Leitsatz (amtlich)
Erhält der Steuerpflichtige beim unfreiwilligen Ausscheiden eines Grundstücks aus dem Betriebsvermögen als Entschädigung u. a. ein Grundstück, das bei ihm notwendiges Privatvermögen wird, so wird dadurch allein die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung insoweit noch nicht ohne weiteres ausgeschlossen.
Normenkette
EStG §§ 5-6
Tatbestand
Streitig ist, ob beim Kläger und Revisionskläger (Kläger) das unfreiwillige Ausscheiden eines zu seinem Betriebsvermögen gehörigen Grundstücksteils gegen Sachentschädigung im Jahre 1962 zu einer Gewinnrealisierung führte.
Der Kläger betrieb 1962 sein Steinmetzunternehmen auf dem ihm gehörigen Grundstücksteil A in X (der andere Teil gehörte zum Betriebsvermögen seiner Mutter). Nach langwierigen Verhandlungen (seit 1954) erwarb die Stadt X das Grundstück A, das sie zur Verbreiterung der Straße benötigte, im Jahre 1961/62 zwangsweise. Als Entschädigung erhielt der Kläger neben einem Barbetrag das Grundstück B und das Grundstück C. Das Grundstück B gelangte ins Betriebsvermögen des Klägers, das Grundstück C wurde bei ihm unstreitig notwendiges Privatvermögen. Er hatte sich neben seiner Mutter der Stadt X gegenüber verpflichtet, dieses Grundstück bis Ende 1963 mit Sozialwohnungen zu bebauen.
Der Kläger bildete eine Rücklage für Ersatzbeschaffung, wobei er das Grundstück C in der Weise berücksichtigte, daß er dieses Grundstück zunächst gewinnerhöhend aktivierte, insoweit zur Neutralisierung des Gewinns eine Rücklage für Ersatzbeschaffung bildete und das Grundstück C sodann ohne Gewinnrealisierung in das Privatvermögen überführte.
Dem folgte das FA nicht. Es nahm ein gewinnrealierendes Tauschgeschäft an und ermittelte einen Gewinn von 19 133 DM aus diesem Vorgang. In der Einspruchsentscheidung führte das FA dazu aus, das zum notwendigen Privatvermögen gehörige Grundstück C könne wirtschaftlich nicht dieselbe oder eine entsprechende Aufgabe erfüllen wie das ausgeschiedene Grundstück A. Deshalb sei ein gewinnrealisierendes Tauschgeschäft anzunehmen.
Die Klage blieb in diesem Punkt erfolglos.
Das FG führte im wesentlichen aus: Die Grundsätze der Übertragung der stillen Reserven unfreiwillig aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedener Wirtschaftsgüter auf Ersatzwirtschaftsgüter könnten nicht angewendet werden, wenn die angeschafften Wirtschaftsgüter nicht als Ersatzwirtschaftsgüter in Betracht kommen könnten. Unstreitig habe das Grundstück C zum notwendigen Privatvermögen des Klägers gehört. Es habe daher nicht im Betriebsvermögen des Klägers erfaßt werden können. Seine Anschaffung sei daher keine betriebliche Maßnahme. Sie werde dadurch ermöglicht, daß einen logischen Augenblick lang vor der Veräußerung ein Teil des dem Kläger zustehenden Betriebsgrundstücksanteils in das Privatvermögen zum Zwecke des Erwerbs des Wohngrundstücks überführt werde. Dieser Vorgang, ohne den die Anschaffung rein privater Gegenstände mit Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nicht denkbar sei, führe zur Aufdeckung der stillen Reserven, die zur Anschaffung des privaten Wohnhauses benutzt worden seien. Der Kläger sei auch nicht gezwungen gewesen, das Privatgrundstück als Entschädigung anzunehmen. Denn im Fall der Enteignung hätte sich die Stadt X gegen den Willen des Klägers nicht ihrer Verpflichtung entziehen können, den Wert des enteigneten Grundstücks in Geld zu entschädigen. Die Annahme des Privatgrundstücks beruhe auf der freien Willensentscheidung des Klägers, er müsse daraus die steuerlichen Konsequenzen ziehen, die nicht anders zu beurteilen gewesen wären, wenn der Kläger Geld erhalten und zugleich die Absicht gehabt hätte, mit diesem Geld ein Privathaus zu erwerben.
