen in A und die anderen Motorsportveranstaltungen des Klägers bildeten in den Streitjahren einen einzigen Betrieb "Motorsportveranstaltungen", durch den der Kläger zwar Einnahmen, aber ―da er den Betrieb ohne Gewinnerzielungsabsicht unterhielt― keine Einkünfte erzielte.
1. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ist der Kläger in den Streitjahren gemäß § 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und nicht von der Steuer befreit. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte des Klägers (§ 1 Abs. 2 KStG; s. auch Senatsurteil vom 15. Juli 1987 I R 280/81, BFHE 151, 27, BStBl II 1988, 75).
2. Die Verfahrensbeteiligten gehen mit dem FG davon aus, dass der Kläger einen körperschaftsteuerrechtlich nicht relevanten Bereich (sog. Privatsphäre, nach der Terminologie des FG und der Verfahrensbeteiligten: Mitglieder- oder Satzungsbereich) besitzt und dass er durch seine vielfältigen Betätigungen nicht nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern ―wie die angefochtenen Bescheide in Verbindung mit dem Betriebsprüfungsbericht ausweisen― z.B. auch Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung erzielte. Der erkennende Senat beurteilt die rechtliche Ausgangslage ebenso. Der Kläger ist keine Kapitalgesellschaft, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nur Betriebsvermögen und u.a. deshalb keine Privatsphäre besitzt (s. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123). Die Regelung in § 8 Abs. 2 KStG, nach der bei den gemäß den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Führung von Büchern verpflichteten Steuerpflichtigen alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind, gilt für den Kläger nur partiell. Der Kläger ist nicht ―wie z.B. die Kapitalgesellschaften― nach § 238 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB auf Grund seiner Rechtsform zur Buchführung verpflichtet (s. z.B. Roth in Koller/Roth/Morck, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., 2003, § 6 Rz. 2, 4, 6). In den Streitjahren war er nur insoweit nach dem HGB buchführungspflichtig, als er ein sog. Grundhandelsgewerbe betrieb und kein sog. Minderkaufmann war oder soweit er auf Grund der Art und des Umfangs seiner gewerblichen Tätigkeit ein sog. Sollkaufmann war (§ 238 Abs. 1 HGB i.V.m. § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 1 bzw. i.V.m. §§ 2 und 262 HGB in der in den Streitjahren geltenden Fassung; Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 1, 1996, § 1 Rz. 9, 10; Bokelmann in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 2 Rz. 2 f., § 4 Rz. 15).
3. Die zu beurteilenden Betätigungen des Klägers ―die jährliche Veranstaltung von Kraftfahrzeugrennen― erfüllten die Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG), falls der Kläger sie mit Gewinnerzielungsabsicht ausübte. Die vom Kläger auf eigene Rechnung und Gefahr ausgerichteten Kraftfahrzeugrennen sind weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder einer anderen selbständigen Arbeit anzusehen; sie sind auch keine ―einen Gewerbebetrieb ausschließende (s. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617)― private Vermögensverwaltung.
Die Tatsache, dass die Veranstaltungen in A der Pflege und Förderung des Motorsports und somit ―wie auch die anderen Motorsportveranstaltungen― dem Satzungszweck des Klägers dienten, schließt ihre Qualifizierung als Gewerbebetrieb nicht aus. Eine der Erfüllung eines Satzungszwecks dienende Betätigung kann gleichzeitig eine gewerbliche Tätigkeit sein, die zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt (s. Senatsurteile in BFHE 151, 27, BStBl II 1988, 75; vom 16. Dezember 1998 I R 36/98, BFHE 188, 17, BStBl II 1999, 366).