Gegen die Entscheidung des FG legten die Kläger form- und fristgerecht Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1962 in der Form der Einspruchsentscheidung und des Urteils des FG die Einkommensteuer auf 0 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist das in ständiger Rechtsprechung des RFH und des BFH anerkannte bilanzmäßige Instrument zur Neutralisierung der durch einen entgeltlichen Vorgang des unfreiwilligen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen nach allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung eintretenden Gewinnrealisierung (vgl. Urteil des BFH vom 6. Mai 1971 IV R 59/69, BFHE 102, 493, BStBl II 1971, 664). Die Rücklage für Ersatzbeschaffung verfolgt den Zweck, die Zeit seit dem Ausscheiden des Wirtschaftsguts bis zur Anschaffung oder Herstellung des Ersatzwirtschaftsguts, auf das die im ausgeschiedenen Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven übertragen werden dürfen, bilanzmäßig zu überbrücken. Sie ist aufzulösen, wenn das Ersatzwirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt oder wenn die Absicht der Ersatzbeschaffung endgültig aufgegeben wird. Im erstgenannten Fall wird sie auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts übertragen, im letztgenannten Fall wird der Gewinn aus dem Ausscheidungsvorgang realisiert.
Liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung - wie im Streitfall zwischen den Parteien unstreitig und von der Vorinstanz ohne Beanstandung durch das FA bejaht - vor, so kann sie gebildet werden, gleichgültig, aus welchen Einzelelementen sich das Entgelt, die Entschädigung für das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut, zusammensetzt, ob sie ausschließlich aus Geld besteht, ob Sachwerte übertragen werden und ob die Sachwerte ins Betriebsvermögen oder ins Privatvermögen des Empfängers übergehen. Die Frage, wie der Tausch eines zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts gegen ein Wirtschaftsgut, das nicht Betriebsvermögen sein kann oder werden soll, bilanzmäßig darzustellen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn auch wenn man mit dem FG annehmen müßte, daß in einem solchen Fall das hingetauschte Wirtschaftsgut ganz oder teilweise entnommen wird, so könnte von dieser bilanzmäßigen Konstruktion des Vorgangs nicht die Beantwortung der Frage abhängig gemacht werden, ob der Steuerpflichtige eine Ersatzbeschaffung vornehmen will oder ob er mit Entgegennahme des zu seinem Privatvermögen gehörigen Grundstücks insoweit die Absicht der Ersatzbeschaffung aufgegeben hat. Denn was der Steuerpflichtige für das ausgeschiedene Wirtschaftsgut erhält, ist seinem Wesen nach zunächst Entgelt oder Entschädigung und besagt im allgemeinen nichts darüber, ob eine Ersatzbeschaffung vorgenommen werden soll. Der Steuerpflichtige braucht auch die als Entgelt erhaltenen Wirtschaftsgüter nicht zur Ersatzbeschaffung zu verwenden.
Nun kann allerdings die Entschädigung auch in der Übertragung eines Ersatzwirtschaftsguts bestehen. Im Streitfall war dies z. B., da der Kläger keine Einwendungen erhoben hat, hinsichtlich des erhaltenen Grundstücks B anzunehmen. In einem solchen Fall bedarf es insoweit nicht erst des Umwegs über die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung, die stillen Reserven des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts können unmittelbar auf das erhaltene Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden. Andererseits kann aber auch von vornherein nicht die Absicht einer Ersatzbeschaffung bestehen. Dann tritt insoweit Gewinnrealisierung ein, eine Rücklage für Ersatzbeschaffung darf nicht gebildet werden. Dieser Sachverhalt kann insbesondere vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Entschädigung ein Wirtschaftsgut erhält, das bei ihm nur notwendiges Privatvermögen sein könnte. Ein solches Wirtschaftsgut kann die Anforderungen, die an den Begriff des Ersatzwirtschaftsguts gestellt werden, so vor allem Funktionsgleichheit im Betrieb, nicht erfüllen. Da ein solches Wirtschaftsgut nach den obigen Ausführungen aber in erster Linie Entschädigung ist, muß hier die fehlende Absicht der Ersatzbeschaffung festgestellt werden. Der Umstand allein, daß ein zum notwendigen Privatvermögen gehöriges Wirtschaftsgut als Entschädigung übertragen wird, bedeutet im allgemeinen noch nicht die fehlende Absicht der Ersatzbeschaffung und hindert demgemäß für sich allein nicht die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung.
Da die Vorentscheidung von anderen Überlegungen ausging, war sie aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit diese noch Feststellungen zur Frage trifft, ob der Kläger mit der Entgegennahme des Grundstücks C insoweit den Plan einer Ersatzbeschaffung von vornherein gar nicht hatte oder ihn bis zum Bilanztag bereits wieder aufgegeben hat.
Fundstellen
Haufe-Index 70343 |
BStBl II 1973, 297 |
BFHE 1973, 326 |