4. Die Veranstaltungen in A waren jedoch deshalb kein Gewerbebetrieb, weil sie zusammen mit den anderen Motorsportveranstaltungen einen einheitlichen Betrieb bildeten, den der Kläger ohne Gewinnerzielungsabsicht unterhielt.
a) Zu der Frage, ob mehrere Tätigkeiten i.S. des § 14 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eines gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreiten Vereins einen einzigen oder mehrere Betriebe bilden, hat der erkennende Senat entschieden, dass ihrer Art nach unterschiedliche Tätigkeiten grundsätzlich mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind; dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeiten wirtschaftlich verflochten sind und sich gegenseitig bedingen (Senatsurteil vom 27. März 1991 I R 31/89, BFHE 164, 508, BStBl II 1992, 103; s.a. Buciek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 14 AO Rz. 74; Gersch in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., 2003, § 14 Rz. 19). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass mehrere gleichartige Tätigkeiten als ein einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen sind. Andernfalls verlöre der Begriff des "Betriebs" völlig seine Funktion, einzelne Tätigkeiten zu einer Einheit zusammenzufassen. Aus dem gleichen Grund setzt die Qualifizierung mehrerer gleichartiger Tätigkeiten als ein Betrieb auch nicht voraus, dass die Tätigkeiten wirtschaftlich miteinander verflochten sind oder sich gegenseitig bedingen.
Gleichartigkeit besteht nicht erst, wenn die Tätigkeiten gleich sind, der Ablauf der jeweiligen betrieblichen Vorgänge also identisch ist. Gleichartig sind Tätigkeiten bereits dann, wenn die wesentlichen die jeweilige Tätigkeit kennzeichnenden betrieblichen Handlungen übereinstimmen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901).
b) Diese Rechtsprechung kann auf Vereine übertragen werden, die ―wie der Kläger― nicht von der Körperschaftsteuer befreit sind. Denn die Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, ob Betätigungen eines Vereins einen einzigen Betrieb oder mehrere Betriebe bilden, sind unabhängig von den Voraussetzungen der Steuerbefreiung (s. auch § 64 Abs. 2 und 3 AO 1977).
c) Die zu beurteilenden Tätigkeiten des Klägers waren gleichartig. Die einzelnen Sportveranstaltungen unterschieden sich zwar hinsichtlich der Austragungsorte, der an den Rennen teilnehmenden Fahrzeuge und Fahrer, der Rahmenprogramme und des Publikumsinteresses sowie hinsichtlich des mit der Veranstaltung verbundenen Aufwands und der Kostendeckung. Diese Unterschiede ändern aber nichts daran, dass die mit den Veranstaltungen zusammenhängenden und die Tätigkeiten des Klägers im Wesentlichen kennzeichnenden betrieblichen Handlungen übereinstimmten. Bei allen diesen Handlungen ging es darum, Motorsportveranstaltungen auszurichten, d.h. solche Veranstaltungen ordnungsgemäß vorzubereiten und durchzuführen. Diese organisatorische Aufgabe übernahm für sämtliche Veranstaltungen die Motorsportabteilung des Klägers. Die Arbeit der Sportabteilung diente bei allen Veranstaltungen dem gleichen Ziel, das Interesse am Motorsport zu wecken und zu erhalten und damit diese Sportart zu fördern.
d) Der Betrieb "Motorsportveranstaltungen" war kein Gewerbebetrieb; der Kläger erzielte durch ihn daher keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Ein Gewerbebetrieb und dementsprechend Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzen eine Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht voraus (§ 15 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 EStG und § 8 Abs. 1 KStG). Diese Absicht fehlte dem Kläger in Bezug auf die Motorsportveranstaltungen. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass er durch den Betrieb "Motorsportveranstaltungen" dauerhaft Verluste erlitt. Dass er durch die Veranstaltungen in A Gewinne erzielte, steht dem nicht entgegen. Einzelne gewinnbringende Geschäfte eines Betriebs rechtfertigen nicht den Schluss, der insgesamt und nachhaltig verlustbringende Betrieb sei mit Gewinnerzielungsabsicht geführt worden. Der Kläger behauptet zudem auch nicht, mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt zu haben.
e) Da der Kläger mit dem Betrieb "Motorsportveranstaltungen" keinen Gewerbebetrieb unterhielt, dürfen weder die positiven wirtschaftlichen Ergebnisse der Veranstaltungen in A noch die negativen wirtschaftlichen Ergebnisse der anderen Motorsportveranstaltungen als Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommens und der Festsetzung der Körperschaftsteuer berücksichtigt werden. Dem Hauptantrag des Klägers war deshalb zu entsprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 1100160 |
BFH/NV 2004, 445 |
BFHE 2004, 21 |
BFHE 204, 21 |
BB 2004, 425 |
DB 2004, 416 |
DStRE 2004, 335 |